Norderstedt. Viel Geld soll für Menschen aus Norderstedt bereit stehen, die bald ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können.

Auch in Norderstedt leben viele Menschen mit niedrigen Einkommen, Seniorinnen und Senioren mit kleinen Renten, Sozialhilfebezieher und kleine bis mittlere Gewerbetreibende, die derzeit alle eine große Sorge eint: Können wir unsere Rechnungen für Energie in den kommenden Monaten noch bezahlen?

Die Norderstedter Kommunalpolitik beschäftigt sich über alle Fraktionen hinweg mit der Frage, was die Stadt und ihre Stadtwerke tun können, um die Folgen der explodierenden Energiepreise für die sozial schwachen Norderstedterinnen und Norderstedter gerecht abzumildern.

Energiepreise: Wie die Politik Energiearmut in Norderstedt verhindern will

Miro Berbig, Fraktionschef der Linken, hatte einen städtischen Härtefall-Fonds ins Spiel gebracht. Eine Summe von 500.000 Euro sollte bereit gestellt werden, um Zahlungsausfälle und damit verbundene Sperrungen von Gas- oder Stromanschlüssen im Einzelfall zu verhindern.

Doch der Fonds scheiterte zunächst an den Zweifeln anderer Fraktionen der Stadtvertretung. Sie sahen viele Fragen zur konkreten Umsetzbarkeit des Fonds nicht beantwortet und verweigerten ihre Zustimmung.

Berbig nahm das sportlich und hat nun für die Stadtvertretung am Dienstag, 13. September, eine Wiedervorlage des Fonds geplant – gestützt noch durch die Fraktionen der SPD, der Grünen und der Freien Wähler. Er hat das Konzept so ergänzt, dass aus seiner Sicht alle Zweifel und Ergänzungen der CDU und FDP berücksichtigt sind.

Vier Fraktionen fordern einen „Härtfall-Fonds Energienotstand“

Demnach soll der „Härtefall-Fond Energienotstand“ nun eine Höhe von zunächst einer Million Euro haben und auf ein Jahr begrenzt werden. Er soll ausschließlich Bürgerinnen und Bürgern mit Wohnort Norderstedt zugute kommen.

Die Verwaltung soll die Gesamtzahl der drohenden Gas- und Stromsperren ermitteln, Kriterien für Härtefälle definieren und in Absprache mit den Stadtwerken die Übernahme der jeweiligen Energiekosten regeln.

Dabei wird beachtet, dass Betroffene nicht doppelt gefördert werden, also eventuelle Hilfen von Land oder Bund einstreichen sowie von der Stadt. Letztere würden in diesem Fall gestrichen.

Zahl der Wohngeldbezieher wird drastisch steigen

Für das Sozialamt der Stadt würde der Härtefallfonds enorme Mehrarbeit bedeuten. Dort rechnet man ohnehin durch veränderte Bundesgesetze mit einem enormen Anstieg der Wohngeldberechtigten in den nächsten Monaten – von derzeit etwa 800 auf an die 2000. Allein für die Bearbeitung des Fonds soll das Amt zwei neue Stellen bekommen.

Zur Begleitung der Lage soll ein Runder Tisch zum Thema Energiearmut und Verhinderung von Strom-, Gas- und Wassersperren ab Oktober fortlaufend einberufen werden, an dem Politik, Stadtwerke, Verwaltung und im Bereich Wohnungsnot und Armutsbekämpfung arbeitende, zivilrechtliche Organisationen sitzen.

Des Weiteren sollen die Stadtwerke eine Stabsstelle gegen Energiearmut nach dem Wiener Modell einrichten, die individuelle Lösungsangebote bei Energieschulden entwickelt und den Menschen über einen längeren Zeitraum Hilfestellung gewährt.

FDP Norderstedt: Lieber den Gaspreis deckeln

Die FDP hat sich bisher dem Härtefallfonds verweigert. Stattdessen schlägt sie nun eine Deckelung der Gaspreise für die ersten 4000 kWh pro Haushalt vor. Das würde die Stadtwerke und die Stadt einen nach FDP-Berechnungen zweistelligen Millionenbetrag kosten.

Ob diese Forderung überhaupt umsetzbar ist, das will die Fraktion in einem Prüfauftrag ermittelt wissen, den sie im Stadtwerkeausschuss am 14. September beantragen will. Der FDP-Ortsvorsitzende Michael Reimers will, das bei einer Einführung des Deckels „möglichst geringer Verwaltungsaufwand“ betrieben werde. Der Gaspreisdeckel solle „diskriminierungsfrei für alle“ sein, sagt Reimers.

„Natürlich wäre es ideal, wenn man auch die Anzahl der Personen im Haushalt oder den durchschnittlichen Verbrauch der letzten Jahre berücksichtigen könnte. Wir sehen jedoch einen zu hohen Verwaltungsaufwand, einen zu langen Zeitfaktor und auch schlicht fehlende Daten, um dass alles im Detail umzusetzen“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzende Tobias Mährlein.

Energiepreise: Stadtwerkeverband sieht das Land in der Pflicht

Unterdessen hat der Verband der Schleswig-Holsteinischen Energie- und Wasserwirtschaft (VSHEW), der die Stadtwerke in Schleswig-Holstein vertritt, ebenfalls einen Härtefallfonds gefordert – allerdings von der Landesregierung und zusätzlich zum gerade vorgeschlagenen Hilfspaket für Gewerbe, Bildungseinrichtungen und Bürger.

Der Verband kritisiert das zu niedrige Volumen der Finanzhilfen, und dass eben jegliche Unterstützung für einzelne Haushalte in finanzieller Notlage fehlten. „Es darf nicht geschehen, dass Rentner, alleinerziehende Mütter, Arbeitslose, Studierende, Flüchtlinge und andere sozial Schwache im Kalten sitzen, weil sie ihre Energiekostenrechnungen nicht zahlen können“, sagt der VSHEW-Vorstandsvorsitzende Andreas Wulff.

Er ergänzt: „Es ist Aufgabe des Staates und nicht der Stadtwerke, diesen Menschen zu helfen und dadurch eine gesellschaftliche Spaltung zu verhindern.“