Wolf von Schenck erhält im Wildpark Eekholt täglich bis zu zehn Hinweise von Menschen, die glauben, einen Wolf gesehen zu haben. Er ist Wolfskoordinator Schleswig-Holsteins.

Eekholt. In der Eiderniederung in Dithmarschen ist die Welt nicht mehr so wie vorher: Dort ist Ende Juli ein Tier fotografiert worden, von dem niemand geahnt hat, dass es hier je auftauchen könnte. Ein Wolf lebt in der Nähe der Nordsee. Oder war auf der "Durchreise". Niemand weiß es so genau. Wolf von Schenck weiß es auch nicht, aber ihm ist klar: Wölfe streifen durch Schleswig-Holstein.

Der Geschäftsführer des Wildparks Eekholt wird von vielen Medien als der Wolfsexperte schlechthin bezeichnet. Tatsächlich koordiniert er die Arbeit der Wolfsbetreuer in Schleswig-Holstein, er ist Ansprechpartner des Umweltministeriums und vieler Menschen, die glauben, irgendwo Spuren eines Wolfes gesehen zu haben.

Der Wolf ist in vielen Märchen präsent und hat die Fantasie von Kindern über Generationen hinweg beflügelt. Jetzt ist er in der Realität angekommen: Es gibt in Deutschland wieder Wölfe. Wie sehr dieses Thema die Menschen beschäftigt, erfährt Wolf von Schenck ständig: Bis zu zehn Hinweise gehen täglich bei ihm ein - wenn in den Medien Berichte über Wölfe in Deutschland erscheinen, auch wesentlich mehr.

Der 44 Jahre alte Wolf von Schenck, eigentlich Wolf-Gunthram Freiherr von Schenck, seit 2003 Geschäftsführer des Wildparks, teilt die Hinweise in drei Kategorien ein: Unbestätigte Hinweise, Hinweise mit harten Fakten (wenn zum Beispiel ein Tier überfahren wurde, bei dem es sich um einen Wolf handeln könnte) und sonstige Hinweise (Spuren oder Losungen, die vom Wolf stammen könnten). Alles nimmt der Wildpark-Geschäftsführer gerne entgegen. "Es ist schön, wie aufmerksam die Menschen sind und was alles gemeldet wird."

Nachdem die ersten Wölfe in Deutschland gesichtet worden waren und es immer wieder Hinweise auf weitere Wolfsvorkommen gab, reagierte das Kieler Umweltministerium, initiierte einen runden Tisch, entwickelte gemeinsam mit Experten ein Konzept und ernannte die 37 Wolfsbetreuer im Land. Wolf von Schenck wurde zum Koordinator benannt, seit 2011 ist der Wildpark Eekholt das Wolfs-Informationszentrum für Schleswig-Holstein. Während die Wolfsbetreuung in anderen Bundesländern meistens in den Händen einer Organisation liegt, hat sich Schleswig-Holstein für Wolfsbetreuer entschieden, die in Mehrfach-Funktion tätig sind.

Zehn Fotofallen stehen in Schleswig-Holstein. Und zwar überall dort, wo es mehrere Hinweise auf ein Wolfsvorkommen gibt. In Dithmarschen war der Wolf durch gerissene Schafe aufgefallen. Anhand von Untersuchungen der Bisswunden wurde festgestellt: Jawohl, hier lebt ein Wolf. In Schleswig-Holstein gibt es vier ausgebildete Bissgutachter - Wolf von Schenck ist einer von ihnen.

Der anschließend getarnt aufgestellte Fotoapparat brachte den Beweis: Der junge Wolf tappte in die Fotofalle. Der Wildpark-Geschäftsführer rät Haltern von Nutzvieh, nicht in Panik zu verfallen. "Der Hauptteil der Wolfsnahrung besteht aus Wild", sagt er. "Nutztiere machen nur ein Prozent der Nahrung aus." Aber immerhin: Das Land bezahlt Präventionsmaßnahmen (verstärkte Zäune), außerdem gibt es eine Entschädigungsordnung für Schafhalter. Und wenn der verursachte Schaden höher ist als 7500 Euro, greift der Wolfsgarantiefonds des Landes.

Seit 2007 scheint es Wölfe in Schleswig-Holstein zu geben. Vor sechs Jahren wurde ein Wolf bei Eutin von einem Auto überfahren. Bis dahin galt ein Wolfsvorkommen als unwahrscheinlich. Im Dezember 2012 wurde ein Wolf im westlichen Teil des Kreises Segeberg fotografiert, im Januar 2013 die Spur des wolfstypischen "geschnürte Trabs" über eineinhalb Kilometer an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern entdeckt, im März 2013 hat der Bewohner eines Hauses in Bergedorf einen 30 Meter entfernt stehenden Wolf aus seiner Küche heraus fotografiert, im April wurde ein Wolf im Kreis Stormarn überfahren, in Dänemark wurden vier Wölfe nachgewiesen, die aller Wahrscheinlichkeit nach durch Schleswig-Holstein gewandert sind.

Wolf von Schenck geht davon aus, dass in Schleswig-Holstein vom Nahrungsangebot her viele Wölfe leben könnten. Ein Wolfsrevier ist etwa 200 bis 300 Quadratkilometer groß. Müssen die Menschen Angst haben? Der Fachmann schüttelt den Kopf: "Der Wolf kann Menschen in drei Kilometer Entfernung wahrnehmen und zieht sich dann ruhig zurück. Der Mensch steht nicht auf seinem Speiseplan." Die Chance, einen Wolf zu sichten, sei etwa so groß wie ein Hauptgewinn im Lotto.

Immerhin kann sich von Schenck vorstellen, dass es noch mehr Wölfe in Schleswig-Holstein gibt oder in Zukunft geben wird. Er hält sogar eine streng geregelte Wolfsjagd irgendwann für nicht ausgeschlossen. Allerdings nicht in absehbarer Zeit. "Diese Diskussion ist um Jahrzehnte verfrüht."

Wolf von Schenck sieht sich als Vermittler zwischen Wolf und Mensch und hält die Öffentlichkeitsarbeit deshalb für sehr wichtig. In seinem Wildpark erfahren Besucher alles Wissenswerte über das Tier. Drei Jungtiere und ein Altwolf leben zurzeit in dem einen Hektar großen Gehege.