Zuschläge sollen gekürzt werden, Mitarbeiter auf Urlaubstage verzichten. Donnerstag wird über einen neuen Tarif verhandelt.

Norderstedt. In den Backstuben des Kreises Segeberg gärt es. Der Landesinnungsverband Schleswig-Holstein hat den Manteltarifvertrag gekündigt. Ziel: Die Nacht- und Wochenendzuschläge sollen gekürzt werden, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bäckereien sollen auch auf einige Tage Urlaub verzichten. Diese Pläne aber stehen in starkem Kontrast zu denen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Die fordern sechs Prozent mehr Gehalt und einen Mindest-Stundenlohn von 8,50 Euro. Am Donnerstag wird über "mehr Brötchen für die Bäcker" in Bad Bramstedt verhandelt.

"Wir zahlen nach Tarif, und werden das auch weiterhin machen", sagt Iris Schmidt von der Norderstedter Bäckerei Volker Schmidt an der Ulzburger Straße. Ihr Betrieb ist Mitglied der Bäcker-Innung, die alle zwei bis zweieinhalb Jahre einen neuen Tarifvertrag ausarbeitet. Ein Geselle im fünften Gesellenjahr würde bei ihr zirka 2200 Euro pro Monat erhalten. "Vielfach regeln wir das Gehalt aber auch individuell", sagt Schmidt. Natürlich würde sie auch Sonderzulagen wie die Nachtzulage zahlen. "Das gilt von Mitternacht bis 4 Uhr morgens und ist selbstverständlich", sagt Schmidt.

Viele ihrer Angestellten arbeiten seit Jahrzehnten in der seit 80 Jahren in Norderstedt bestehenden Bäckerei. "Doch wir haben sehr mit den Billig-Brötchen zu kämpfen", sagt Iris Schmidt. Viele Kunden würden zwar zu besonderen Anlässen bei ihr Brötchen und Brot, Kuchen und Torten bestellen, "aber fürs Alltägliche reichen ihnen oft die Backwaren vom Discounter", sagt die Bäckerin, die hohen Wert darauf legt, dass bei ihr vom selbst geschroteten Mehl bis zum fertigen Brötchen alles selbst und nach eigenen Rezepten gebacken wird. Das aber habe seinen Preis, dazu kämen die steigenden Energiekosten, und so würde die Umsatzschraube immer enger werden, vom Gewinn ganz zu schweigen.

Die Neu-Verhandlungen von Tarifen sind ein ganz normaler Vorgang

"Die Neu-Verhandlungen von Tarifverträgen sind ein ganz normaler Vorgang", sagt Holger Rathjen, Landesinnungsmeister der Bäcker-Innung Landesverband Schleswig-Holstein mit Bäckerei in Norderstedts Tannenhofstraße. Neue Tarife würde auch nicht nach unten, sondern stets nach oben verhandelt. "Aber eine Gehaltserhöhung von sechs Prozent ist reine Utopie", sagt Rathjen.

In seiner Bäckerei habe auch er mit steigenden Energiekosten und vor allem mit der neuen EEG-Umlage (Erneuerbare Energien-Gesetz) von 5,3 Cent statt bisher 3,5 Cent pro Kilowattstunde zu kämpfen. Das wären für ihn bei gleichbleibendem Energieverbrauch Mehrkosten von 2000 Euro pro Jahr. Doch auch für Rathjen ist es klar, seine Mitarbeiter nach Tarif zu zahlen, und dazu würden auch die Zuschläge für Nacht- und Wochenend-Arbeit gehören, schließlich würden die Backwaren auch in seiner Backstube in Eigen- und Handarbeit entstehen.

Die Gewerkschaft indes verteidigt ihre Forderungen. "Die Bäcker wollen keine kleinen Brötchen mehr backen", sagt Uwe Sandmann, Branchensekretär bei der NGG Lübeck, die auch für den Kreis Segeberg zuständig ist und landesweit 15.000 Beschäftigte vertritt. "Wer in Bäckereien und Backshops extrem früh oder spät Brot, Baguettes, Brötchen oder Kuchen verkauft, hat einen angemessenen Zuschlag verdient", sagt Sandmann. Ein Geselle im fünften Berufsjahr würde bei der geforderten Erhöhung 130 Euro mehr verdienen.

Verband will Zuschläge kürzen und bietet dafür 3,45 Prozent mehr Lohn an

Heinz Essel, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands, fordert indes eine Kürzung des Nachtzuschlages um zehn Prozent von 60 auf 50 Prozent und bietet dafür 3,45 Prozent mehr Lohn an. Die Urlaubstage, bisher je nach Alter zwischen 25 bis 36 Tage im Jahr, müssten nach dem EU-Recht neu verhandelt werden, so Essel. Sandmann indes beklagt, dass viele Betriebe reguläre Stellen in 450-Euro-Jobs umwandeln und Schüler und Studenten für zirka sechs Euro pro Stunde zahlen würden. Sollten die Tarifverhandlungen scheitern, ist Sandmann auch einem Aufruf zum Streik nicht abgeneigt.

Den traditionellen Bäckereien aber bereiten nicht nur die Massenware der Billiganbieter, höhere Mieten im Hamburger Umland, die EEG- und weitere Energiekosten Sorgen, sondern auch die gestiegenen Rohstoffkosten. Mehl habe sich beispielsweise in den letzten sechs Monaten um 30 bis 40 Prozent verteuert.