Student schreibt Konzept für Geschichtslehrpfad in Kaltenkirchen. Eine Herausforderung - wissenschaftlich und menschlich.

Kaltenkirchen/Glückstadt. Auf dem Schreibtisch stapeln sich noch die Fachbücher, die Examensarbeit liegt ausgedruckt vor dem Monitor. Wochenlang hat Lars Thode geforscht, mit Wissenschaftlern gesprochen und nach Ideen gesucht. Der 29-Jährige hat sich mit den Verbrechen in den Lagern der SS und der Wehrmacht am Weltkriegsflugplatz Kaltenkirchen beschäftigt und dabei das Grauen kennengelernt. Doch Thode verharrte nicht in der Vergangenheit, sondern ging einen Schritt, der für einen Historiker ungewöhnlich ist: Seine Arbeit mündet in ein Projekt, das sich mit der Zukunft seines Forschungsobjekts beschäftigt. Thode hat in seiner Examensarbeit ein Konzept für einen Geschichtslehrpfad auf dem Gelände am westlichen Stadtrand von Kaltenkirchen entwickelt. "KZ-Gedenkstätte - Überlegungen zu einer erweiterten Ausstellungskonzeption" heißt die110 Seiten starke Arbeit, an der Thode drei Monate gearbeitet hat.

Auf einer Länge von neun Kilometern soll der Weg über die riesige Flächen führen, wo ab 1938 direkt an der Reichsstraße 4 (heute Bundesstraße 4) auf Befehl von Hermann Göring ein Flughafen für die Luftwaffe entstand. Dort starben in einem Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme 700 Menschen. Hunderte russische Kriegsgefangene kamen in einem "Erweiterten Krankenrevier" ums Leben.

"Es ist unvorstellbar, was dort geschehen ist"

Die teilweise noch unerforschte Geschichte hat den Glückstädter Thode nicht nur wissenschaftlich, sondern auch menschlich herausgefordert. "Es ist unvorstellbar, was dort geschehen ist", sagt Thode, der in Kiel studiert und jetzt eine Anstellung als Lehrer sucht. Thode: "Ein Menschenleben war nichts wert."

Zugänglich sind große Teile des Geländes erst seit 2007, nachdem die Bundeswehr ihren Übungsplatz aufgegeben hatte. Trotz der vergangenen Zeit und der Aktivitäten es Militärs sind viele Spuren der Vergangenheit erhalten geblieben. Thode hat die 15 wichtigsten Orte miteinander verbunden, an denen Informationstafeln für Besucher aufgestellt werden sollen.

Thode hat sich weitgehend in der Literatur informiert und weniger die historischen Quellen zur Hand genommen. Fündig wurde er vor allem in den Werken des Alveslohers Gerhard Hoch, der als erster Informationen über die Geschichte des Flugplatzgeländes zusammengetragen hat und für seine regionalhistorischen Forschungen mit einem Ehrendoktortitel ausgezeichnet wurde. Außerdem informierte sich Thode bei dem Kisdorfer Peter Schiller, der das Gelände aus seiner Kindheit in den ersten Nachkriegsjahren kennt und Bücher über die Zeit des Zweiten Weltkriegs im Kreis Segeberg schreibt. "Mein Thema ist sehr breit", sagt Thode. "Da war eine Arbeit mit Quellen kaum drin." Erstaunt war der Student, dass die Geschichte dieses historischen Orts zeitweise nahezu in Vergessenheit geraten war. Das erste Buch von Gerhard Hoch erschien 1980 und damit erst 35 Jahre nach Kriegsende.

Thode hat eng mit dem Trägerverein der KZ-Gedenkstätte zusammen gearbeitet. Die Vereinsvorsitzende Uta Körby hat Thodes Arbeit bereits an die Bürgermeister von Kaltenkirchen und Bad Bramstedt, Hanno Krause und Hans-Jürgen Kütbach, sowie an Landrätin Jutta Hartwieg weiter geleitet. Uta Körby hofft, dass Thodes Konzept in ein bis zwei Jahren umgesetzt wird. Unklar ist allerdings noch, wer die Kosten von rund 50 000 Euro übernehmen wird. Möglicherweise würde die Bürgerstiftung Schleswig-Holstein das Projekt mitfinanzieren, hofft Uta Körby.

Der Rundgang über das in einigen Bereichen denkmalgeschützte Gelände beginnt in der KZ-Gedenkstätte Springhirsch, die 1999 gegründet wurde. Die Häftlinge des Außenkommandos des Konzentrationslagers Neuengamme wurden zwischen August 1944 und April 1945 für den Ausbau des Militärflughafens eingesetzt. Vom Lager führt der Weg über einen Teil der ehemaligen Ringstraße, die den gesamten Flugplatz umgab, zu den noch erhaltenen Splitterschutzgräben.

Besonders an dieser Stelle wird eines der größten Probleme der historischen Fläche deutlich: Motocross-Fahrer durchpflügen seit Jahren mit ihren Geländemaschinen das Erdreich und zerstören dabei wichtige Spuren. Die Polizei hat vor dem Problem kapituliert. Die Eigentümer des einstigen Flugplatzes, die Bundesimmobilienanstalt, hat ebenfalls bislang kein Rezept gegen die Motocross-Fahrer gefunden, die außer den historischen Relikten auch die geschützte Fauna und Flora gefährden.

Die Besucher des Geschichtspfades werden an einem Löschteich vorbeigehen und erreichen die Flächen des im März 1941 errichteten "Erweiterten Krankenreviers" für russische Kriegsgefangene. Dort steht ein etwa 1,60 Meter hohes Betongebäude, das nach Ansicht der meisten Fachleute als Strafbunker für Gefangene diente. Das Häuschen ist akut durch Pflanzenbewuchs gefährdet.

Nächste Station ist eine Rampe, deren einstige Funktion den Fachleuten immer noch Rätsel aufgibt. Einige vermuten, dass sie für den Abschuss der "Wunderwaffe" V2 genutzt werden sollte. Andere Experten bezweifeln diese These wegen der geografischen Lage. Neben dieser Rampe steht ein kleiner Bunker, dessen Funktion ebenfalls ungeklärt ist.

Weiter geht es auf dem sogenannten Begräbnisweg, auf dem Gefangene die Toten zur Begräbnisstätte Moorkaten transportieren musste. Der Weg führt vorbei an den Überresten der Start- und Landebahn. Nächste Station ist der Friedhof Moorkaten.

Eine weitere Informationstafel soll an einem gut erhaltenen Bombenkrater stehen, der im April 1945 bei einem Luftangriff entstand. Auch an dieser Stelle will Thode Informationen liefern, die über den Flugplatz hinausgehen. "Ich möchte Kaltenkirchen in den Kontext Schleswig-Holstein einbetten", sagt der 29-Jährige. Zu den letzten Informationspunkten gehören eine Hinrichtungsstätte und mehrere Erdwälle, die KZ-Häftlinge beim Ausbau des Flughafens in den letzten Kriegsmonaten aufgeschüttet haben.

Bei seinem Professor Karl-Heinrich Pohl ist Thodes Arbeit gut angekommen. Der Glückstädter erhielt die Note 1,3.