Norderstedt

Straße oder Radweg – was ist sicherer?

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Michael Schick
So ist es okay: Die Autofahrer lassen ausreichend Platz zu Dirk Hendess auf dem Schutzstreifen auf dem Alten Kirchenweg

So ist es okay: Die Autofahrer lassen ausreichend Platz zu Dirk Hendess auf dem Schutzstreifen auf dem Alten Kirchenweg

Foto: Michael Schick

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club und die Norderstedter Polizei vertreten unterschiedliche Ansichten. ADFC startet Info-Kampagne.

Norderstedt.  Mehr Sicherheit für Radfahrer auf der Straße – das will der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) in Norderstedt mit einer Plakat-Kampagne erreichen. Die Autofahrer sollen ausreichend Abstand halten, wenn Radler auf der Fahrbahn unterwegs sind, und das ist gewollt, denn: Viele Radwege entsprechen nicht mehr den Vorgaben der Straßenverkehrsordnung, sie sind zu schmal, oft holprig, Ein- und Ausfahrten verhindern flottes Tempo und vermiesen Autofahrern die Lust, aufs Rad umzusteigen, das Klima zu schützen und die Staus zu reduzierern. Weiteres Argument: Die Unfallzahlen sinken, wenn Radfahrer die Straße nutzen, hat der ADFC schon vor Jahren ermittelt.

Wie viele Städte und Gemeinden in Deutschland bringt auch die Stadt Norderstedt Radler zunehmend auf die Straße – und schafft damit Konflikte. Beispiel Meilenstein: Zwischen Langenharmer und Glashütter Weg müssen Radfahrer auf die Fahrbahn der Ulzburger Straße. Hier gilt Tempo 30, die Straße gehört Rad- und Autofahrern gleichermaßen. Das ist die offizielle Lesart und drei Jahre nach dem Start des gleichberechtigten Verkehrsraums eher Theorie: „Viele radeln nach wie vor lieber auf dem Fußweg, obwohl das verboten ist. Aber sie trauen sich nicht auf die schmale Fahrbahn, wenn die Autos oder gar Lkw knapp an ihnen vorbeifahren“, sagt Kai Hädicke-Schories, bei der Norderstedter Polizei zuständig für den Verkehr.

Mutter und Kind halten sich von der Fahrbahn fern

Beispiel Alter Kirchenweg an einem Wochentag zwischen 16.30 und 17 Uhr: Zwei „Büromänner“ sind auf ihren Mountainbikes mit Tempo unterwegs und nutzen den schmalen Schutzstreifen auf der Straße – eine gestrichelte Linie und ein Piktogramm auf der Fahrbahn weisen die schmale Furt auf der engen Straße als Bereich für Radler aus. Autofahrer dürfen die Linie überfahren, in dem Bereich aber nicht parken. Zwei Teenies folgen, die eine auf der Straße, die andere auf dem Fußweg. Mutter und Kind halten sich lieber von der Fahrbahn fern. „Das Radfahren auf der Straße braucht schon ein wenig Mut und Zeit, bis die Umstellung in den Köpfen ankommt“, sagt Dirk Hendess vom ADFC Norderstedt und verweist auf die Hochallee in Hamburg, wo das Radeln auf der Fahrbahn nach Jahren ganz selbstverständlich sei.

Die Verwaltung will Radler auch auf die Berliner Allee bringen und auf der westlichen Seite einen Schutzstreifen einrichten, der bis über die sich anschließende Straße Kohfurth zur Horst-Embacher-Allee führen soll. Und in Arbeit ist eine neue Variante: Auf der Ulzburger Straße soll zwischen Rathausallee und Langenharmer Weg ein Radfahrstreifen eingerichtet werden. Im Unterschied zum Schutzstreifen ist er durch eine durchgezogene Linie vom Autoverkehr getrennt, Autofahrer dürfen die Trennlinie nicht überfahren.

Im Herbst soll der Umbau des Teilstücks beendet sein, dann brauchen Radler ein hohes Maß an Flexibilität im Kopf, weil sich in kurzer Zeit die Fahrbedingungen ändern: Wer von Süden kommt, radelt erst auf dem Schutzstreifen, dann im Bereich des Meilensteins ohne Begrenzung als gleichberechtigter Verkehrsteilnehmer auf der Ulzburger Straße, ehe er anschließend auf den Radweg neben der Straße einschwenkt. „Die Stadt testet unterschiedliche Lösungen“, sagt Hendess, der auch in der Arbeitsgruppe Radverkehr mitarbeitet. Der ADFC hatte auch vorgeschlagen, die Radfahrer entlang der Rathausallee auf die Fahrbahn zu bringen. Die Straße sei breit genug, und so könnte eine schnelle und attraktive Ost-West-Verbindung entstehen. Die Pläne ruhen, da im kommenden Jahr der Gesamtbereich neu gestaltet werden soll.

Die Polizei hält wenig vom Radeln auf der Straße: „In Norderstedt sind viele Straßen eng, und wenn sie dann auch noch einseitig zugeparkt sind, kann es gefährlich werden“, sagt Hädicke-Schories. Er plädiert für komfortable Radwege, weil die Radfahrer dort sicherer unterwegs seien. „Warum hat man nicht gleich, als die Horst-Embacher-Allee gebaut wurde, einen breiten Radweg von der Einmündung am Fried­richsgaber Weg und weiter entlang der Berliner Allee bis zum neuen Kreisel an der Kreuzung mit der Ochsenzoller Straße gebaut?“, fragt der Verkehrsexperte der Polizei.

Viele Autofahrer kennen den Mindestabstand nicht

Der ADFC bleibt indes bei seiner Forderung, Radfahrer auf die Straße zu bringen und will mit der aktuellen Kampagne die Autofahrer mehr für das Sicherheitsgefühl der Radfahrer sensibilisieren. „Halten Sie zu RadfahrerInnen mindestens 1,5 m Abstand!“, steht auf den rund 50 Plakaten, die von Montag an im Stadtgebiet zu sehen sein werden. „Viele kennen diese Vorgabe gar nicht“, sagt Hendess. Auch in der Straßenverkehrsordnung (StVO) steht keine genaue Meter-Angabe. Anderthalb bis zwei Meter Abstand beim Überholen hätten sich in der Rechtsprechung seit den 80er-Jahren durchgesetzt. Gemeint sei damit der Abstand vom rechten Autorand zum linken Lenkerende des Radfahrers. Dieser Mindestabstand gelte auch, wenn Radfahrer auf Rad- oder Schutzstreifen überholt werden.

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