Suchtberater halten wenig von einem liberaleren Umgang mit weichen Drogen, wie er im Koalitionsvertrag der Kieler Regierung gefordert wird.

Norderstedt. Dass der Konsum von Cannabis und dessen Blüten (Marihuana) sowie gepresstem Harz (Haschisch) mittlerweile von vielen nur noch als "Kavaliersdelikt" wahrgenommen wird, ist nichts Neues. Wohl keine Droge wurde über die vergangenen Jahrzehnte in Musik, Film und Kunst so oft als integraler Bestandteil eines kollektiven Wohlempfindens idealisiert. Der Joint als Accessoire für Partys und den gediegenen Feierabend also. Soweit zur romantischen Seite des Kiffens.

Damit können Hans-Jürgen Tecklenburg und Bodo Haßler, Leiter der Ambulanten und teilstationären Suchthilfe im Kreis Segeberg (ATS), natürlich nichts anfangen. Sie wissen um die andere Seite des Drogenkonsums, ganz gleich, ob harte oder weiche Rauschmittel. In den Beratungsstellen der Region suchen Menschen Hilfe, deren Leben von einer Abhängigkeit so sehr eingenommen ist, dass sie ohne fremdes Zutun keinen Ausweg mehr finden.

Unter ihnen sind auch viele Cannabis-Abhängige. Ihre Schicksale erzählen nicht von der Harmlosigkeit des Hanfes, sondern von seinen Auswirkungen auf Psyche, Körper und allgemeines Verhalten. "Cannabis wird komplett unterschätzt", sagt Hans-Jürgen Tecklenburg. "Wir erreichen weiterhin nur sehr wenige Konsumenten. Doch viele Raucher wissen nicht, welche Komplikationen durch den Konsum entstehen können."

Im Psychiatrischen Krankenhaus Rickling werden die Opfer entgiftet und behandelt. "Bei den Leuten, die wir dort erleben und die erheblich konsumiert haben, bekommen wir mit, dass sie unglaublich gleichgültig sind und ihre eigenen Perspektiven nicht als relevant ansehen", berichtet Bodo Haßler Im Gespräch mit dem Abendblatt.

Die neue schleswig-holsteinische Landesregierung, bestehend aus SPD, den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband, will allerdings in den kommenden Jahre neue Akzente in der Drogenpolitik setzen, wie das Abendblatt gestern berichtete. "Wir bekennen uns zu einer modernen, effektiven Sucht- und Drogenpolitik, die sich an der Lebenswirklichkeit ihrer Adressaten orientiert", heißt es im Koalitionsvertrag.

Dass die Grenze für den straffreien Besitz von Cannabis auf zehn bis 15 Gramm (bisher sechs Gramm) angehoben werden soll, ist für Bodo Haßler nicht nachvollziehbar. "Unsere Haltung korrespondiert nicht mit diesem Beschluss. Etliche Jugendliche haben psychische Probleme, wenn sie Cannabis konsumieren." Die Frage sei, welches Signal mit derartigen politischen Ideen gesendet würde. "Cannabis ist nicht harmlos. Es wäre mir lieber, es würde kritischer gesehen", betont Haßler. "Wir müssten die Aktivitäten im Bereich der Prävention viel stärker forcieren."

Ähnlich äußert sich Hans-Jürgen Tecklenburg. "Zehn bis 15 Gramm sind eine erhebliche Menge. Wem sollte es nützen, wenn diese straffrei sind? Mir kommen in diesem Zusammenhang Beratungskonzepte zu kurz. Ich bin nicht besonders glücklich über die Pläne."

Die ATS arbeitet im Vorsorgebereich mit Grundschulen, weiterführenden Schulen und Jobcentern zusammen. Bei Kindern werden Informationen zunächst noch auf spielerische Art und Weise angebracht, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird im kritischen Dialog der jeweilige eigene Suchtmittelkonsum analysiert. Dies geschieht immer unter der Prämisse, dass schon geringe Mengen etwa von Cannabis schädlich sind.

Eine "fortschrittliche Drogenpolitik", wie die Regierungspläne bezüglich der höheren straffreien Besitzmengen im Koalitionsvertrag bezeichnet werden, sähe für Bodo Haßler also anders aus. "Wenn die Politik sich engagieren will, dann in Richtung eines Ausbaus präventiver Angebote. Das wäre ein positives Signal."