Mit der Hilfe eines Disponenten der Rettungsleitstelle hat Angelika Arts hat ihren Mann Ludwig reanimiert. Er war zusammengebrochen.

Norderstedt. "Hallo Schatz! Eine hübsche Bluse hast du an." Als Ludwig Arts diesen Satz aussprach, wusste seine Frau Angelika: Er hat es geschafft. Mit wachen Augen blickte der 53-Jährige von seinem Bett im Hamburger Krankenhaus Heidberg auf seine Frau. Seine Worte sprach er klar und deutlich. "Jetzt habe ich Hunger", fügte er lächelnd hinzu.

Tagelang hatte Ludwig Arts im künstlichen Koma gelegen. Eine Woche zuvor war er in seinem Haus in Norderstedt vor den Augen seiner Frau leblos zusammengebrochen - ohne Bewusstsein, ohne Puls, mit schnappender Atmung. Was dann geschah, beschreiben Fachleute als "Rettung wie im Lehrbuch". Mit den telefonischen Anleitungen des Disponenten Michael Walluks aus der Norderstedter Rettungsleitstelle gelang es Angelika Arts, ihren Mann wiederzubeleben.

"Das war eine 1A-Alleinreanimation", sagt KBA-Rettungsassistent Florian Stöber, der mit seinen Kollegen neun Minuten nach dem Notruf beim Ehepaar Arts eintraf. Ohne den beherzten Einsatz seiner Frau hätte Ludwig Arts den schweren Infarkt vermutlich nicht überlebt oder schwere neurologische Schäden davon getragen, glaubt Stöber.

6.30 Uhr zeigte die Uhr am 16. Oktober, als Ludwig Arts wie jeden Morgen vom Joggen kam und sich aufs Frühstück freute. Normalerweise läuft seine Frau mit, doch heute hat sie früh einen Arzttermin. "Ich mache schon mal Kaffee", sagt sie zu ihrem Mann. Er schaut sie an, bringt noch den Satz "Ich muss mich hinlegen" heraus, dann bricht er zusammen. Angelika Arts zögert nicht und greift zum Telefon. Sie wählt die Nummer 112.

Für Michael Walluks hat gerade die Frühschicht in der Rettungsleitstelle begonnen. "Ich hatte mir gerade einen Kaffee geholt", berichtet er. Sekunden später folgt der erste Anruf seiner Schicht, die Notrufleitung klingelt. Aufgeregt, aber mit klaren Worten schildert Angelika Arts, was geschehen ist. Walluks hat 22 Jahre Erfahrung als Leitstellendisponent. Ihm ist sofort klar, dass es jetzt darum geht, das Leben des Mannes zu retten, der neben der Anruferin reglos auf den Fliesen liegt und den er nicht sehen kann. "Ich konnte seine Schnappatmung hören", sagt er. "Solche Situationen sind nie Routine."

Per Computer alarmiert Walluks das Notarzteinsatzfahrzeug und den Rettungswagen, gleichzeitig spricht er bestimmt mit Angelika Arts: "Ich bleibe am Telefon, und Sie machen jetzt, was ich sage." Die Anruferin sei sehr aufgeregt, aber nicht hysterisch gewesen, erinnert sich Walluks. Angelika Arts macht den Oberkörper ihres Mannes frei und beginnt präzise nach den Anweisungen des Disponenten mit der lebensrettenden Herzdruckmassage. Immer wieder drückt sie den Brustkorb ihres Mannes nieder. Wie lange sie neben ihm kniete und mit der Stimme aus dem Telefon um das Leben ihres Mannes kämpfte, weiß sie nicht mehr.

Walluks' Kollege in der Leitstelle hört das Gespräch mit und informiert die Fahrzeugbesatzungen des KBA über den Stand der Reanimation. "Irgendwann hörte ich die Martinshörner", erinnert sie sich. Dann klingelte es, Angelika Arts rannte zur Haustür und öffnete sie für das KBA-Team mit Notarzt Andreas Martin und den Rettungsassistenten Florian Stöber, Patrick Gerdau und Sebastian Kubo.

Die Männer setzen die Arbeit fort, die Angelika Arts erfolgreich begonnen hat. "Sie hat alles richtig gemacht", sagt Florian Stöber. "Sie hat ihrem Mann das Leben gerettet." Was geschehen sei, habe Angelika Arts erst realisiert, als das Rettungsteam die Versorgung übernahm, sagt Stöber.

Dem Lebensretter in der Leitstelle stehen die Tränen in den Augen. "Freudentränen", sagt Michael Walluks. "Nach dem Gespräch war ich platt." Er gönnt sich eine Pause und trinkt in Ruhe den ersten Kaffee, den er noch gar nicht angerührt hatte.

Ein- bis zweimal pro Woche müssen seine Disponenten per Telefon Erste Hilfe leisten oder den Anrufer bei einer Wiederbelebung unterstützen, sagt Wolfgang Reimer, der Chef der Norderstedter Leitstelle, in der alle 112-Notrufe aus dem Kreis Segeberg ankommen. Seit Anfang des Jahres sind alle Mitarbeiter geschult, um diese Aufgabe bewältigen zu können. "Die große Herausforderung besteht darin, einem Menschen Handlungsanweisungen zu geben, der unter einem riesigen Druck steht." Lieber eine schlechte Reanimation als keine, sagt Reimer.

Ludwig Arts kann sich nicht mehr an den Morgen des 16. Oktober erinnern, selbst das Joggen ist aus seinem Gedächtnis verschwunden. Bereits vor vier Jahren hatte ihn ein Herzinfarkt niedergestreckt. Damals war die Ursache klar: zu viel Stress, ungesunde Ernährung, kaum Bewegung. Danach hat das Ehepaar sein Leben komplett umgestellt. Ludwig Arts nahm ab, er begann zu joggen. Jedes Wochenende entspannte sich das Ehepaar auf Touren mit dem neuen Wohnmobil.

"Ich habe mich so sicher gefühlt", sagt der 53-Jährige. Warum es ihn erneut erwischt hat, können bislang nicht einmal die Ärzte in der Reha-Klinik erklären, in der Arts bis Ende des Monats bleiben muss. Angst vor einem dritten Kollaps muss er nicht mehr haben: Um zu verhindern, dass sein Herz erneut ins Straucheln gerät, haben die Kardiologen des Heidberg-Krankenhauses ihm einen Mini-Defibrillator in die Brust eingesetzt. Gestern war er zum erstenmal seit dem Infarkt wieder joggen. "Meine Werte sind gut", sagt Arts. "Ich darf sogar Grünkohl essen." Machen Sie weiter wie bisher, haben alle Ärzte zu ihm gesagt.

Er habe viele Ziele, sagt Arts. Er wolle sein Enkel aufwachsen sehen und mit 60 Jahren aufhören zu arbeiten. Mit seiner Angelika, mit der seit 32 Jahren verheiratet ist, will er dann oft und lang in den Süden reisen. "Der 16. Oktober hat uns noch enger zusammen geschweißt", sagt sie. "Wenn das überhaupt möglich ist."