Supermarktkette will Anliegern an der Kiebitzreihe in Norderstedt Grundstücke abkaufen. Die Stadt lehnt eine Bebauung jedoch ab

Norderstedt. Ingrid Hennings und Thomas Bosse sind sich einig - "wir haben genug Discounter". Bei der Discounterkette Lidl indes sieht man das anders.

Deshalb hat Ingrid Hennings, Hausbesitzerin an der Kiebitzreihe in Norderstedt, jüngst Post von dem Unternehmen bekommen. Lidl, so heißt es in dem Schreiben, wolle die "Expansion auf hohem Niveau fortsetzen", und zwar gerne genau dort, wo die Norderstedter Tierheilpraktikerin schon seit 1969 beschaulich lebt. Lidl möchte mit Ingrid Hennings ins Geschäft kommen und ihr eine "interessante und für Sie wirtschaftlich vorteilhafte Lösung für die weitere Nutzung ihres Grundstücks durch den Bau eines Lidl-Lebensmittelmarktes aufzeigen".

Thomas Bosse, Erster Stadtrat und Baudezernent Norderstedts, weiß von der Einkaufstour des Discounter-Riesen im Herzen der Stadt offiziell nichts, sagt aber: "Wir hören immer wieder von solchem Vorgehen."

Ingrid Hennings, die bis 1977 zur Miete im Häuschen aus den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts gelebt und die Immobilie dann gekauft hatte, erzählt, dass buchstäblich eine ganze Reihe von Nachbarn Post von Lidl bekommen haben. Offenkundig bieten sich die Grundstücke an der Westseite der Kiebitzreihe, die alle rückwärtig an die Ulzburger Straße grenzen, als "geeigneter Standort" an.

"Ich bin kreuzunglücklich", sagt Ingrid Hennings, "und möchte nicht weg hier." Zwar hätten ihr mehrere Nachbarn gesagt, ebenfalls auf keinen Fall an Lidl verkaufen zu wollen. Es gebe aber ein paar Wackelkandidaten. Ingrid Hennings befürchtet einen Dominoeffekt. Wenn ein Anlieger verkaufe, könnten andere schwach werden. Zumal immer wieder kolportiert wird, Lidl zahle bisweilen mehr als den standortüblichen Grundstückspreis. Und was solle dann werden, wenn Lidl ausreichend Platz bekomme, um tatsächlich einen neuen Lebensmittelmarkt inmitten der "gewachsenen Umgebung" an der Kiebitzreihe errichte? Ingrid Hennings fürchtet, dass dann der Wert ihrer Immobilie deutlich falle - "das hier ist meine Altersvorsorge".

In der Gemeinde Henstedt-Ulzburg klagen Anwohner seit Langem gegen einen Lidl-Markt, der vor ihrer Haustür entstanden ist. Die Norderstedterin verweist darauf, dass die Versorgung des Viertels bestens gesichert sei; dass es nur einen Steinwurf entfernt an der Ecke Rathausallee/Ulzburger Straße einen großen Lebensmittelmarkt gibt.

Im Internet finden sich Standortkriterien, die Lidl selbst anlegt. Demnach werden mindestens 4000 Quadratmeter "bebaute oder unbebaute Grundstücke" benötigt. Die langen, schmalen Grundstücke an der Kiebitzreihe sind allesamt annähernd 1000 Quadratmeter groß. Laut dem Schreiben, wie es auch Ingrid Hennings bekommen hat, werden "geeignete Grundstücke zum Kauf, zur Miete oder auf Erbpachtbasis" gesucht.

Freuen wird Ingrid Hennings, was Baudezernent Thomas Bosse sagt, der nämlich den Bau eines zusätzlichen Discounters an dieser Stelle kategorisch ablehnt. "Mit uns hat niemand vom Unternehmen gesprochen", so Bosse. Sollte dies noch geschehen, werde man von der Verwaltung aus darauf drängen, diese Ansiedlung durch die Politik "mit allen planungsrechtlichen Mitteln zu verhindern".

Oder kommt es so wie in der Gemeinde Ammersbek (Kreis Stormarn)? Dort wollten drei Grundstückseigentümer erzwingen, dass Lidl einen neuen Markt bauen darf (damit sie ihre Immobilien versilbern können). Die Ortspolitik hatte per Veränderungssperre und B-Plan-Änderung dieses Vorhaben verhindert. Lidl und die Grundstücksbesitzer siegten vor Gericht. Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen ein Plakat auf dem Baugrundstück aufgestellt. Darauf wurden alle Ammersbeker Bürger aufgerufen, "Druck" auf die Politiker auszuüben.

Die Verantwortlichen der Lebensmittelkette Lidl waren trotz mehrmaliger Versuche nicht für eine Stellungnahme zur geplanten Expansion in Norderstedt zu erreichen.