Annegret Mißfeldt aus Bad Bramstedt ist erst mit 55 Jahren in die Politik gegangen. Sie sorgt für politische Bewegung

Ohne ein offenes Ohr und einer guten Portion Selbstbewusstsein ist dieser Job nicht zu machen. „Ich muss hören, wie Bad Bramstedt tickt“, sagt Annegret Mißfeldt. Der Schnack auf dem Wochenmarkt, die politische Debatte im Ausschuss, der persönliche Besuch bei Senioren zum Geburtstag – die Bürgervorsteherin der Kurstadt trifft viele Menschen und spricht mit ihnen. Die Kommunikation liefert den Rohstoff für die politische Debatten und Entscheidungen. So versteht Annegret Mißfeldt ihr Ehrenamt.

Dass sie als Bürgervorsteherin für politische Bewegung sorgt, davon ist Annegret Mißfeldt überzeugt. Als Späteinsteigerin ist sie erst mit 55 Jahren in die Politik gegangen, trat in die CDU ein und ist mittlerweile die dienstälteste Bürgervorsteherin im Kreis Segeberg. Vor zwei Jahren verabschiedete sich die einstige Leitern der Grundschule Storchennest von ihren Schülerin und ging in den Ruhestand. „Ich bin 66 Jahre, und es geht mir gut“, sagt die Bürgervorsteherin mit der markanten Brille und der kiebigen Kurzhaarfrisur.

„Ich will und kann politisch etwas bewegen“, sagt die Bürgervorsteherin

Laut Gemeindeordnung leitet der Bürgervorsteher die Sitzungen der Gemeindevertretung; in Bad Bramstedt heißt das Gremium Stadtverordnetenversammlung. Außerdem beruft der Bürgervorsteher die Einwohnerversammlungen ein und vertritt gemeinsam mit dem Bürgermeister die Kommune nach außen. Das ist der vorgegebene Rahmen, den eine Persönlichkeit mit Leben füllen kann. Für Annegret Mißfeldt ist klar: „Ich will und kann politisch etwas bewegen.“

Bestes Beispiel ist für sie die Ruckrede – nicht die von Ex-Bundespräsident Roman Herzog, sondern ihre eigene. In ihrer Neujahrsansprache 2009 redete Annegret Mißfeldt so deutlich Klartext, wie es manche Bramstedter von ihr nur aus Schulzeiten kannten. Nach jahrelangem Stillstand mahnte sie deutlich an, dass nach der Eröffnung der Ortsumgehung endlich mit der Umgestaltung der Innenstadt gestartet werden müsse. Kurz darauf begannen Workshops, Planungs- und Diskussionsrunden. „Die Bürger begannen, sich Gedanken zu machen“, sagt sie.

Ähnlich wie der Bundespräsident auf dem weiten Feld der Bundespolitik einen Ruck angemahnt hatte, nutzte damals Annegret Mißfeldt die Autorität ihres Amtes und die Kraft ihrer Worte, um einen Entscheidungsprozess im kleinen Bad Bramstedt in Gang zu setzen und der den Bewohnern der Kleinstadt viel Geduld abverlangt: Die Stadt hat kein Geld, bis heute wird der Straßenverkehr im Zentrum nur provisorisch beruhigt.

Einige Diskussionen vor dem Entscheid bezeichnet Mißfeldt als „grenzwertig

Doch das Provisorium soll bald ein Ende haben, wenn es nach der Bürgervorsteherin geht. Annegret Mißfeldt wird in den kommenden Wochen zu einer Einwohnerversammlung einladen, in der es um die Umgestaltung gehen soll. „Auch das gehört zu meinen Aufgaben“, sagt sie. „Wir müssen jetzt zuhören, was die Bürger wollen. Und danach heißt es: gestalten!“

Zwar gehört Annegret Mißfeldt einer Partei an und bekennt sich damit zu definierten politischen Grundsätzen, doch das Amt der Bürgervorsteherin verlangt von ihr, neutral zu arbeiten und ausgleichend zu wirken, wenn der Streit im Stadtparlament allzu heftig ausgetragen wird. Als die Parteien vor wenigen Wochen beim Bürgerentscheid für ihre Positionen warben, wie das Gelände des Hauses der sozialen Dienste genutzt werden soll, ging es verbal dermaßen zur Sache, dass Annegret Mißfeldt nach dem Wahlgang in der Stadtverordnetenversammlung mahnende Worte an die Politiker richtete.

Einige Diskussionen vor dem Entscheid bezeichnete sie als „grenzwertig“. Sie forderte mehr Mut zur Gemeinsamkeit und einen Schulterschluss der Politik. Außerdem verurteilte Mißfeldt die schriftlichen Angriffe auf Politiker durch Bürger. Jetzt müsse ein Schlussstrich gezogen werden, forderte die Bürgervorsteherin. Mit einigen Wochen Abstand bekräftigt sie ihre Sichtweise: „Man muss kämpfen und sich die Meinung sagen, aber dann muss es auch gut sein.“

Das politische Geschäft musste sie erst lernen

„Ich kann reden und ich kann ausgleichen.“ Das sagt Annegret Mißfeldt über sich selbst und das Talent, das sie in die politische Arbeit einbringt. Das politische Geschäft selbst musste sie erst lernen. Bramstedts CDU-Urgestein Claus Bornhöft war es, der die Schulleiterin gefragt hatte, ob sie nicht in die CDU eintreten und für die Kommunalwahlen kandidieren wolle. Danach stand Bornhöft ihr zur Seite, beriet und informierte. „Ich bin mir damals schnell bewusst geworden, dass ich in alte, gewachsene Strukturen hineingekommen bin“, sagt Annegret Mißfeldt.

Ob sie in vier Jahren noch einmal antreten wird, weiß Mißfeldt noch nicht

Gelernt hat sie außerdem, dass Festreden nicht immer gut ankommen, selbst wenn eine Bürgervorsteherin am Redepult steht. Nach nur wenigen Monaten im Amt musste die Bürgervorsteherin im vollbesetzten Theater des Kurhauses die passenden Worte zur Eröffnung des Internationalen Musikfestes halten, das Gäste aus ganz Europa nach Bad Bramstedt lockt. Die Musikliebhaberin Mißfeldt hatte sich aufwendig vorbereitet und viele Gedanken gemacht, doch irgendwann war aus dem Publikum der Ruf zu vernehmen: „Aufhören, wir wollen Musik hören.“ Die Bürgervorsteherin setzte mit freundlichen Worten ihre Rede fort, doch noch einmal wird sie nicht darauf vertrauen, dass allein ein angesehenes Amt genügt, um Interesse zu wecken.

Ob sie in vier Jahren noch einmal antreten wird, weiß Annegret Mißfeldt noch nicht. Die Entscheidung hängt maßgeblich von den Wählern ab. Die stärkste Fraktion der Stadtverordnetenversammlung stellt traditionell den Bürgervorsteher. Damit ist das Rennen bis zum Wahlabend offen.