Norderstedt. Zeigen, was man kann, reicht nicht: Im Kulturwerk erklärten Behörden und Organisationen den deutschen Arbeitsmarkt.

Den Migrantinnen und Migranten dabei helfen, den deutschen Arbeits- und Ausbildungsmarkt besser zu verstehen – das war das Ziel eines Aktionstages im Norderstedter Kulturwerk. Gut 100 junge Männer und Frauen, die überwiegend vor dem Kriegsgeschehen in Syrien, Afghanistan, Irak und der Ukraine hierher geflüchtet sind, ließen sich von einem Dutzend Behörden und Organisationen beraten, wie sie den Einstieg ins Berufsleben schaffen können. Dazu gehörten die Bundesagentur für Arbeit, das Jobcenter, die Handwerkskammer und die Industrie- und Handelskammer Lübeck.

Denn für viele geflüchtete Menschen sei der deutsche Arbeitsmarkt „sehr speziell“ und schwer zu durchschauen, sagte Raphaela Shorina, die für die Diakonie in Norderstedt Migranten berät. „In anderen Ländern geht man direkt zum Arbeitgeber und zeigt ihm, was man kann, um den Job zu bekommen“, beschreibt sie die kulturellen Unterschiede bei der Arbeitssuche. „Hierzulande müssen die Bewerberinnen und Bewerber erst einmal 25 Schriftstücke einreichen, bevor sie überhaupt zu einem Gespräch eingeladen werden.“

Norderstedt: Junge Flüchtlinge auf der Suche nach dem Traumjob

Abdolsabur Karym (links) aus Afghanistan mit Kumpel Noman Ahmadi würde gerne als Krankenpfleger arbeiten.
Abdolsabur Karym (links) aus Afghanistan mit Kumpel Noman Ahmadi würde gerne als Krankenpfleger arbeiten. © Burkhard Fuchs

Dabei haben die jungen Menschen aus aller Welt ganz ähnliche Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft wie Gleichaltrige in Deutschland. So möchte Zana Botzan (27), die vor sieben Jahren aus Syrien nach Norderstedt kam, gerne ins gestalterische Marketing. „Ich liebe Kunst und male gern“, sagt die junge Frau, die gut Deutsch spricht und wissen möchte, wie sie ihren Lebenslauf formulieren soll.

Der gleichaltrige Karim Naif Hasan lebt etwa ebenso lange hier und musste die Schule im Irak wegen des Krieges nach der elften Klasse verlassen. Jetzt würde er zu gerne den Beruf des Kfz-Mechatronikers erlernen. Das sei sein Traumjob, aber bislang hätten seine Bewerbungen noch keinen Erfolg gehabt, sagt der junge Iraker.

Träume junger Migranten unterscheiden sich nicht von denen der Deutschen

Die junge Palästinenserin Basma Qeshta kam extra aus Kiel nach Norderstedt.
Die junge Palästinenserin Basma Qeshta kam extra aus Kiel nach Norderstedt. © Burkhard Fuchs

Die erst 19 Jahre junge Basma Qeshta ist eigens aus Kiel zur Migranten-Beratungsmesse nach Norderstedt gekommen, um sich zu informieren. Sie würde gerne mit einem Bundesfreiwilligendienst im ökologischen Bereich ins Berufsleben einsteigen, sagt die Palästinenserin, die erst vor sieben Monaten nach Deutschland gekommen ist.

Abdolsabur Karym aus Afghanistan interessiert sich für die Arbeit als Krankenpfleger in einem Krankenhaus. „Ich lerne gerade Deutsch“, sagt der junge Mann, der in Kaltenkirchen lebt. Es wird seine siebte Sprache. Persisch, Paschto, Arabisch, Englisch, Kurdisch und Russisch beherrsche er schon.

Manche sprechen schon sieben Sprachen

Zana Botzan aus Syrien will ins Marketing und gestalten.
Zana Botzan aus Syrien will ins Marketing und gestalten. © Burkhard Fuchs

Sein Landsmann Noman Ahmadi begleitet ihn. Und Anna Martin-Hazke, die hier in Norderstedt ein Netzwerk zur Integration ukrainischer Frauen betreibt, hat gleich eine ganze Schar junger Frauen mitgebracht, die es vorerst aus dem kriegsgebeutelten Land hierher verschlagen hat. „Wir helfen ihnen auch bei der Kinderbetreuung, dem Spracherwerb und der Berufsorientierung.“

Sie alle konnten sich im Kulturwerk professionelle Hilfe holen. Dolmetscher standen bereit, falls es mit der Verständigung schwierig werden sollte. So informierte Alina Bock von der Landwirtschaftskammer über die verschiedenen Berufsmöglichkeiten in der grünen Branche, vom Gärtner bis zur Forst- und Tierwirtin. Die Kammer habe bereits zahlreichen Migranten Praktiken und Ausbildungsplätze vermittelt, sagte sie.

Handwerkskammer beschäftigt eine „Willkommenslotsin“

Carmen Haas ist „Willkommens-Lotsin“ für Migranten bei der Handwerkskammer.
Carmen Haas ist „Willkommens-Lotsin“ für Migranten bei der Handwerkskammer. © Burkhard Fuchs

Die Handwerkskammer Lübeck, die 20.000 Handwerksbetriebe betreut, von denen 8000 Lehrstellen anbieten, hat mit Carmen Haas sogar eine „Willkommens-Lotsin“ in ihren Reihen, die die Betriebe über die gesetzlichen Regelungen und die Migranten über die Anerkennung ihrer Schul- und Berufsabschlüsse berät. „Das läuft bereits sehr erfolgreich seit der ersten Flüchtlingswelle 2015/16“, sagt sie. Das wichtigste Kriterium für die Arbeitgeber in den Handwerksbetrieben sei, dass die angehenden Auszubildenden für den Beruf „motiviert sind“, erklärt sie.

Das gelte gerade für die hierher geflüchteten Frauen, sagt Katharina Papke vom Frauennetzwerk zur Arbeitssituation. „Die sind alle hochmotiviert dabei, die deutsche Sprache zu erlernen“, sagt sie. Ihre Organisation helfe dabei und biete auch Computerkurse an.

„Die sind alle hochmotiviert dabei, die deutsche Sprache zu erlernen“

Raphaela Shorina berät für die Diakonie in Norderstedt Migranten: „Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist sehr speziell.“
Raphaela Shorina berät für die Diakonie in Norderstedt Migranten: „Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist sehr speziell.“ © Burkhard Fuchs

Falls jemand dann doch Probleme bei der Auswahl seines Berufszweiges haben oder die Ausbildung gar abbrechen sollte, hilft Yvonne Weber von der Isfa-plus GmbH in Kaltenkirchen den Betroffenen aus der Patsche. „Wir bieten aktive Unterstützung bei der Bewerbung und beruflichen Orientierung begleiten auch die Ausbildung“, sagt sie. Das Programm werde von der Bundesagentur beziehungsweise dem Jobcenter durch Gutscheine gefördert und sei kostenlos für die Betroffenen.

Thea Pahl von der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung konnte auf 140 Plätze im Bundesfreiwilligendienst aufwarten, die vor allem FSJ-Arbeitsplätze in Jugendzentren anböte, wie hier in Norderstedt, Quickborn, Nützen, Schmalfeld und Bad Segeberg.

Norderstedt: Sozialdezernentin wünscht sich Berufs- und Ausbildungsbörse

„Dieser Aktionstag soll ein erster Aufschlag sein, um die Migranten in unserer Stadt über die Möglichkeiten der Berufswahl zu informieren“, sagte Norderstedts Sozialdezernentin Katrin Schmieder, die sich im Kulturwerk ein Bild von ersten Aktionstag machte.

Die verschiedenen Beratungsstellen könnten ihnen „die Logik des deutschen Ausbildungssystem“ gut erklären, der hierzulande oft den besten Einstieg ins Berufsleben ermögliche. Im nächsten Schritt könnte dann eine regelrechte Berufs- und Ausbildungsbörse mit den Nachwuchs-suchenden Firmen und Betrieben hier veranstaltet werden, kündigte Schmieder an.