Das Konzept von Landwirt Rehders in Glashütte geht auf. Er will im kommenden Jahr weitere der inzwischen sehr beliebten Gärten anbieten.

Norderstedt. Regen? Wunderbar! Luca, Luis und Paul buddeln ein Baggermatschloch. Mitten im Garten, zwischen Kohlrabi, Kartoffeln und Kornblumen, Möhren und Malven, Salat, Zucchini und Zuckerschoten. Denn Gemüse und Blumen gibt es reichlich in den Mietgärten der Familien Lopez und Wedekind mitten in Norderstedt, am Grünen Weg im Ortsteil Glashütte. Die barfuß durch den Garten stromernden Kinder freuen sich über süß schmeckende Zuckerschoten, die direkt vom Erbsenstrauch in den Mund wandern.

"Das ist gesund", sagt Nadine Rey Lopez, Mutter der dreieinhalbjährigen Luca und des zweijährigen Luis. Die Familie Lopez hat sich einen von 90 Gärten gemietet, die die Glashütter Landwirtsfamilie Rehders auf ihrem Acker am Grünen Weg angelegt hat. Es ist einer von bundesweit mehr als 20 Mietgärten. "Meine Ernte" heißt das Modell. Gedacht waren die Mietgärten für Großstädter ohne eigenen Garten. Doch mittlerweile sind sie auch in eher ländlichen Regionen ein Erfolg wie auf Hof Rehders. 45 Prozent der 90 Gartenmieter kommen aus Norderstedt, 4,5 Prozent aus Henstedt-Ulzburg und 50 Prozent aus Hamburg. Für 2013 plant die Familie Rehders noch mehr Mietgärten.

In der wöchentlichen Sprechstunde wird das Einmaleins des Gärtnerns gelehrt

Natalie Kirchbaumer und Wanda Ganders aus Bonn haben die Mietgärten erfunden. Als Studentinnen hatten sie keine Lust auf schlaffes Gemüse aus dem Supermarkt, Dosen- und Tiefkühlkost. Schrebergarten war zu viel, Balkonkasten zu wenig. Kirchbaumer fragte einen Bauern, ob sie auf einem kleinen Stück seines großen Ackers einen Gemüsegarten anlegen dürfte. Die Idee "Mietgarten" war geboren und verbreitete sich schnell in ganz Deutschland. Der Clou: Die Mieter werden mit Rat und Tat intensiv begleitet. 2010 gab's dafür den Förderpreis der Agrarwirtschaft.

"Ich habe alle Anfängerfehler gemacht, die es gibt", sagt Nadine Rey Lopez. Sie habe zu viel gegossen, die Möhren rausgezogen, weil sie dachte, es sei irgendein Kraut, und die Salatsetzlinge zu eng gepflanzt. Doch in der wöchentlichen "Meine Ernte"-Sprechstunde habe sie das Einmaleins des Gärtnerns gelernt. Kathrin Rehders, Tochter der Landwirte Christa und Hans-Jürgen Rehders, gibt diese Sprechstunden im Bauwagen am Rand des Mietgemüse-Feldes, in der jeder Gartenmieter seine Geräte, Gummistiefel und mehr unterstellen kann. Mittlerweile gibt es auch ein schwarzes Brett für Gemüse-Nachrichten und eine Gemüse-Tauschkiste. Zudem schickt "Meine Ernte" den Mietgärtnern Newsletter mit Tipps und Rezepten.

"Als Erstes habe ich Ruccola geerntet, und es war eine Offenbarung. Denn ich habe gar nicht gewusst, wie nussig Ruccola wirklich schmecken kann", sagt Lopez. Vor allem für die Kinder sei der Garten ein Segen, denn sie würden nicht nur chemiekalienfreies Gemüse essen, sondern auch sehen, wie Kohlrabi und Co. entstehen.

Nadine Rey Lopez wohnt mit ihrer Familie in einer der Wohnungen auf Hof Rehders. Genauso wie die Familie Wedekind. "Die Nähe des Gartens war natürlich ein großes Argument. Einmal über die Straße gehen und einen Salatkopf fürs Abendessen schneiden, frischer geht es nicht, das ist ein tolles Gefühl", sagt Mandy Wedekind. Alle Mietgärtner verpflichten sich, auf leichtlösliche Mineraldünger und chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel zu verzichten. Die Idee "Meine Ernte" ist natürlich ökologisch.

Den Ackerboden bereitet der Landwirt. "Ich pflüge den Acker, teile die Gärten auf, lege Beete an und säe 20 Gemüsesorten und Blumen", sagt Hans-Jürgen Rehders. Unterstützt werden der Landwirt und die Diplom-Agraringenieurin von Tochter Kathrin Rehders, die Agrarwissenschaften studiert und die Mietgärtner beim Säen, Pflegen und Ernten berät.

Buschbohnen, Erbsen, Feuerbohnen, Kartoffeln, Kohlrabi, Kürbis, Mairübe, Mangold, Möhren, Landgurke, Petersilienwurzel, Porree, Radieschen, Rote Bete, Rotkohl, Salate, Spinat, Spitzkohl, Zucchini, Zuckerschoten und Zwiebeln werden in einem langen Beet für alle Mietgärten gesetzt und gesät. Die übrige Fläche wird nach Lust und Laune der Mietgärtner gestaltet. 2,50 Meter beackern sie selbst. Tomatensträucher wachsen neben Hokaido-Kürbissen, Erdbeeren neben Rauke. Zwischen Kamille und anderen Kräutern lümmelt sich schon mal Michel, der Gartenzwerg, ein Schild "Herzlich Willkommen" steht einladend am Weg im Beet, und Paul durfte auch sein Ostergras aus dem Kindergarten in den Mietgarten pflanzen. "Jetzt wachsen schon die Ähren. Die ernten wir und backen Brötchen draus", sagt Vater Christian Wedekind. Schon die erste eigene Erdbeere zu ernten und zu essen, war für Paul ein Erlebnis.

Arbeit auf dem Feld als Ausgleich zur Schreibtischarbeit

Stefanie Fischer hat gerade Rote Beete geerntet und freut sich über jedes neue Rezept für das alte Gemüse. Als Salat? Oder lieber gedünstet und mit reichlich Petersilie und ein wenig Knoblauch in Olivenöl geschwenkt? "Ich habe zwar hinter meinem Reihenhaus einen Garten, aber dort wachsen nur einige Kräuter", sagt die 36-jährige Norderstedterin, die am Kielortring wohnt und sagt: "Ich bin in wenigen Minuten mit dem Fahrrad in meinem Garten und kann ernten."

"Als ich gelesen habe, dass hier Gartenbeete vermietet werden, habe ich mich sofort angemeldet", sagt Simone Wegner. Die 45-Jährige kommt aus Norderstedts Ortsteil Garstedt, arbeitet als Sekretärin und genießt ihren Garten als Ausgleich zur Schreibtischarbeit. "Dieses Gemüse ist überhaupt kein Vergleich zum Gewächshaus-Turbo-Gemüse", sagt Wegner. Neu entdeckt hat sie Mairüben. Die haben Wedekinds bereits abgeerntet. Dort, wo Paul gerade einen Staudamm im Matsch baut.

Gartengrößen und Preise Der Gemüsegarten mit 45 Quadratmetern kostet 179 Euro pro Jahr, der Familien-Gemüsegarten mit 85 Quadratmetern 329 Euro. Dafür bietet "Meine Ernte" das Säen und Setzen von 20 Gemüsesorten und Blumen sowie professionelle Beratung.