Das Namibia-Tagebuch der Männer vom “Charity Network“ Norderstedt

Mit 280 gebrauchten Computern haben sich sechs Männer aus Norderstedt nach Namibia aufgemacht. Sie wollen 16 Schulen der San, dem Volk der Buschmänner in Namibia, mit den Rechnern ausstatten. Walter Zielinski, Thomas Finnern, Hans-Herbert Joost, Bernhard Luther, Reinhard Paulsen und Andreas Brons sind für das bundesweit einmalige "Charity Network" aus Norderstedt im Einsatz. Oberstufenschüler des Norderstedter Lessing-Gymnasiums und Arbeitssuchende bringen hier gemeinsam ausrangierte Rechner auf den aktuellen Stand und geben sie an Bedürftige weiter. Die Norderstedter Zeitung druckt heute den letzten Teil des Reisetagebuches.

Dienstag, 23. November : Nun geht es die lange Fahrt zurück in das Ovambogebiet. Eine Strecke von über 1000 Kilometern liegt vor uns. Schilder am Straßenrand warnen vor Elefantenwechsel. Und plötzlich taucht auf der Straße tatsächlich eine kleine Elefantenherde auf. Ein riesiger Bulle trabt direkt auf unseren Bus zu. Toll! Rasch schießen wir einige Traumbilder, dann muss unser Fahrer rasch reagieren und das Fahrzeug aus der Gefahrenzone bringen, denn der Elefant ist stocksauer und will uns angreifen - unser Fahrer ist schneller, und wir sind außer Gefahr.

Entgegen dem Rat der ortskundigen Soldaten beschließt Walter Zielinski, eine Abkürzung zu nehmen, die parallel zur angolanischen Grenze verläuft. Der Häuptling der Ovamboregion hatte ihm versichert, dass die dortige Gravelroad gut befahrbar wäre. Wir biegen ab.

Tatsächlich ist die Straße lange gut asphaltiert - es fehlen nur noch 100 Kilometer in der Mitte. Fast die gesamte Resttrecke ist eine einzige Baustelle. Ein gigantisches Straßenbauvorhaben mitten im Buschland.

Unser VW-Bus quält sich über einen stark ausgefahrenen Baustellenweg. Die Abkürzung wird zur Zeitfalle, die uns zwei Stunden zusätzliche Fahrtzeit einbringt und ledig 57 Kilometer Strecke einspart. Erst am späten Abend erreichen wir das Ovambogebiet.

Mittwoch, 24. November : Der Tag beginnt sehr trocken, es gibt gerade kein Wasser im Hotel. Also keine Dusche, nur eine "Katzenwäsche" aus einem Eimer. Danach machen wir uns an die Arbeit. Wieder wird ein EDV-Raum in der dortigen Schule nach dem gleichen Muster aufgebaut und rasch fertiggestellt. Es fällt sehr viel Regen, die kleine Regenzeit bestimmt das Wetter.

Donnerstag, 25. November : Heute ist ein Installations-Ruhetag. Wir wollen uns den Etosha-National-Park ansehen, einen der ältesten im südlichen Afrika. Das staubige Grau der Salzpfanne weicht hier sattem Grün. Das Klima ist sehr angenehm. Am Eingang des Parks steht ein altes Fort der Deutschen Schutztruppe und vermittelt einem die Ahnung, wie es hier war in den Zeiten der Stammeskämpfe. Ein Schild an der Festungswand zeugt von der heldenhaften Verteidigung der Anlage durch sieben Reitersoldaten, die das Fort gegen 500 angreifende Ovambo-Kämpfer hielten. Heute ist das Fort ein Touristenmagnet mit hochpreisigen Läden. Gleich daneben befindet sich ein Urlaubsresort mit Pool, Camping-Platz und Bungalows.

Leider sehen wir im Park keine Elefanten. Durch den Regen sind viele Tiere nicht mehr auf die Wasserlöcher angewiesen und haben sich auf der riesigen Fläche verteilt. So sehen wir große Tierherden nur am Rand der riesigen Salzpfanne am Horizont.

Und dann haben wir doch Glück. Direkt an der Straße liegt heftig hechelnd eine Löwin. Die Kameras klicken um die Wette.

Freitag, 26. November : In Otjiwarongo erwartet uns eine große Gruppe Schüler, Honoratioren und Lehrkräfte. Es ertönt die namibische Nationalhymne, alle Schüler singen voller Inbrunst. Zwischen den kurzen Ansprachen lockern Schülertänze die Zeremonie auf. Alle Schüler tragen pflichtgemäß Schuluniform. Aber viele tragen dazu gar keine Schuhe oder welche mit durchgebrochener Sohle, abgelaufenen Absätzen oder welche, die viel zu klein sind. Die Hosen haben große Löcher, ebenso die Hemden. Trotzdem strahlen die Jugendlichen Würde aus, sie sind voller Inbrunst dabei und freuen sich wie bei der Bescherung an Weihnachten über den neuen Computerraum. Der Kontrast zu einer deutschen Schule könnte kaum größer sein.

Sonntag, 28. November : Wir besuchen eine Krokodilzuchtfarm in Otjiwarongo. Hier leben 40 Zuchtkrokodile, alles Wildfänge aus den großen Flüssen des Nordens. Sie werden nur einmal die Woche gefüttert und haben nur die Aufgabe, neue Eier zu legen. Diese werden in Brutkammern ausgebrütet. 2000 Eier reifen gleichzeitig. 4000 Jungtiere leben in Wasserbecken in kleineren Hallen, bis sie im Alter von etwa drei Jahren schlachtreif sind und ihre Haut lassen müssen.

Etwas außerhalb des Ortes besuchen wir noch ein Asyl für Geparde. Die Geparde werden von Wildhütern in die Station gebracht, weil ihre ehemaligen Lebensbereiche von Farmern oder Tierzüchtern beansprucht werden. Wenn es gelingt, werden die heimatlosen Tiere in freien Gebieten wieder ausgewildert. Ansonsten bekommen die Tiere hier ihr Gnadenbrot.

Montag, 29. November : Auf nach Okakarara. Walter Zielinski freut sich auf ein Wiedersehen mit Freunden, Thomas Finnern fürchtet eher ein "Ziegenfleisch-Bandsägen-Menü", so wie beim Besuch im letzten Jahr. Um das Fleisch gegrillt zu genießen, muss fast wieder die Säge ran, so zäh ist es.

Wir lernen in Okakarara zwei deutsche Jugendliche kennen, die als Freiwillige des Weltwärts-Projektes des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterwegs sind und hier neben ihren Hauptprojekten zusätzlich kostenlose PC-Kurse für die Kleinsten geben. Vielleicht wäre eine bessere Vernetzung der unterschiedlichen Projekte und Projektträger in diesem Ort anzustreben, sodass die nachhaltige Betreuung des EDV-Projektes nicht nur zufällig durch engagierte Praktikanten anderer Projekte fortgesetzt wird.

Dienstag, 30. November : Die Schule, die wir ausstatten sollen, befindet sich mitten im Buschland. Der Schulleiter erwartet uns schon. Gemeinsam mit ihm, Lehrern und einigen Eltern wird die EDV aufgebaut. Zwei Herero-Frauen sind in traditioneller Kleidung erschienen. Sie tragen ein mächtiges, vorne geknüpftes Kopftuch, das überdimensioniert wirkt. Die Hereros sind Viehhüter und -züchter, und deshalb tragen die Frauen die Tücher stolz wie die stilisierten Hörner einer Kuh. Das Mittagessen besteht heute wieder mal aus zersägter Ziege und Kartoffelsalat.

Mittwoch, 1. Dezember : Der PC-Raum ist fertig installiert. Nach einer kurzen Einweisung erfolgt die Danksagung durch unsere Gastgeber. Wir erleben die große Begeisterung der Menschen und die Erwartungen an die Zukunft, die die PCs bei ihnen geweckt haben. Eine große Befriedigung für uns.

Den Nachmittag nutzen wir für den Besuch des Waterberg-Museums. Hier kämpfte die deutsche Schutztruppe 1904 in einer historisch bedeutenden Schlacht gegen die aufständischen Hereros. Die mit Mitteln der deutschen Bundesregierung erbaute Gedenkstätte zerfällt. Die Bretter der Tribüne sind zerfressen, des Museum zeigt verblichene Fotos von der Einweihung, oft mit einer deutschen Ministerin darauf. Wenige Bilder zeugen von der Kultur der Hereros, in der Ecke liegen die Lauffragmente dreier alter Gewehre.

Donnerstag, 2. Dezember : Heute gehen wir auf Safari! Um 4.45 Uhr reißt uns der Wecker aus dem Schlaf. Rasch unter die Dusche, Zähne putzen und raus zum Bus. Nach einer ruhigen Fahrt erreichen wir das Waterberg-Plateau. Es ist im Besitz des namibischen Staates und ein Naturschutz-Reservat. Die steile Abbruchkante des Plateaus verhindert eine Abwanderung der Tiere. Die wenigen Zugänge sind durch Zäune gesichert, mehrere künstlich angelegte Wasserstellen werden durch Pumpen gespeist. Geschützt vor Wilderern überleben hier neben Giraffen inzwischen auch Rhinozerosse, die in anderen Bereichen längst schon ausgerottet sind.

Ein Landrover bringt uns über eine steile Zufahrt auf das Plateau. An einer Wasserstelle machen wir Frühstück. Kein Tier lässt sich blicken. Durch den Regen der vergangenen Tage sind sie nicht auf das Wasserloch angewiesen. Sch.... Regen!

Ganz enttäuscht werden wir nicht: Auf der Fahrt zurück sehen wir Giraffen, Warzenschweine, Antilopen und eine Puffotter.

Zurück in Okakahara nehmen wir an der Feier nach der konstituierenden Sitzung des neuen Stadtparlamentes, dem Town Council, teil. Auf dem Rückweg erleben wir unsere erste Reifenpanne, mitten in der Schlammpiste. Der Reifenwechsel wird zum Abenteuer, weil der Wagenheber langsam im Schlamm versinkt.

Freitag, 3. Dezember : Wir müssen um 4.30 Uhr aufstehen. In einer Schule in Okandira will ein Minister beim "Handing Over" dabei sein. Wir müssen pünktlich sein. Treffpunk ist ein sehr schön ausgestatteter Kindergarten im Ort. Lehrer, der Elternbeirat und auch Gemeindevertreter sind da, aber kein Minister. Nach einer Stunde mit feierlichen Reden und der symbolischen Übergabe von drei PCs haben wir es geschafft. Nun kann die eigentliche Arbeit beginnen. Wir fahren zur Schule. Überraschung! Die Schule verfügt bereits über ein PC-System. Allerdings kennt sich keiner der Lehrer damit aus. Wir bauen trotzdem auf zwei freien Tischen unsere zehn PCs auf und testen alles durch. Beim "Handover" hatten wir die Deutsch-Namibierin Barbara kennengelernt. Sie lud uns ein, auf ihrer Farm zu übernachten. Wir erreichen müde die Farm. Neben einem Tennisplatz befindet sich dort ein kleiner Pool, also rasch in die Badehose und hinein ins kühle Nass. Danach wird Kaffee im Haupthaus serviert. "Wollt ihr mit uns eine kleine Rundfahrt machen?", fragt Barbara. Natürlich wollen wir.

Ausgestattet mit einer Kühlbox voller kalter Getränke machen wir es uns auf der Ladefläche eines Pickups bequem. Der Weg führt uns über das 6000 Hektar große Farmgelände. Warzenschweine kreuzen unseren Weg, Kudu-Antilopen springen vor uns rudelweise elegant über die Zäune. Den Sundowner aus der Kühlbox erleben wir auf einem Hügel: Am Horizont einige Bergspitzen, ansonsten weites Buschland.

Sonnabend, 4. Dezember : Auf der Farm leben zwei zahme Geparde. Als kleine Babys nach einem Waldbrand verlassen aufgefunden, hatte Barbara sie mit der Flasche aufgezogen. Es ist ein besonderes Erlebnis, mitten im Gehege bei den Tieren zu stehen, sie zu kraulen und aus nächster Nähe bei der Fütterung zuzusehen. Barbara ist eine sehr aktive Frau. Sie unterstützt die Menschen in Okandira bei sozialen Projekten, in der Schule und hat den Kindergarten finanziert. Außerdem vermittelt sie Kinderpatenschaften. 250 Euro pro Jahr reichen für die Schulkosten. Eine Initiative, die Wirkung zeigt. Die geförderten Kinder heben sich deutlich von den Mitschülern durch die Lernergebnisse und den regelmäßigen Schulbesuch ab.

Am späteren Vormittag geht es zurück zur Schule, um das Netzwerk zu vollenden. Ein abschließendes Mittagessen, wir sind fertig. Wir verlassen Okandira in Richtung Windhoek - und in Richtung Norderstedt. Ende

Bernhard Luther vom "Charity Network" fasst die Erlebnisse des Namibia-Abenteuers zusammen : "Unsere ehrenamtliche Arbeit leistet einen kleinen Beitrag zur Hilfe zur Selbsthilfe für die Stämme der Buschmänner in Namibia. Denn die PCs kamen bei den Bevölkerungsschichten an, die sonst immer erst am Ende der Verteilungsreihe stehen.

Allerdings darf bei all unseren schönen Erlebnissen dieser Reise nicht vergessen werden, dass den Hauptteil der Vorarbeit an den PCs, die Hartz-IV-Empfänger und Ein-Euro-Jobber aus Norderstedt geleistet haben, die bei "Charity Network" beschäftigt sind und von der NOBIG betreut werden.

Die Helfer haben die 280 PCs so konfiguriert, programmiert und aufgerüstet, dass sie in Namibia installiert und zum Laufen gebracht werden konnten. Diesen Hauptakteuren gilt unser spezieller Dank."