Kaltenkirchen. 170 junge Menschen besichtigen elf Firmen aus Kaltenkirchen. Diese suchen dringend Nachwuchs. Die Stadt will Anreize schaffen.

Aus erster Hand erfuhren jetzt wieder 170 Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen in Kaltenkirchen, wie sich ein möglicher Berufseinstieg in elf Kaltenkirchener Unternehmen für sie darstellen würde. „Wir veranstalten diese Starter-Tour jetzt zum dritten Mal“, sagte Bürgermeister Hanno Krause, dem diese Betriebsbesichtigungen ein persönliches Anliegen sind.

„Ich appelliere an die jungen Leute: Erlernt auf jeden Fall einen Beruf. Auch wenn ihr Abitur habt und später noch studieren wollt“, sagte Krause. Denn der zunehmende Fachkräftemangel lasse in Zukunft die betriebliche Ausbildung im Vergleich zum Studium immer wichtiger werden.

Beruflich qualifizierte Facharbeiterinnen und Facharbeiter bräuchten sich weniger Sorgen um ihre Zukunft zu machen. Sie hätten sichere Jobs und würden auch besser bezahlt werden als Akademiker, ist Bürgermeister Krause überzeugt.

Familienunternehmen Wiska: „Wir könnten doppelt so viele Auszubildende einstellen“

Die nagelneuen Räume der Firma Wiska beeindruckte die Neunt- und Zehntklässler der Gemeinschaftsschule Marschweg, der Dietrich-Bonhoeffer-Schule und des Gymnasiums schon sehr. 27 Millionen Euro hat das vor 103 Jahren gegründete Unternehmen erst vor wenigen Jahren in seine neue Firmenzentrale in der Grashofstraße investiert.

Der alte Standort am Kisdorfer Weg platzte aus allen Nähten, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Ronald Hoppmann, der das Familienunternehmen in dritter Generation leitet.

Wiska beschäftigt allein in Kaltenkirchen 210 Mitarbeitende. Mit seiner Produktion von Kühlcontainer-Steckdosen sowie den Scheinwerfern und Videosystem von Containerschiffen sei man Weltmarktführer.

„Wir würden hier sehr gerne in den offenen Glasbüros arbeiten“, sagten die Schüler Denny Bilal Lohr und Leon Gonzalo von der Marschwegschule nach ihrem Rundgang. „Das sieht hier alles toll und sehr mitarbeiterfreundlich aus.“

Allein gute Schulnoten sind nicht entscheidend in der Lehre

Wie die Ausbildung bei Wiska abläuft, erklärte Anabel Yamanoglu, die selbst gerade erst ihre Ausbildung zur Industriekauffrau erfolgreich beendet hat und nun übernommen wurde. „Auf gute Schulnoten wird hier nicht so sehr geachtet“, sagte die junge Frau.

Viel wichtiger sei es, wie motiviert die jungen Menschen seien, die hier lernen und arbeiten möchten. „Und sie sollten gut zum Team passen.“ Firmentreue werde hier großgeschrieben. Jeder fünfte Mitarbeitende habe bereits bei Wiska gelernt.

Wiska-Geschäftsführer Ronald Hoppmann mit Ausbildungsleiterin Ines Jensen – das Ziel sind, dass zehn Prozent der Belegschaft Auszubildende sind.
Wiska-Geschäftsführer Ronald Hoppmann mit Ausbildungsleiterin Ines Jensen – das Ziel sind, dass zehn Prozent der Belegschaft Auszubildende sind. © Burkhard Fuchs

Elf junge Leute werden zurzeit in IT, Büro, Elektrik, Verfahrensmechanik und Maschinenführung für die 40 Spritzgussmaschinen in der Produktionshalle ausgebildet, erklärt Personalleiterin Ines Jensen. Wenn es der Markt hergäbe, könnten es doppelt so viele Auszubildende sein, sagt Geschäftsführer Hoppmann. „Unser Ziel, dass zehn Prozent der Beschäftigten Auszubildende sind, erreichen wir im Moment nicht mehr.“

Die Firma brauche dringend zusätzliche Nachwuchskräfte. Die Ausbildungsvergütung beginne schon im ersten Lehrjahr bei mehr als 1000 Euro – „ganz egal, ob die Ausbildung im Büro oder in der Produktion absolviert wird. Alle verdienen das Gleiche“, sagt die Personalchefin Jensen.

Für Bürgermeister Krause ist diese Starter-Ausbildungs-Tour, die den Schülerinnen und Schülern einen praktischen Vorgeschmack auf eine betriebliche Lehre bereitet, enorm wichtig für Kaltenkirchen. „Das ist eine Win-Win-Situation für alle Seiten.“ Den Schulabgängern böten diese Betriebsbesichtigungen einen Einblick in den Alltag einer ganzen Reihe von Berufen und eine Chance, ihre Berufswahl so besser entscheiden und ihre berufliche Karriere planen zu können.

Bürgermeister Hanno Krause denkt an ein Internat für Azubis in der Stadt

Die teilnehmenden Betriebe wiederum erhielten so direkten Kontakt zu den Schulen und ihren zukünftigen Nachwuchskräften. Neben Wiska machten auch andere namhafte Unternehmen in Kaltenkirchen mit wie Cavendish & Harvey, Novapor, Popp Feinkost, XXXLutz dodenhof, Küchen Aktuell, Grell Naturkost, AMC, Lactoprot oder die Sparkasse Südholstein.

Für Bürgermeister Krause ist das noch nicht das Ende der Fahnenstange für einen sehr guten Ausbildungsstandort Kaltenkirchen, den er gerne noch weiter ausbauen möchte. So habe er die Idee, ein Internat für Auszubildende in Kaltenkirchen zu errichten, damit die Unternehmen auch Nachwuchskräfte aus weiter entfernt liegenden Städten wie Flensburg oder Kiel oder dem Nachbar-Bundesland Mecklenburg-Vorpommern anwerben könnten.

Kaltenkirchen: Junge Berufsanfänger brauchen bezahlbaren Wohnraum

Dann könnten die jungen Leute hier vor Ort bezahlbaren Wohnraum erhalten und müssten nicht mehr zwischen Zuhause und Lehrbetrieb hin und herpendeln. Was zudem heute oft ein Ausschlusskriterium bei der Berufswahl junger Leute sei.

„Wir brauchen neue Modelle für die betriebliche Nachwuchsförderung. Sonst ist die Wirtschaft bald am Ende“, glaubt Krause. Und dann könnte sich auch eine Kommune wie Kaltenkirchen nicht mehr den Unterhalt ihrer Schulen, Kindergärten und Straßen leisten.

Allerdings müssten die Betriebe mitziehen und die Investition eines solchen Berufsinternats übernehmen. Die Stadt könnte das Grundstück dafür liefern, erläutert Krause. Er habe dafür bereits eines im Blick. „Ich werde das definitiv noch einmal konkret aufgreifen“, kündigt Krause an.