19 Ärzte in Norderstedt werden als Impfpraxen für die Schweinegrippe genannt. Tatsächlich bietet kaum die Hälfte der Praxen eine Impfung an.

Norderstedt. Seit 20 Jahren leidet Birgit Reichel (55) aus Norderstedt unter Asthma. In Zeiten der grassierenden Schweinegrippe ist sie also eine der Risikopatienten. Schon früh hat sich die Norderstedterin entschieden, dass sie eine Impfung gegen die Schweinegrippe haben möchte. Doch als sie jetzt mit der Suche nach einem Impfarzt beginnt, stößt sie auf Ablehnung. Bei vier Ärzten in Norderstedt bekommt sie eine Absage: "Wir impfen nicht!"

Das schleswig-holsteinische Gesundheitsministerium hat eine Liste mit etwa 1500 Ärzten herausgegeben, die sich bereit erklärt haben, die Menschen zu impfen. Diese Liste ist im Internet für jedermann und für jeden Ort einsehbar. Die Norderstedter Zeitung hat die aktuelle Fassung der Liste geprüft. 19 Arztpraxen in Norderstedt sind darauf als Impfpraxen verzeichnet. Doch in der Hälfte der Praxen bekommen Anrufer, die sich impfen lassen wollen, eine Absage. Die Praxen geben an, dass sie zunächst impfen wollten, nun aber vor dem enormen Papierkram und der organisatorischen Arbeit, die die Impfaktion erzeuge, personell überfordert seien. Viele Praxen scheuen den hohen Beratungsaufwand bei vergleichbar dürftigen Umsätzen durch die Impfung (6 Euro pro Spritze). Wieder andere geben an, angeblich keinen Impfstoff zu bekommen und deswegen gar nicht impfen zu können. Und einige Praxen behaupten gar, die Liste des Ministeriums sei schlicht falsch.

Ministeriumssprecher Oliver Breuer weist diese Kritik von sich. "Auf der Liste stehen ausschließlich Ärzte, die sich schriftlich gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung bereit erklärt haben, zu impfen", sagt Breuer. Wenn es sich diese Mediziner nun anders überlegen und abspringen, wäre es nur fair, wenn sie das Ministerium in Kenntnis setzen würden. Nur dann könnte die Liste sinnvoll aktualisiert werden. Dass Praxen keinen Impfstoff bekommen würden, bezeichnet Breuer als "Quatsch". Wer impfen will, habe einen Vertrag mit dem Gesundheitsministerium unterschrieben. Dem Vertrag war ein Blanko-Bestellschein für das Serum beigelegt. "Wir hatten zwar anfangs Probleme mit der Menge des Impfstoffs. Eine Impfaktion dieser Größenordnung haben wir bisher auch noch nicht erlebt. Aber jetzt haben wir 136 000 Impfdosen auf die etwa 200 Logistik-Apotheken des Landes verteilt. Von hier bekommen die Praxen schnell und problemlos das Serum."

Dr. Klaus Zowe von der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis Kohlsche und Zowe an der Ohechaussee 13 bietet die Schweinegrippe-Impfung an. Die Telefone stehen kaum still. Am Mittwoch betritt gerade eine aufgeregte ältere Dame die Praxis: "Was ist mit der Schweinegrippe? Ich habe keine Ahnung, wer kann mir weiterhelfen?" Dr. Zowe und sein Team haben alle Hände voll zu tun. "Dazu kommt, dass es keinen einzigen Kinderarzt in der Stadt gibt, der die Impfung macht. Jetzt kommen viele mit ihren Kindern, und uns fehlt die Erfahrung bei der Impfung der Kleinen."

Der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein, Marco Dethlefsen, appelliert an die Hausärzte, sich an der Impfaktion zu beteiligen. "Wir können und wollen niemanden dazu zwingen. Aber es geht eben nur mit den niedergelassenen Ärzten." Dass nun viele wieder abspringen, weil ihnen der Aufwand zu groß ist, kommentiert Dethlefsen nicht. Grundsätzlich spricht er von einer großen Bereitschaft der Ärzte, die Impfung anzubieten. Mittlerweile seien es 1870 Ärzte im ganzen Land, darunter 1000 Hausärzte. Wie viele davon den Dienstvertrag mit dem Gesundheitsministerium unterschrieben haben und sich entsprechend auch wirklich an der Aktion beteiligen, kann Dethlefsen nicht sagen. Das Gesundheitsministerium sei gefordert, nur diese Ärzte auf ihren Listen zu veröffentlichen.

Am Ende aller Ungereimtheiten stehen Patienten wie Birgit Reichel. Die gab nach dem Gespräch mit der Norderstedter Zeitung nicht auf und erhielt schließlich eine E-Mail der Praxis Gutgesell an der Berliner Allee. Der Impftermin steht. Endlich.