In der heutigen Folge unserer Vereinsserie stellen wir Ihnen die Alstermöwen aus Henstedt-Ulzburg vor

Andreas Pritschens, 38, steht vor einem kleinen Pult und schaut in die Runde. Vor ihm sitzen 40 Männer in Reih und Glied, der älteste ist 84 Jahre alt. Sie hören aufmerksam zu, was ihr Chorleiter ihnen zu sagen hat. Die Alstermöwen, heute mal nicht in ihrer schmucken Paradeuniform, proben im Henstedter Hof für ihren Auftritt am 24. März beim 6. Norderstedter Shantychor-Treffen.

Der Mann am Pult nimmt den Taktstock in die Hand und sagt: "Guten Abend, meine Herren. Lasst uns heute mal mit dem Titel 'Santiano' beginnen." Dieses Seemannslied hat die Gruppe Santiano bekannt gemacht. Eine deutsche Band aus Flensburg, die Musikgenres wie Seemanns- und Volkslieder, Schlager und Irish Folk mischt.

Shantys sind erfrischende Volksweisen. Zuhörer spüren förmlich, wie die Wellen am Bug des Schiffes hochschlagen und die Sehnsucht der Matrosen nach ihren Liebsten wächst.

Mit "Santiago", einem neuen Song in ihrem mehr als hundert Lieder umfassenden Repertoire, wollen die Alstermöwen in der Norderstedter "TriBühne" die Stimmung ordentlich anheizen. Mehr als 1,5 Millionen Freunde der Shantymusik haben das Original der Gruppe Santiano bei "You Tube" bisher im Internet angeklickt.

Und schon geht es im Henstedter Hof los: "Der Abschied fällt schwer, sagt mein Mädchen, ade", schmettern die Alstermöwen voller Inbrunst. "Leinen los, volle Fahrt Santiano. Die Tränen sind salzig und tief wie das Meer, doch mein Seemannsherz brennt lichterloh."

So lautet der erste Vers des berühmten Songs. Eines Liedes, das spätestens beim Refrain Herz und Seele berührt: "Soweit die See und der Wind uns trägt, Segel hoch, volle Fahrt Santiano. G'radeaus, wenn das Meer uns ruft, fahr'n wir raus hinein ins Abendrot."

Andreas Pritschens lächelt und ist zufrieden. "Die Jungs sind gut in Form", sagt der ausgebildete Schlagzeuger und Trompeter aus Elmshorn. Seit Kurzem erst ist der freischaffende Künstler und Chef des "Musician Management Hamburg" musikalischer Leiter bei den Alstermöwen. Der Vater von drei Kindern wird diesen für ihn "faszinierenden" Job auch nur vorübergehend ausüben.

Der Stamm-Chorleiter heißt Reiner Riethausen, er trat am 1. November 2010 die Nachfolge des langjährigen musikalischen Leiters Klaus Ebel an. Als Riethausen Ende vergangenen Jahres erkrankte, musste sich Alex Janke nach einem Ersatzmann umschauen. Der Vorsitzende der Alstermöwen, der gerade 80 Jahre alt wurde, ist überzeugt: "Mit Andreas Pritschens, einem erstklassigen Berufsmusiker, haben wir für unseren Auftritt beim Shantychor-Treffen den richtigen Mann gefunden. Die Chemie stimmt."

Auf ihn aufmerksam geworden sind Alex Janke und sein Stellvertreter Bertus Schütte unter anderem durch Pritschens' Tätigkeit als Musiklehrer im Ellerauer Musikpavillon.

Der neue Mann fühlt sich wohl im Kreis der Alstermöwen. Es gefällt ihm, wie die sangesfreudigen Männer von Fern- und Heimweh erzählen, von Gefahr, Rettung und von den Mädchen in den Häfen. Die Alstermöwen pflegen das alte Liedgut mit Herzblut. Mit dieser Einstellung sind Sangesgrößen wie Hans Albers und Freddy Quinn berühmt geworden.

Der Shantychor aus Henstedt-Ulzburg, unterstützt von drei Akkordeon- und zwei Gitarrespielern, einem Bassisten, einem Banjomann und einem Mundharmonikaspieler, erzählt von Seeleuten auf großer Fahrt. Von einfachen Fahrensleuten, die die Kommandos des Vorsängers (Shantyman) beantworten - beim Hieven des Ankers oder beim Segelsetzen.

Da stellt sich die Frage: Ist überhaupt einer vom Chor jemals zur See gefahren? Drei Männer melden sich, sie haben bei der Bundesmarine gedient. Harald Kronisch aus Nützen war auf dem U-Boot-Tender "Lech" unterwegs. "Ich komme aus einer alten Seefahrerfamilie", erzählt er. Sein Vater war Kapitänleutnant, sein Bruder sogar Konteradmiral. "Das Singen im Chor ist mein großes Hobby", versichert er.

Das gilt auch für Klaus Nottelmann aus Stuvenborn. Der hat Schiffsbauer gelernt und arbeitete sich zum Obermaat auf dem Zerstörer "Z5" hoch. Und Karl-Heinz Vogt hat gute Erinnerungen an seine Dienstzeit als Smutje auf der Schulfregatte "Scharnhorst". Er hat dafür gesorgt, dass das Essen immer pünktlich auf dem Tisch stand. "Ich hatte keine große Beziehung zum Singen von Seemannsliedern", erinnert er sich. "Bei einer Feier habe ich mich überreden lassen, in den Chor einzutreten. Das habe ich nicht bereut."

Das trifft auf alle zu. "Wenn man ein ganzes Jahr übt, muss man Ziele haben", sagt Alex Janke. "Es ist wichtig, dass eine gewisse Spannung bleibt, wenn man jede Woche an den Übungsabenden, in Schulen, in Gemeindehäusern, Kirchen oder in Alten- und Pflegeheimen die gleichen bekannten Seemannslieder singt."

Da kam im März 2008 die Idee von einem ständigen Norderstedter Shantychor-Treffen, ausgeklüngelt bei einem Bier mit Gitarrist und Ideengeber Marc Suhr, gerade richtig. Seit fünf Jahren sind die Alstermöwen in der "TriBühne" in ihrem Element. Sicherlich auch dieses Mal, wenn sie singen: "Wir sind auf dem richtigen Dampfer", "Hein Mück aus Bremerhaven" und natürlich "Santiano" mit dem Refrain: "G'radeaus, wenn das Meer uns ruft, fahr'n wir raus hinein ins Abendrot."

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