Das Fundbüro der Stadt lud zur Versteigerung seiner Bestände. Vom Mobiltelefon bis zur Schreibmaschine kam alles unter den Hammer.

Norderstedt. Es geschieht in U-Bahnen und Bussen. Am Straßenrand und in den Parks. Bei Veranstaltungen oder in öffentlichen Gebäuden. Menschen vergessen, verlieren oder entsorgen Sachen, und andere finden sie und tragen sie pflichtbewusst ins Fundbüro. In Norderstedt waren die Lagerräume zuletzt wieder randvoll, und das Fundbüro des Betriebsamtes brachte am Mittwoch die herrenlose Ware unter die Bürger. Gegen Höchstgebot.

Die Fundsachenversteigerung hat in Norderstedt schon eine gewisse Tradition und zählt bei den Schnäppchenjägern der Region zu den festen Terminen. 95 Einzelposten standen am Mittwoch zur Versteigerung, darunter allein etwa 50 Räder in allen Größen und Zuständen, in der Regel achtlos am Straßenrand vergessene Drahtesel, die die Stadt nach mehrfacher Aufforderung zur Entsorgung abräumen ließ. Über 30 Uhren, ebenso viele Mobiltelefone, diverse MP3-Player und - der Klassiker - Regenschirme, jede Menge davon.

Wie verliert man eine Massageliege mit chinesischem Schröpfset?

Kann der Betrachter noch nachvollziehen, wie und in welchen Situationen jemand diese Dinge verloren haben mag, so kratzt er sich schon am Kopf, wenn bei der Begutachtung der Objekte vor der Versteigerung plötzlich vor einer zusammenklappbaren Massageliege amerikanischer Bauart, samt einem chinesischen Schröpfglas-Set steht.

Ort der Versteigerung ist die Dienstgarage der Stadtverwaltung. Wo sonst der Oberbürgermeister seinen Dienstwagen parkt, stehen jetzt die Räder aufgereiht, liegen Uhren und Mobiltelefone jeweils in Dreier- oder Viererbündeln in Plastiktütchen verpackt auf Tischen, daneben der übrige Krimskrams und die Massageliege. Vielleicht 80 Leute sind gekommen. Auktionator des Tages ist Andreas Finster vom Ordnungsamt. "Wir machen heute eine englische Versteigerung: Das höchste Gebot gewinnt", sagt Finster. Er erklärt, dass alle Waren genau die gesetzlichen sechs Monate im Fundbüro gelagert wurden, ehe sie zur Versteigerung freigegeben wurden. Wie alles, ist nämlich auch das Finden und Verlieren gesetzlich geregelt in unserem Land.

Das deutsche Gesetz vom Finden und Verlieren ist präzise

Wer das Gesetz liest, der lernt, dass zwischen dem Verlierer und dem Finder ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht. Das verpflichtet den Finder, den Fund dem Verlierer anzuzeigen. Kennt er diesen nicht und hat der Fund einen Wert von mehr als 10 Euro, muss er den Fund bei der Behörde anzeigen. Wenn sich der Verlierer findet, erwartet den Finder ein Finderlohn. Er beträgt bei Sachen im Wert von bis zu 500 Euro genau 5 Prozent, darüber 3 Prozent und bei Tieren auch 3 Prozent. Jawohl: Wer eine Katze "findet", erhält drei Prozent des Katzenwerts als Lohn.

Weil das kompliziert klingt, ist so eine Auktion irgendwie passender. Auktionator Finster beginnt mit den Mobiltelefonen in Tütchen, zum Beispiel fünf Samsung-Geräte für 55 Euro. Ein junger Mann überbietet alle anderen Interessenten bei jedem der sechs Telefon-Tütchen. "Warum ich die ersteigere? Ich bin Millionär, mache das nur zum Spaß - und draußen steht mein Porsche", antwortet er genervt auf die Frage, was er denn mit all den Fundtelefonen anfangen will. Tatsächlich ist die Frage naiv. Denn unter den erfolgreichen Bietern hier ist der Anteil der Händler groß. "Ich verdiene mein Geld damit. Ich verkloppe die Handys wieder, die gehen ja alle noch", sagt der "Millionär", ehe er das Prunkstück der Telefon-Versteigerung, ein iPhone mit kaputtem Display für 28 Euro ersteigert und sich über die viel zu günstigen Preise hier kaputtlacht.

Natürlich sind auch Privatleute unter den Bietern, in erster Linie solche, die ein Fahrrad suchen. Die Massageliege wird von einem Händler gekauft, der auch Angelruten ersteht. Am Ende ist Finster froh, dass bis auf Kleinigkeiten alles versteigert wurde. "1700 Euro sind zusammengekommen", sagt Finster. In den vergangenen Jahren waren es schon bis zu 2000 Euro. Finanzspritzen für die öffentliche Hand von vergesslichen Bürgern.