Der Sportschütze startet am 29. August bei den Paralympics 2012 in London. In Norderstedt hat sich die Medaillen-Hoffnung vorbereitet.

Norderstedt. Klack, klack, klack. Metallisch hallt es quer durch die Schießbahn der Norderstedter Schützengemeinschaft. Anerkennend wird am Rande geflüstert. Leopold Rupp zeigt an diesem Tage Ausnahmesport mit seinem Luftgewehr. Er ist ein außergewöhnlicher Besucher im Vereinsquartier am Schierkamp. Wenn die Paralympics 2012 in London am 29. August beginnen, ist der 20 Jahre alte Sportschütze eine von 150 deutschen Medaillen-Hoffnungen. Und damit Rupp gerüstet ist für das Duell mit internationaler Konkurrenz, machte der gebürtige Albersdorfer nun einen Abstecher nach Norderstedt, wo er gemeinsam mit Bundestrainer Uwe Knapp ausführlich an seiner Form und an technischen Feinheiten arbeitete.

Letzterer ist stets auf der Suche nach technisch guten Schießanlagen, die zudem auch noch behindertengerecht sind. Gerade der zweite Aspekt ist außerhalb der offiziellen Stützpunkte längst keine Selbstverständlichkeit. Fachlich heißt die Behinderung von Leopold Rupp diastrophische Dysplasie, besser bekannt als Kleinwuchs. Kurze Strecken kann er zu Fuß zurücklegen, ansonsten benötigt er einen Rollstuhl. Treppenstufen sind dann schwer überwindbare Hindernisse. "Bei uns ist aber alles ebenerdig", sagt Uwe Gluschitz, Vorsitzender der Schützengemeinschaft Norderstedt. "Wir sind stolz darauf, dass wir ausgewählt worden sind."

Zunächst hatte Uwe Knapp die Norderstedter Räumlichkeiten bei einem Tag der offenen Tür im vergangenen Jahr inspiziert. Damals noch anonym. Doch der Trainer fiel sofort auf, als er eine Serie an Schüssen abgab und natürlich erstklassig abschnitt. Ihm wurde sogar angeboten, dem Verein beizutreten. Also musste sich Knapp doch outen.

Dass Leopold Rupp tatsächlich in London dabei sein wird, weiß er erst seit dem 21. Juli. "Das war sehr kurzfristig vom Verband, aber die Sportler haben eine Vorahnung. Alle potenziellen Teilnehmer mussten sich vorbereiten und sind so voll im Training", so Knapp. "Ich habe ihn vorgeschlagen. Der Junge ist erst 20 und hat noch so viel Potenzial."

Und dies nicht nur mit dem Gewehr. Leopold Rupp studiert Medizin an der renommierten Berliner Charité und möchte später als Kinderarzt arbeiten. Die Plätze am Universitätsklinikum sind begehrt. Wer keinen Einser-Schnitt im Abitur vorweisen kann, hat in der Regel keine Chance auf eine Zusage. "Und das Studium geht vor. Wir verdienen mit unserem Sport kein Geld." Gleichwohl hat er Olympia zuliebe seine Prüfungen verschoben. Und gelernt wird erst wieder nach der Rückkehr aus der britischen Metropole.

Am 1. September steigt der Wettkampf in den Royal Artillery Barracks

Rein technisch schießt Rupp "liegend". Da er sich allerdings wohler fühlt im Sitzen, wurde eigens für ihn eine komplizierte Stahlkonstruktion entworfen, in die sein Sport-Rollstuhl millimetergenau eingepasst wird. Der Transport dieser Maßanfertigung ist allerdings nur in Einzelteilen möglich. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Uwe Knapp erst einmal 20 Minuten schrauben muss, bevor Leopold Rupp seinen ersten Schuss abgeben kann.

Für sein Alter ist der Olympionike bereits ungewöhnlich gut. Ein Naturtalent also, aber auch ein akribischer Arbeiter. "Hartes Training gehört dazu. Aber irgendwie muss man das Schießen auch im Blut haben. Dazu gehören die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, eine gute Körperspannung und viel Gefühl", erklärt Rupp, der als Zwölfjähriger zum Schießsport kam.

Bereits am heutigen Mittwoch fliegt er mit der Nationalmannschaft nach London und wird vor Ort bis zu seinem Abflug am 10. September das volle Programm genießen. Die Eröffnungsfeier vor 80 000 Zuschauern, die anderen Wettkämpfe, das Zusammenleben mit Athleten aus aller Welt im olympischen Dorf. Dieses wurde übrigens nach dem Ende der Olympischen Sommerspiele am 12. August aufwendig renoviert und an die jeweiligen Bedürfnisse der neuen Bewohner angepasst. Leopold Rupp grinst bei dem Gedanken an die legendäre Atmosphäre: "Das wird bestimmt echt gut!"

Am 1. September wird es ernst für Leopold Rupp. Dann steigt der Wettkampf in den Royal Artillery Barracks. Es wird eine neue Erfahrung sein für ihn: Weder an Welt- noch an Europameisterschaften hat er bisher teilgenommen - lediglich an mehreren Weltcup-Veranstaltungen. "Olympia war jetzt nicht mein Ziel. Aber es ist klasse, dass es so weit gekommen ist", sagt er.

Rupp formuliert seinen Anspruch dennoch durchaus selbstbewusst: "Ich möchte 600 von 600 treffen." Das ist seine Bestleistung und würde für das Finale ausreichen, wo dann Zehntelpunkte über die Platzierungen entscheiden. "Aber die Konkurrenz wird sehr stark sein, gerade aus den ostasiatischen Ländern. Mal sehen, wofür es reichen wird."