Die pensionierte Berufsschullehrerin Ruth Nowakowski fliegt auch im 87. Lebensjahr wieder nach Afrika, um dort Schüler zu unterrichten.

Norderstedt. „Gott gab den Afrikanern die Zeit. Und uns die Uhr", zitiert Ruth Nowakowski ein Sprichwort. Die Norderstedterin beschreibt damit eine afrikanische Mentalität, auf die sich jeder Europäer einstellen sollte, wenn er durch Afrika reist oder dort arbeiten will.

Ruth Nowakowski zieht es einmal im Jahr nach Uganda. Seit 1995. Aber nicht der Landschaft wegen, der reichen Vegetation und der Sonne. Die pensionierte Berufsschul-Lehrerin arbeitet in dem Land zwischen Victoria- und Albert-See. Sie unterrichtet Ernährungs- und Nahrungskunde, Hauswirtschaft, Kochen und Nähen. Acht bis neun Wochen ist sie pro Jahr in Masaka, Mbirizi und Biikira.

Ruth Nowakowski hilft aus Liebe zum Land und zu den Menschen, und diese Liebe hat sich zur Leidenschaft entwickelt. Was treibt sie an? "Nach der Pensionierung musste ich etwas tun, ich bin verwitwet, Kinder habe ich nicht, und ich wollte mein Wissen weitergeben", sagt Nowakowski. Sie entdeckte den Senior Expert Service (SES), stellte sich vor und wurde von der Organisation, die fachliche Hilfe an soziale und andere Einrichtungen ins Ausland vermittelt, angenommen.

Doch der erste Auftrag ließ auf sich warten. Fünf Jahre lang. Dann kam ein Ruf nach Budapest. Vier Wochen unterrichtete sie deutschsprachige Schülerinnen. Der nächste Auftrag aber veränderte ihr Leben. Sie sollte an der Secondary School, dem Gymnasium einer katholischen Kirchengemeinde in Mbirizi in Uganda den praktischen Unterricht einführen, ein Plan der Regierung Ugandas, um Fachkräfte für die wachsende Wirtschaft auszubilden, vor allem für den Tourismus, für Hotels und Restaurants.

Das war 1995, und Ruth Nowakowski war 69 Jahre alt. Am Montag konnte sie ihren 86. Geburtstag feiern. Das Schönste: Ruth Nowakowski ist topfit und will in den nächsten Monaten wieder nach Uganda reisen, um ihren Schützlingen zu helfen. "Praxis ist in Uganda besonders wichtig", sagt sie. Doch es fehle an Planungsstrategien. Beispielsweise würde für die Schule Computer angeschafft, ohne dass vorher die Stromanschlüsse sichergestellt sind. Und es fehlt an Geld.

Viel hat sie erreicht in ihren Uganda-Jahren. Sie war Haushälterin, Gruppenleiterin, Lehrerin für Nahrungsmittel und Ernährung, Computer und Kochen, Chemie und Physik, Sozialberaterin und Expertin für Schulaufbau. Sie hat aus einem Kaninchenstall eine Lehrküche gebaut, richtete eine Waschküche ein, brachte einen Fleischwolf und fünf Nähmaschinen mit, gespendet von Mitgliedern ihrer Norderstether Kirchengemeinde St. Hedwig. Sie lehrte den Frauen das Backen von Vollkornbrot, die Zubereitung von Obst und Gemüse und importiert jetzt dank Spenden eine Solaranlage aus Deutschland ins Land der Sonne. Denn Strom gibt es kaum, und wenn, ist er teuer. Das wertvollste Gut aber ist das Wasser. "Das muss oft von weit her geholt werden", sagt Ruth Nowakowski. Die Frauen tragen die viele Kilo schweren Wasserkanister nach alter Sitte auf dem Kopf.

Das Wasser aber darf nicht sofort verwendet, es muss abgekocht werden. "Es wird, auch mangels Strom, traditionell über offenem Feuer gekocht, das ist mühselig, das Abkochen wird manchmal vernachlässigt, und auch Backen und Dünsten entfällt", sagt Nowakowski. Die Folge: "Viele Menschen haben oft Malaria, in Uganda eine Krankheit wie bei uns Schnupfen." Deshalb werden auch die Früchte, die es im Überfluss gibt, selten gegessen, weil auch sie mit abgekochtem Wasser gewaschen und zubereitet werden müssen. Hauptnahrungsmittel sind Kochbananen, gewürzt wird mit teurem Zucker, mit Salz und Curry, obwohl überall Kräuter wachsen.

"Ich konnte nach vier Wochen nichts mehr essen, weil der Geschmack so einseitig war", sagt Nowakowski. Die praktisch veranlagte Lehrerin beschloss, das zu ändern und richtete eine Kochklasse ein. Sofort meldeten sich 20 Mädchen und Frauen. Sie wollten kochen und nähen lernen und beteiligten sich auch an den Kosten. Den größten Teil aber finanziert Ruth Nowakowski, und dafür sammelt sie in Norderstedt unermüdlich Spenden und verkauft handgearbeitete Taschen und Grußkarten aus Uganda. "Tausend Euro kann ich wieder mitnehmen, die fließen wahrscheinlich in die Solaranlage der Kirchengemeinde in Mbirizi, damit dort nicht mehr über offenem Feuer gekocht werden muss", sagt sie und strahlt.

Seit ihrem 80. Lebensjahr finanziert auch der Senior Expert Service nicht mehr ihre Flüge und Unterkunft. "Ich fahre jetzt auf eigene Kosten", sagt sie. Die leuchtenden Augen, die Verehrung ihrer Schülerinnen und Schüler, die Abschiedsfeste, wenn sie wieder fahren muss, sind ihr Dank genug.

Vor allem aber freut sie sich, wenn ihre Schüler Erfolg haben. Beispielsweise Joseph Kayigwa. Zielstrebig ging er mit ihrem Beistand seinen Weg, suchte immer wieder ihren Rat und hat jetzt mit Freunden seine eigene Firma im Bereich der Elektro-Installation gegründet. Ruth Nowakowski hat er als Direktorin eingesetzt.

"Ich bin dort ein ziemlicher Einzelfall und werde schon aufgrund meiner weißen Hautfarbe als wissend eingestuft", sagt die Tochter eines norddeutschen Dachdeckers. Sowie sie gelandet ist, geht ihre Ankunft per Trommel und Mundpropaganda von Dorf zu Dorf, und die Leute besuchen sie sofort. "Ich nehme auch immer einen Koffer mit Medikamenten mit", sagt Nowakowski, die als Gesundheitswesen unterrichtet. Ruth Nowakowski hat in dem Land, in dem die Uhren anders gehen, ihre zweite Heimat gefunden.

Wer Ruth Nowakowski unterstützen will, kann bei ihr handgenähte Taschen und Grußkarten mit Weihnachtsmotiven und afrikanischen Szenen kaufen. Die zauberhaften Motive sind in Feinarbeit aus Bananenblättern gestaltet. Ruth Nowakowski ist unter Telefon 040/523 56 22 zu erreichen.