In der Henstedt-Ulzburger Paracelsus-Klinik werden die Standards der neuen Hygieneverordnung umgesetzt, um Keimbildung vorzubeugen.

Henstedt-Ulzburg. Keime auf der Frühchenstation, drei verstorbene Babys, zwölf weitere erkrankt - die Schlagzeilen in deutschen Zeitungen entsetzten gestern viele Menschen. Passiert ist es im Klinikum Bremen. Kann so etwas auch in anderen Geburtskliniken vorkommen? "Keime können sich einschleichen", sagt Dr. Thomas Schneider, Chefarzt der Kinderabteilung (Sektion für Pädiatrie und Neonatologie). "Aber bei uns wird alles getan, um das zu verhindern."

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums erkranken deutschlandweit bis zu 600 000Menschen jährlich an sogenannten nosokomialen Infektionen in Krankenhäusern. Bis zu 15.000 Patienten sterben daran. Zahlen für Schleswig-Holstein liegen laut Auskunft der Landesregierung nicht vor. Das Kieler Kabinett hatte deshalb im September eine Hygieneverordnung beschlossen, die für die Kliniken verbindlich ist. Vor allem sollen die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts strenger umgesetzt werden. Dabei geht es auch um scheinbare Kleinigkeiten.

Im Klinikalltag dürfen Kleinigkeiten nicht übersehen werden

Zum Beispiel stets keimfreie Hände zu haben, keinen Schmuck an den Händen tragen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber im täglichen Klinikbetrieb kann sich Routine einschleichen, sodass derartige Dinge schon mal übersehen werden. "Es darf sich keine Lässigkeit in die Routine einschleichen", sagt Dr. Thomas Schneider der Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie (DGPI) ist. Diese Gesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, das Wissen über erregerbedingte Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu erweitern und zu verbreiten. In der Hygieneverordnung, die seit Anfang Oktober im Kraft ist, wird den Gesundheitsämtern mehr Möglichkeiten gegeben, die Hygienestandards durchzusetzen. Sie dürfen auch Bußgeld verhängen.

Die Mitarbeiter der Paracelsus-Klinik sind von der Hygieneverordnung nicht überrascht worden. "Die neuen Standards sind bei uns ohnehin angewendet worden", sagt Dr. Olaf Mindermann, leitender Oberarzt der Inneren Medizin. Er und sein Kollege Dr. Andreas Dietz, ebenfalls leitender Oberarzt der Inneren Medizin, sind die hygienebeauftragten Ärzte der Henstedt-Ulzburger Klinik. Mit Hilfe von Kursen und sonstigen Weiterbildungsangeboten bleiben sie auf dem neuesten Stand der Hygienetechnik. Insgesamt gibt es eine Hygienekommission, in der unter Vorsitz des ärztlichen Krankenhausleiters Dr. Tobias Zeiser Mitarbeiter aus allen Klinikbereichen tätig sind. Diese Kommission überwacht und regelt alles, was im engeren und weiteren Sinne mit Hygiene im Krankenhaus zu tun hat. Die Mitglieder der Kommission müssen regelmäßig an Schulungen teilnehmen.

Im Bereich der Geburtshilfe werden die Kinder in zwei Gruppen eingeteilt: Zum einen sind es die Kinder, die normal groß zur Welt kommen, andererseits gibt es die Gruppe der zu früh und zu klein geborenen Kinder. In dieser Gruppe sind im Klinikum Bremen offensichtlich Keime aufgetreten. In der Paracelsus-Klinik wird dieser Gruppe die besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Und das bedeutet: Es werden regelmäßig Abstriche von den Kindern und vom Klinikmaterial gemacht, mit dem die Kinder in Berührung kommen. Diese Abstriche werden mikrobiologisch untersucht. Auch dabei gilt: "Es darf sich keine Routine einstellen", so Dr. Thomas Schneider. "Kinder in dieser Risikogruppe sind besonders empfänglich für Infektionen."

Neugeborene unter 1800 Gramm kommen zur Uni-Klinik Eppendorf

Neugeborene unter 1800 Gramm oder solche, die vor der 30. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommen sind, werden von der Paracelsus-Klinik direkt an die Uni-Klinik Eppendorf weitergeleitet und dort versorgt. In den Kliniken hat ein Prinzip der Luftfahrt Einzug gehalten: Der so genannte Check-up soll Nachlässigkeiten verhindern und ausschließen.

Ganz geschützt vor Keimen ist allerdings kein Krankenhaus - auch die Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg nicht. Besucher zum Beispiel können nach Angaben von Dr. Olaf Mindermann Überträger von Keimen sein, obwohl sie nicht direkt von einer Krankheit betroffen sind und man ihnen auch nicht ansieht, dass sie Keimträger sein könnten. Aber auch verunreinigte Fertigprodukte hätten schon zu Infektionen geführt. So geschehen an der Uniklinik Mainz, wo im vergangenen Jahr zwei Frühchen verstarben, nachdem sie eine mit Bakterien verseuchte Infusion erhalten hatten.

Operationssäle sind mit einem doppelten Schleusensystem versehen

Dr. Mindermann und seine Kollegen warnen aber gleichzeitig vor einem "Desinfektionswahn" im Krankenhaus. "Sonst wird das Krankenhaus unmenschlich." Auch Antibiotika werde nur aus wirklich wichtigen Gründen eingesetzt, um ein Auftreten von resistenten Keimen zu verhindern.

Auch das ist Hygienestandard in der neuen Paracelsus-Klinik an der Wilstedter Straße: Die Operationssäle sind mit einem doppelten Schleusensystem ausgestattet. Schiebetüren wurden eingebaut, um die Luft beim Öffnen und Schließen nicht aufzuwirbeln. Die Luft im Operationssaal wird ständig abgesaugt. Wie ernst die internen und externen Hygienekontrollen genommen werden, beweisen auch die regelmäßigen Kontrollen des Gesundheitsamtes Segeberg. Erst vor knapp vier Wochen waren ein Amtsarzt und ein Ingenieur für Krankenhaushygiene zur Kontrolle im Hause.