Darüber hinaus wird für viele Menschen mittlerweile der unkontrollierte Medienkonsum zu einem Sucht-Problem

Norderstedt. Der jährliche Tätigkeitsbericht der Ambulanten und teilstationären Suchthilfe (ATS) gibt einen Einblick in die Beratungsarbeit mit Abhängigen und deren Angehörigen sowie in die präventiven Maßnahmen im Kreis Segeberg. Er verdeutlicht allerdings auch, dass ein Großteil der potenziell Betroffenen weiterhin in einer Dunkelziffer verschwindet.

"Wir erreichen ungefähr zehn Prozent der Abhängigen", sagt ATS-Leiter Hans-Jürgen Tecklenburg. Dies waren 2011 insgesamt 1300 Personen in den Problembereichen Alkohol (730 Menschen/56,2 Prozent), illegale Drogen (337/25,9), pathologisches Spielen (121/9,3), Medikamente (22/1,7) sowie sonstige Abhängigkeiten (90/6,9).

Letzterer Punkt beinhaltet dabei alle Fälle, die mit Medienkonsum assoziiert werden. Dort sind die Zahlen stark ansteigend. "Es gibt unterschiedliche Ausprägungen. So können Online-Spiele wie World of Warcraft die Menschen sehr stark einbeziehen, sodass soziale Bezüge nur noch auf virtueller Ebene vorhanden sind", so Tecklenburg.

Während in der Realität persönliche Rückschläge zum Leben dazugehörten, könne man sich im Internet als "Held" aufbauen. "Wir müssen Menschen aus diesen Situationen hinausbegleiten. Sie müssen Rückschläge dadurch aufarbeiten, dass sie eigene Lösungen entwickeln."

Ein weiterer Aspekt seien Chats und soziale Netzwerke. "Es gibt ein steigendes Bedürfnis, permanent auf Empfang zu sein und sich permanent mitteilen zu müssen", sagt Tecklenburg und nennt das Extrembeispiel einer Frau, die zu Hause parallel mit drei Computern online war.

Gleichwohl ginge es nicht darum, das Internet zu verteufeln, sondern vielmehr darum, Medienkompetenz zu entwickeln. Tecklenburg: "Das Internet bietet viele Möglichkeiten für Jugendliche. Man darf sich nur nicht steuern lassen."

Die Bilanz der Arbeit mit Medikamentenabhängigen (Schmerz-, Beruhigungs- und Schlafmittel) ist unbefriedigend. Dort geht die ATS davon aus, dass die absolute Zahl aller Betroffenen auf einem ähnlichen Niveau wie bei Alkoholkranken ist. Die Zahl der Beratungen ist im Vergleich jedoch weitaus geringer.

Alkohol selbst bleibt der am stärksten vorkommende Suchtstoff, ist aber gleichermaßen schwierig in den Griff zu bekommen. "Alkohol ist gesellschaftlich anerkannt und sozusagen ein Kulturgut. Dort sind schon kleine Schritte in der Prävention wichtig", sagt Hans-Jürgen Tecklenburg.

Ein positives Beispiel hierfür ist das 2009 mit Hilfe der Stadt Norderstedt aufgebaute Projekt "Kleine Riesen". Dieses betreut Kinder aus suchtbelasteten Familien. Damit soll ein "Suchtkreislauf" verhindert werden, also das generationsübergreifende Weiterreichen von Abhängigkeiten.