Norderstedt. Nachbarschaft klagt über hohe Belastung, fühlt sich nicht gehört. Was gefordert wird – und warum die Stadt die Lage anders bewertet.

Michael Dunst steht in der Einfahrt seines Hauses am Glashütter Damm. Und ist gezwungen, im Gespräch fast schon zu schreien, so laut ist es an einem Nachmittag um halb vier, wenn die Fahrzeuge im Sekundentakt vorbeirauschen. Hier, im Südosten von Norderstedt, zeigt sich eine Folge einer wachsenden Stadt: Immer mehr Verkehr mit damit verbundenen Belastungen, und das auch dort, wo es früher genau das Gegenteil war. Und als Reaktion Forderungen aus der Nachbarschaft, dass die Politik und das Rathaus hier einschreiten müssen mit Tempolimits und anderen Maßnahmen.

„Wir haben 1985 gebaut, sind 1986 eingezogen“, erinnert sich Dunst. „Damals war Tempo 30, genau gegenüber.“ Er zeigt den Fotobeweis, es handelt sich um den gleichen Abschnitt. „Der Verkehr war deutlich geringer. Wir haben hier gebaut, weil es ruhig war. Irgendwann kam es dazu, dass Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre die Tempo-30-Schilder weggenommen wurden, und dann wurde automatisch der Verkehr mehr. Der Glashütter Damm sollte als Entlastung zur Segeberger Chaussee und zur Poppenbütteler Straße gelten. Schon damals wurde die Segeberger Chaussee täglich von knapp 40.000, die Poppenbütteler Straße von knapp 20.000 Autos befahren.“

Norderstedt: Frust am Glashütter Damm – Anwohner leiden unter Verkehr

Die Menschen vernetzten sich, bildeten eine Interessengemeinschaft. „Mehrere Nachbarn hatten Kontakt zur Stadt aufgenommen, ihr Leid über die Lärmbelästigung bekundet, gefragt, was das soll. Wir haben unsere Terrassen zur Straße, und werden hier mit Autolärm bombardiert.“

Vor fast genau zehn Jahren wurden Unterschriften gesammelt, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Mehr noch: Die Anwohner wurden selbst aktiv. „Wir haben alle Möglichkeiten ausgeschöpft, haben Verkehrszählungen gemacht, die Dezibel gemessen, Vorschläge gemacht, wie man die Straße anders bauen könnte – es wurde alles ignoriert“, klagt er an. Der damalige Baudezernent Thomas Bosse wurde im Abendblatt so zitiert: „Es gibt keine objektiven Indizien dafür, dass der von den Anwohnern benannte Straßenbereich besonders stark mit Lärm belastet ist.“

„Unsere Häuser verlieren an Wert“

Dunst: „Den Lärm kann nur beurteilen, wer hier wohnt. Ein Pkw sind ungefähr 57 Dezibel, beim Lkw geht es über 70, und wenn einer hupt, über 80. Wenn sie hier eine Schlange vor der Haustür bilden, ist es unerträglich – und vor allem Dingen gesundheitsschädlich. Und, das muss man auch sagen, unsere Häuser verlieren an Wert.“ Sein direkter Nachbar wolle seit einiger Zeit sein Haus verkaufen, direkt an der Straße ist ein Schild eines Immobilienmaklers aufgestellt. „Er wird das nicht los.“

Der Glashütter Damm - hier galt früher einmal Tempo 30, wie dieses Foto belegt, das laut Anwohner Michael Dunst aus dem Jahr 1986 stammt.
Der Glashütter Damm - hier galt früher einmal Tempo 30, wie dieses Foto belegt, das laut Anwohner Michael Dunst aus dem Jahr 1986 stammt. © Privat

Im Winter war der Glashütter Damm Thema im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr, als die Grünen einen Prüfantrag stellten, wonach die Verwaltung die Machbarkeit von Tempo 30 zwischen Glasmoorstraße und Grüner Weg aufzeigen sollten. Die Antwort war dann ernüchternd: „Der Glashütter Damm ist als verkehrswichtige Straße im Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Norderstedt eingestuft und ist damit auch Vorfahrtstraße. Daher kann hier keine Tempo-30-Zone angeordnet werden.“ Und auch Durchgangsverkehre mit Lkw seien erlaubt.

Aus Sicht der Verwaltung ist Tempo 30 nicht möglich

Zwar gebe es eine zunehmende Belastung, diese sei aber Konsequenz der gesperrten Segeberger Chaussee – Ortskundige nutzen eben nicht die ausgewiesene Umleitung über den Hummelsbütteler Steindamm, sondern die schnellere Option.

Auch der Faktor, dass der Glashütter Damm ein Schulweg ist, ändert daran nichts – die Grundschule und die Kita seien 150 Meter von der Straße entfernt. Was am anderen Ende des Glashütter Damms also Realität ist – Tempo 30 vor der Grundschule Immenhorst –, ist hier rechtlich nicht möglich.

Der Glashütter Damm ist eine Ausweichroute in der Rush-Hour

Das überzeugt Michael Dunst nicht. Da die Kreuzung Segeberger Chaussee/Poppenbütteler Straße erfahrungsgemäß auch vor der Sperrung vielbefahren war und der Glashütter Damm eine Ausweichroute. Der zweite Punkt: „Die Schule als solches kann von drei Seiten aus besucht werden – von der Poppenbütteler Straße aus, von der Segeberger Chaussee aus und von hinten. Dadurch, dass die Schule einen Hintereingang hat, sagt man, die Kinder seien keiner Gefahr ausgesetzt. Die Straße vom Glashütter Damm bis zur Schule sind vielleicht 150 Meter, und da ist eine Ampel, da gehen die Kinder rüber – unsere Tochter ist da auch gegangen.“

Dunst wird deutlich: „Die Lebensqualität leidet. Es macht keinen Spaß mehr, auf die Terrasse zu gehen oder sich mit Nachbarn zu unterhalten. Mehrere Nachbarn haben Schlafstörungen. Wir haben teilweise Schlafzimmer zur Straße, im Sommer muss man mit geschlossenem Fenster schlafen, das ist unerträglich. Und wir haben vom Geräuschpegel einen Tunneleffekt: Auf der linken Seite die Einfamilien-, auf der rechten Seite die Reihenhäuser.“ Er zählt auf: Zwischen den Nummern 202 und 236 seien es 38 Einfamilienhäuser, vier Doppelhaushälften und 35 Reihenhäuser.

Es sei manchmal schwer, das Grundstück zu verlassen. „Aber es ist immer noch einfacher, als auf das Grundstück zu kommen. Hier ist eine Schlange, die fängt bei der Poppenbütteler Straße an und geht bis zur Müllerstraße.“ Auf dem Glashütter Damm parken zudem Autos, meist von Anwohnern – zeitweise war das untersagt, ehe die Stadt das Halteverbot aufhob. „Wir müssen hier parken, um den Verkehr zu entspannen“, sagt Michael Dunst. Die Gefahr dabei: Ein abgestelltes Fahrzeug wird gerammt – das sei oft passiert.

Glashütter Damm: Anwohner fühlen sich nicht ernst genommen

Was bleibt, ist wieder und wieder zu fordern: „Tempo 30 wäre ein Ansatz. Es müsste bei der Müllerstraße anfangen, aber mindestens bis zur Eiderstraße oder Travestraße gehen. Die Hauptgeschwindigkeit spielt sich auf Höhe unseres Hauses ab.“ Auch eine Beschränkung bei den Lkw auf 3,5 Tonnen sowie Ausbuchtungen sind Wünsche. „Die Straße ist zu gerade, sie animiert zum Schnellfahren.“

Optimistisch ist er aber nicht. „Die Anwohner werden von der Stadt nicht ernst genommen, wir finden kein Gehör.“ Kein Wunder, dass an einen Umzug gedacht wird – aber wie sich herausgestellt hat, ist das kompliziert. „Meine Frau und ich haben uns vor 13 Jahren auf eine Liste eingetragen für das Baugebiet Sieben Eichen. Wir sagten Schilling Immobilien, dass wir dort ein Grundstück kaufen möchten, weil wir die Wiese als besser erachten, als weiterhin hier zu wohnen. Die haben 13 Jahre gebraucht, um festzustellen: Wohin mit dem Verkehr? Das ist ein Armutszeugnis. Jetzt ist es erstmal vom Tisch. Es geht nur, wenn eine Anbindung an die Schleswig-Holstein-Straße erfolgt.“