Norderstedt. Das Ensemble „Theaterlust“ überzeugt mit dem Graf von Monte Christo im Norderstedter Kulturwerk – vor kleinem Publikum.

Treppen, Podeste, Spielflächen. Und ein Schauspiel-Team, das darauf nahezu artistisch agiert, springt und spurtet, frohlockt und fechtet, hasst, liebt und mordet, begleitet von harten Schlägen auf Trommeln und E-Gitarre. Die Unterseiten dieser Treppenauf- und abgänge dienen gleichzeitig als Garderobe, schließlich schlüpfen einige Schauspielerinnen und Schauspieler in bis zu drei Rollen.

Den „Graf von Monte Christo“ nach dem Roman von Alexandre Dumas führte das Tourneetheater „Theaterlust“ im Norderstedter Kulturwerk auf, und es gelang dem Ensemble in der Regie von Thomas Luft eine Aufführung Shakespearschen Ausmaßes voller Lust und Tempo, Lautstärke und Tragik.

Theaterkritik: Intensive Schauspielkunst erntet begeisterten Applaus

Der Graf von Monte Christo (Johannes Schön) bringt seiner Zieh-Tochter Haydée (Clara Hilscher) das Fechten bei.
Der Graf von Monte Christo (Johannes Schön) bringt seiner Zieh-Tochter Haydée (Clara Hilscher) das Fechten bei. © Heike Linde-Lembke

Schade nur, dass im 400-Personen-Saal nur zirka 90 Zuschauerinnen und Zuschauer in den Genuss dieser packenden Posse um Betrug und Banken(ab)sturz, Intrige und Irrtum, Liebe und Leid, Rache und Reue kamen. Ursprünglich war das Stück für den 800-Personen-Saal der „TriBühne“ geplant. Das zeigt einmal mehr, dass das Kulturwerk für Kammerspiele einfach das passendere Theater ist, von der besseren Atmosphäre ganz zu schweigen.

Als Star des Stücks zeigte sich Johannes Schön als Edmond Dantès, der Graf von Monte Christo. Sein Spiel ist intensiv, zuerst als glücklicher Fast-Kapitän und Fast-Verlobter, dann als seine Identität verlierender Gefangener im Chateau d’If, um schließlich als Grand Seigneur der Pariser Haute Société zu glänzen und als reuiger Rächer zu überzeugen.

Gekonnte Kostümwechsel und beredte Mimik

Ihm im intensiven Spiel ebenbürtig ist Clara Hilscher als Christos Ziehtochter Haydée, die vor allem mit ihrer beredten Mimik fasziniert. Genauso packend, aber mehr in sich gekehrt, gibt Daniela Voß Christos Verlobte Mercédès, als er noch als Dantès in der Gesellschaft anerkannt war. Subtil weiß sie widerzuspiegeln, dass Mercédès sich in der Gesellschaft „hochheiratet“, um ihren Sohn Albert zu schützen. Doch wessen Sohn ist das eigentlich?

Sarah Silbermann, die das Theaterbuch des Dumas-Romans schrieb, gibt dazu raffiniert versteckte Hinweise. Viviane Ebert schlüpft in die Hosenrolle des Albert und wechselt nonchalant auch in die Frauenrollen einer Valentine de Villefort und einer Hermine de Servieux. Rasche Kostümwechsel inklusive.

Theaterkritik: Kulturwerk ist perfekt geeignet für solche Kammerspiele

Als Star des Stücks zeigte sich Johannes Schön als Edmond Dantès, der Graf von Monte Christo.
Als Star des Stücks zeigte sich Johannes Schön als Edmond Dantès, der Graf von Monte Christo. © Heike Linde-Lembke

Einer von Dantès’ Gegenspielern ist Fernand Mondego, Cousin von Mercédès. Oliver Mirwaldt spielt diesen Schurken und seine verschiedenen Rollen, schwimmt aber manchmal zwischen den Charakteren. Der Oberschurke ist Staatsanwalt Gerard de Villefort. Andreas Hertel entwickelt diesen Charakter glaubwürdig vom ehrlichen Mann bis zum Unhold, der sich, von Christo enttarnt, schlussendlich verstört wimmernd auf dem Boden wälzt.

Die Kunst des eher intimen Schauspiels entwickelt Judith Riehl als Philippe Danglars, dessen Betrügereien ihn vom Zahlmeister zum reichen Pariser Bankier befördern. Judith Riehl zeigt schonungslos den Selbstekel dieses Monsters und weiß wenige Minuten später als Abbé Faria zu überzeugen, der Dantés aus dem Kerker rettet. Vielseitigkeit beweist auch Viviane Ebert in ihren drei Frauen- und Männerrollen. Das Publikum dankte für die intensive Aufführung mit begeistertem Applaus.