Norderstedt. Durchwachsene Monate liegen hinter Eintracht Norderstedt. Der Präsident sagt, was ihn sauer macht und welche Ziele sich der Club setzt.

Reenald Koch (63) zieht Bilanz. Der Präsident von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt spricht im Hamburger Abendblatt über die abgelaufene Saison, den zehnten Tabellenplatz und die Enttäuschung im Lotto-Pokal, ein vercoachtes Spiel des Trainerteams, die Abschiede von Jan Lüneburg und Kang-min Choi – und sagt, wann er sich aus der Führungsetage zurückziehen möchte.

Herr Koch, mit welcher Schulnote bewerten Sie die Saison?

Reenald Koch: Mit einer 4.

Warum?

Unsere Mannschaft befand sich zeitweise unter den ersten fünf Teams der Regionalliga Nord. Mit dieser Qualität darfst du niemals im Achtelfinale des Lotto-Pokals beim Oberligisten HEBC verlieren. Das ist vier Monate her.

Eintracht Norderstedt: Reenald Koch spricht Klartext – „Es wäre mehr drin gewesen“

Sie wirken immer noch sauer.

Bin ich auch. Weil sich die Spieler an diesem frostigen Februartag beim HEBC nicht zusammengerissen haben. Wenn manche Spieler in dieser Partie dieselbe Einstellung an den Tag gelegt hätten wie bei den Vertragsverhandlungen, wären wir mit Sicherheit im Endspiel gewesen. Wenn wir nicht vorher auf den FC Teutonia 05 treffen, ist das Pokalfinale für uns Pflicht.

In der Regionalliga Nord war Ihr Team lange Zeit auf dem Weg zur besten Saison der Vereinsgeschichte. Im letzten Drittel brach es ein. Warum?

Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass der zehnte Platz in der Endabrechnung für uns gemessen an unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten in Ordnung ist. Ja, es wäre mehr drin gewesen. Manche Punktverluste waren überflüssig. Auch hatten wir mit Verletzungen zu kämpfen. Leider hat es teilweise in den entscheidenden Phasen an der Führung der Mannschaft gefehlt. Darüber habe ich mit Olufemi Smith schon gesprochen. Das Trainerteam wird Änderungen vornehmen.

Elias Saad (rechts, hier mit seinem früheren Eintracht-Mitspieler Yannik Nuxoll) wechselte im Winter in die 2. Bundesliga zum FC St. Pauli und spielte sich zum Saisonende in die Startelf.
Elias Saad (rechts, hier mit seinem früheren Eintracht-Mitspieler Yannik Nuxoll) wechselte im Winter in die 2. Bundesliga zum FC St. Pauli und spielte sich zum Saisonende in die Startelf. © Frank Best

Können Sie ein Beispiel nennen?

Das 1:2 daheim gegen Rehden. Dieses Spiel ist leider auch vercoacht worden. Da hat mir die Leistung unseres Trainerteams nicht gefallen. Wenn wir so schwach spielen, ist es zwingend erforderlich, nach 25 Minuten ein Signal zu senden. Beispielsweise die Ersatzspieler zum Warmlaufen zu schicken, um ein Zeichen zu setzen. Auch hätte in der Pause unbedingt gewechselt werden müssen. Ich war nach der Niederlage in der Kabine und habe das gegenüber Olufemi Smith angesprochen. Er hat mir recht gegeben und die Leistung des Trainerteams ebenfalls kritisch gesehen.

Eintracht Norderstedt scoutet bereits den Trainermarkt

Coacht das Trainerteam nun auf Bewährung?

Überhaupt nicht. Fehler anzusprechen gehört zu einer Führungskultur des Miteinander und Füreinander. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin mit unserem Trainerteam sehr zufrieden. Olufemi Smith ist ein hervorragender Trainer. Gleiches gilt für seine Co-Trainer Marius Ebbers und Max Krause sowie für Torwarttrainer Fabian Lucassen und Denny Schiemann als Spiel- und Videoanalyst. Der gesamte Staff macht einen richtig guten Job.

Olufemi Smith wird im Dezember seine Lizenz als Fußball-Lehrer in der Tasche haben. Er will in den Profibereich. Scouten Sie eigentlich den Trainermarkt?

Selbstverständlich. Ich gehe auch davon aus, dass Olufemi Smith in seine letzte Saison bei uns als Trainer geht. Übrigens möchte auch Marius Ebbers als Trainer in den Profibereich aufsteigen. Er macht gerade den A-Schein. Wenn Femi oder Ebbe uns verlassen sollten, wären wir vorbereitet.

Nach zehn Jahren hat sich Rekordtorjäger Jan Lüneburg von Eintracht Norderstedt verabschiedet. Vizepräsidentin Julia Karsten-Plambeck soll perspektivisch die Clubführung übernehmen, bei Geschäftsführer Finn Spitzer laufen schon jetzt viele Fäden zusammen.
Nach zehn Jahren hat sich Rekordtorjäger Jan Lüneburg von Eintracht Norderstedt verabschiedet. Vizepräsidentin Julia Karsten-Plambeck soll perspektivisch die Clubführung übernehmen, bei Geschäftsführer Finn Spitzer laufen schon jetzt viele Fäden zusammen. © Frank Best

Wie traurig macht Sie der Abschied von Rekordtorjäger Jan Lüneburg?

Das hat mich schon sehr emotionalisiert. Jan Lüneburg hat hier zehn Jahre lang hervorragende Arbeit geleistet. Er ist immer vorangegangen, hat nie gejammert, sich immer in den Dienst des Vereins gestellt. Nicht viele Spieler erhalten die Ehre, dass wir nach ihnen eine Kurve benennen. Jan Lüneburg hat hier zehn Jahre lang die Knochen hingehalten und sich genau deshalb seine eigene Kurve verdient.

Eintracht Norderstedt: Beim Abschied von Kang-min Choi flossen Tränen

Sehr getroffen haben soll Sie auch der Abschied von Kang-min Choi.

Ja, da habe ich auch Tränen vergossen. Kang-min ist ein feiner Kerl und toller Fußballer. Für ihn ist Eintracht Norderstedt ein Stück Heimat, eine Herzensangelegenheit. Es tut ihm in der Seele weh, uns zu verlassen. Doch Kang-min ist als Scout bei der Spieleragentur Stellar verantwortlich für die koreanischen Spieler und wird dort berufsbedingt nun stärker eingebunden sein. Daher kann er leider nicht mehr bei uns spielen.

Zur neuen Saison steht ein großer Umbruch an. Der halbe Kader verlässt den Club. Mit Arne Exner, Nick Selutin, Michael Gries, In-cheol Choi und Ersin Zehir stehen fünf Neuzugänge fest. Bis auf Zehir von Regionalligist Eintracht Trier spielten alle zuletzt in der Oberliga. Schauen Sie sich aus finanziellen Gründen gar nicht mehr in den Regionalligen um?

Das kann ich verneinen. Wir brauchen zum Beispiel noch einen Innenverteidiger und wollen auf dieser Position einen gestandenen Regionalligaspieler verpflichten. Generell bin ich sicher, dass wir in der nächsten Saison ein für die Regionalliga Nord taugliches Team auf den Platz schicken können.

FC St. Pauli: „Elias Saad kann es bis in die Bundesliga schaffen“

Wird es das Modell der Eintracht bleiben, Spieler zu entwickeln, die dann den Sprung in den Profibereich schaffen können?

Ja. Wir sind davon überzeugt. Und wir haben ja auch gar kein Geld für ein anderes Modell.

Olufemi Smith (44), Chefcoach von Eintracht Norderstedt, wird bald Fußball-Lehrer sein. Möglich, dass er den Verein dann im Sommer 2024 verlässt.
Olufemi Smith (44), Chefcoach von Eintracht Norderstedt, wird bald Fußball-Lehrer sein. Möglich, dass er den Verein dann im Sommer 2024 verlässt. © noveski.com

Wie betrachten Sie die Entwicklung von Elias Saad, der von der Eintracht im Winter zum FC St. Pauli wechselte?

Er macht sich großartig. Ich habe damals schon gesagt, wenn der Junge ein halbes Jahr unter Profibedingungen trainiert, ist er soweit. Nun hat er nur drei Monate gebraucht, um sich ins Team zu spielen. Elias ist schnell, trickreich, wendig. Du weißt nie, was er macht. Er hat Fähigkeiten, die kannst du nicht lernen. Er ist für mich jetzt schon einer der besten Außenbahnspieler der 2. Bundesliga. Wenn er so weitermacht, startet er in der nächsten Saison richtig durch. Er kann es bis in die Bundesliga schaffen. Übrigens: Unser früherer Jugendspieler Fabian Nürnberger wechselt nun von Nürnberg in die Bundesliga zu Darmstadt 98. Das freut uns ebenfalls sehr.

Wie wird bei der Eintracht denn das tabellarische Saisonziel lauten?

Gemessen an unseren Mitteln wäre Platz zehn bis zwölf in Ordnung. Wenn wir eine Million mehr Etat hätten, könnten wir die Top drei als Ziel ausgeben. Die haben wir aber nicht. Aber wir wollen unbedingt, wie erwähnt, den Hamburger Pokalsieg holen. Die Qualifikation für den DFB-Pokal ist ökonomisch sehr wichtig für uns.

Für Norderstedt als Stadt ist „Zuschauerschnitt ein Armutszeugnis“

Gucken sich das diesmal mehr Zuschauer an als die 520 im Schnitt pro Begegnung, die Eintracht Norderstedt in der vergangenen Saison begrüßen durfte?

Da sprechen Sie ein Thema an, das mich sehr betrübt. Unser Fußball ist wirklich schön anzuschauen. Wir sind ja keine Kloppertruppe. Ich verstehe nicht, was die Leute noch wollen. Würden wir diesen Fußball in Neumünster spielen, würden uns pro Spiel 1500 Fans feiern. Norderstedt ist die viertgrößte Stadt Schleswig-Holsteins. Dafür ist dieser Zuschauerschnitt ein Armutszeugnis. Dabei bieten wir ja nicht nur attraktive Spiele der Ligamannschaft an. Wir machen eine hervorragende Jugendarbeit, kooperieren mit Schulen und Kitas. Aber leider wird das von den Bürgern der Stadt Norderstedt nicht in dem Maße anerkannt, wie es unser Verein unserer Meinung nach verdient hätte.

Letztes Thema: Sie sind nun 63 Jahre alt. Haben Sie sich ein Datum gesetzt, an dem Sie die Führung des Vereins abgeben wollen?

Ja. Ich will mit 65 Jahren aufhören. Wir sind ja jetzt schon im Umbruch. Im letzten Jahr haben wir Finn Spitzer als Geschäftsführer installiert. Er macht einen fantastischen Job, unterstützt auch unseren Sponsoring-Beauftragten Eddy Münch. Denny Schiemann haben wir zu unserem neuen sportlichen Leiter ernannt. Ich kümmere mich in gemeinsamer Abstimmung um die Kontakte zur Stadt. Bis zum Sommer 2025 bin ich noch gewählter Präsident der Eintracht. Läuft alles gut, möchte ich den Verein dann in vernünftigem Zustand übergeben.

An wen?

Julia Karsten-Plambeck soll die neue Vorsitzende werden. Sie leistet ja jetzt schon im Social-Media-Bereich exzellente Arbeit für uns. Sie hat große Lust darauf, Vorsitzende unseres Clubs zu werden, und würde diese Position auch richtig gut ausfüllen.

Eintracht Norderstedt: Mit 65 Jahren will Reenald Koch aufhören

Und was machen Sie dann? Ohne Eintracht Norderstedt kann man sich Reenald Koch überhaupt nicht vorstellen.

Ach, wissen Sie, ich darf in aller Bescheidenheit sagen: Horst Plambeck und ich haben das Erbe von Edmund Plambeck hier, natürlich zusammen mit vielen Mitstreitern, gut weitergeführt und unseren Beitrag dazu geleistet, Eintracht Norderstedt seit der Gründung im Jahr 2003 zu einem starken Club zu machen. Man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Wenn ich heute den Spielern bei Vertragsgesprächen gegenüber sitze, könnten das nicht mehr nur meine Söhne sein. Sondern schon meine Enkel. Das muss nicht mehr sein. Ich werde dem Verein natürlich immer treu verbunden bleiben. (lacht) Und mir immer sehr gerne mit einer Bratwurst in der Hand auf der Tribüne die Spiele anschauen.