Mietobergrenzen für Empfänger von Sozialleistungen werden neu geregelt. Norderstedter Werte steigen um 20 Prozent

Norderstedt. Die Stadt Norderstedt hat keine preiswerten Wohnungen. Zu diesem Schluss kommt jeder, der vom Jobcenter oder vom Sozialamt dazu aufgefordert wird, in eine günstigere Wohnung zu ziehen. Der Wohnungsmarkt ist seit Jahren angespannt, die Mieten hoch. Bislang galten für solche Fälle Mietobergrenzen, für die in Norderstedt so gut wie keine Wohnungen zu finden sind. Alleinstehenden stand nach der bisherigen Tabelle eine Wohnung von 50 Quadratmetern Größe für maximal 359 Euro zu – inklusive Betriebskosten, aber ohne Heizkosten. Für solch einen Betrag bekommt man in Norderstedt allerdings keine Wohnung, das zeigt schon eine schnelle Immobilien-Suche in dieser Woche auf abendblatt.de im Internet. Nur eine ganz kleine Single-Wohnung mit 25 Quadratmeter ist für diesen Preis zu finden. Die aber ist bereits vermietet.

Bei der Sitzung des Sozialausschusses des Kreistages steht auch deswegen am Donnerstag, 5. Juni, ab 18 Uhr eine neue Liste von Mietobergrenzen zur Abstimmung. Wenn die Politik zustimmt, kann eine Mietwohnung für Alleinstehende in Norderstedt beispielsweise 433,16 Euro oder 20 Prozent mehr als bisher kosten, wenn das Amt die Miete komplett übernehmen soll. Und das tun Jobcenter oder Sozialamt bei Empfängern von ArbeitslosengeldII (Hartz IV) oder bei Sozialhilfeempfängern, also bei Personen, die ihr Geld nach den Vorschriften der Sozialgesetzbücher II und XII bekommen. Der Klick auf die Immobilien-Suche im Internet zeigt: Das Angebot ist gering, aber es gibt in Norderstedt ein paar Wohnungen für diesen Preis.

„Der Norderstedter Wohnungsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert“, erläutert Elke Andrasch, Fachdienstleiterin Soziale Sicherheit beim Kreis Segeberg. Gemeinsam mit dem Jobcenter und der Politik hat der Kreis in den vergangenen zwei Jahren die neue Tabelle erarbeitet, für die eine statistische Untersuchung der Firma Analyse und Konzepte aus Hamburg die Grundlage geliefert hat. „Sie haben die vorhandenen Mieten und die Angebotsmieten betrachtet und die Besonderheiten des Kreises eingearbeitet“, sagt Andrasch. Dabei lag bereits im vergangenen Jahr eine erste Untersuchung vor, die allerdings nicht ausreichend war. Der Kreis beauftragte und zahlte die Firma ein zweites Mal.

Nun ist ein umfangreiches Zahlenwerk mit sieben verschiedenen Regionen entstanden, das versucht, den Wohnungsmarkt im Kreis vernünftig abzubilden. „Das war nicht einfach, die Dauer zeigt, dass wir uns intensiv mit der Materie befasst haben“, sagt Rudolf Beeth (SPD), der den Sozialausschuss des Kreises leitet. Er ist mit dem vorliegenden Ergebnis zufrieden, wenngleich er das Hauptproblem an anderer Stelle sieht. „Der Gesetzgeber hat uns mit den Forderungen im Sozialgesetzbuch II im Stich gelassen“, sagt er. Denn für die Leistungsbezieher soll angemessener Wohnraum bezahlt werden, was jedoch angemessen ist, müssten die kommunalen Verwaltungen selbst herausfinden – die Sozialgerichte würden an dieser Stelle ganz genau hinschauen.

Für Leistungsbezieher, die in einer Wohnung leben, die das Amt bereits als angemessen genehmigt hat, soll sich durch die neuen Mietobergrenzen nichts ändern. Es sei denn, die Verhältnisse ändern sich, schränkt Andrasch ein. Wenn also Kinder ausziehen oder sich ein Paar trennt, dann werden die neuen Werte herangezogen, um zu prüfen, ob die alte Wohnung noch angemessen ist. Sollte das nicht so sein, wird der konkrete Einzelfall geprüft. „Die Mietobergrenze legt fest, dass die Behörden bis zu der Miete nicht mehr prüfen müssen und die Bezieher der Leistungen keine Angst haben müssen auszuziehen“, sagt Beeth. Er erwartet wie auch Sozialamtsleiterin Andrasch, dass die Vermieter die Mieten von neuen oder frei werdenden Wohnungen rasch an die neuen Obergrenzen anpassen werden. In der Folge müssen die Obergrenzen möglicherweise bald wieder angehoben werden. Für Sozialpolitiker Beeth wird der Gesetzgeber so zum Preistreiber der Mieten. Er will mittel- und langfristig den sozialen Wohnungsbau durch Genossenschaften stärken.

Norderstedts Sozialdezernentin Anette Reinders begrüßt die neue Tabelle und die erhöhten Werte in Norderstedt. „Wir wissen, wie schwer es für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, ist, eine Wohnung zu finden.“ Norderstedt sei schließlich neben Wedel und Sylt die teuerste Kommune in Schleswig-Holstein. „Für uns hat sich der Eindruck bestätigt, dass die alten Mietobergrenzen nicht der Realität entsprachen.“ Sie hofft, dass sich die Situation für die Menschen entspannt, die auf Sozialleistungen angewiesen sind.