Dr. Wilhelm Knelangen, Politikwissenschaftler der Universität Kiel, über die Rolle, die Macht und das Amt des Bürgervorstehers

Hamburger Abendblatt:

Was sind Ihrer Ansicht nach die wichtigsten Aufgaben eines Bürgervorstehers?

Dr. Wilhelm Knelangen:

Bürgervorsteher gibt es in Gemeinden, die einen hauptamtlichen Bürgermeister haben. Seine Aufgaben ähneln einem Parlamentspräsidenten – in den großen Kommunen heißt der Bürgervorsteher ja auch Stadtpräsident. Er wird vom Gemeinderat gewählt, er lädt zu dessen Sitzungen ein und leitet die Tagungen der Vertretung. Zugleich ist er Ansprechpartner für die Bürger, die sich an die Vertretung wenden. Nicht zuletzt ist er der höchste ehrenamtliche Repräsentant der Gemeinde, er übernimmt – manchmal mit dem Bürgermeister – viele repräsentative Aufgaben, begrüßt Gäste und nimmt Ehrungen vor.

Ist der Bürgervorsteher mit ausreichend „Macht“ ausgestattet?

Knelangen:

Im Vergleich zum Hhuptamtlichen Bürgermeister ist die formelle Macht des Bürgervorstehers klein. Aber in der Praxis werden oft angesehene und erfahrene Menschen in dieses Amt gewählt, die informell durchaus Einfluss haben und auf deren Wort gehört wird. Auch der Bürgermeister kommt bei der Gestaltung des Amtes ja an der Politik nicht vorbei.

Welche Rolle spielt der Bürgervorsteher im Spannungsfeld zwischen Politik und Verwaltung?

Knelangen:

Der Bürgervorsteher ist für eine gute Zusammenarbeit zwischen Rat und Verwaltung zuständig – als derjenige, der für die Organisation und die Leitung der Ratsarbeit verantwortlich ist. Das heißt aber gleichzeitig, dass er nicht derjenige ist, der die Leitlinien der ehrenamtlichen Politik vorgibt. Das machen die Fraktionen im Rat, je nach ihren politischen Sichtweisen.

Muss beziehungsweise sollte der Bürgervorsteher sein Amt mit parteipolitischer Neutralität ausfüllen?

Knelangen:

Eindeutig ja. Er darf bei der Leitung der Ratssitzung oder auch bei seinen öffentlichen Auftritten einzelne politische Gruppen weder bevorzugen noch benachteiligen. Jeder wird dem Bürgervorsteher zugestehen, dass er eine persönliche politische Meinung zu vielen Themen hat. Seine Amtsführung sollte das aber nicht beeinträchtigen.

Welche persönlichen Eigenschaften sollte ein Bürgervorsteher mitbringen?

Knelangen:

Wichtig sind kommunalpolitische Erfahrung, auch und gerade bei der Leitung von Sitzungen. Ein ausgleichendes Wesen ist sicher sehr hilfreich, und nicht zuletzt lebt der Bürgervorsteher von dem Respekt, den ihm die Vertreter am besten aller Parteien und Gruppen entgegen bringen.