Mit zwei historischen Fahrzeugen hat Sönke Wulff eine Sammlung von 50 Bestattungs-Modellautos

Wenn Niels Krüger in "seinen" Mercedes-Benz, Baujahr 1962, steigt, nimmt er Haltung an. Der Daimler des Typs 220 bW111 Heckflosse ist sein Dienstfahrzeug, doch für den gelernten Kfz-Mechaniker und heutigen Bestatter ist das zum Leichenwagen umgebaute Fahrzeug ein kleines Wunderwerk an Eleganz und Technik. "Das ist eine Rarität, denn es gibt keinen zweiten dieser Art in Deutschland", sagt der 46-Jährige und strahlt zufrieden.

Der Mercedes-Benz ist eines von zwei historischen Fahrzeugen des Bestattungsunternehmens Wulff & Sohn an der Segeberger Chaussee in Norderstedt. Jedenfalls in der Garage für "große" Fahrzeuge. In zwei Vitrinen stellt Firmeninhaber Sönke Wulff 50 Modellfahrzeuge aus - ein Spiegel der neueren Geschichte der Leichenwagen. Gesammelt von Niels Krüger, der seit zehn Jahren bei Wulff als Bestatter arbeitet.

"Er ist der Sachverständige für die Autos und weiß, woher er neue Modellautos erhält", sagt Sönke Wulff. Gern würde er sein zweites historisches, noch älteres Bestattungsfahrzeug einsetzen. "Dafür aber fehlen uns zwei Rappen", sagt Wulff. Bis die zwei PS gefunden sind, muss die 1860 gebaute Bestattungskutsche im dänischen Stil in der Remise bleiben. Prachtstück in der Modell-Sammlung ist eine preußische Leichenkutsche. "Die Pferde müssen mit dem Straßenverkehr vertraut sein, denn wir müssen auch durch Stadtverkehr zu den Bestattungen fahren, beispielsweise zum Ohlsdorfer Friedhof", sagt Sönke Wulff, der das Unternehmen in der dritten Generation leitet.

Niels Krüger poliert den Chrom am Mercedes-Benz. "Der letzte Weg der Verstorbenen sollte würdevoll sein", sagt Krüger. Daher würde er auch immer ein schwarzes Fahrzeug wählen. "Es gibt auch rote Bestattungsfahrzeuge, aber das sind spezielle Fälle", sagt der Sammler. Krüger erkennt auch, für welche Region ein Leichenwagen gebaut wurde. Die Hamburger Leichenwagen sind beispielsweise höher als die in Schleswig-Holstein, weil auch die Hamburger Särge höher sind und obendrauf noch ein üppiger Sargschmuck gelegt wird. Edel sind auch schwarze Leichenwagen mit silberfarbenem Chrom. Sagt Krüger. Und stellt vorsichtig einen der 50 Modellautos aus Wulffs Sammlervitrinen auf den Tisch. Ein bisschen sehen sie alle aus wie die Autos des Paten und seiner Mafiosi-Kumpane aus Chicago und New York.

Die "Blechliesel" beispielsweise, die "Tin Lizzy" Ford Modell T, auch "Dick und Doof"-Modell genannt. Oder der 300er-Mercedes Adenauer, der von 1957 bis 1961 gebaut wurde. Oder der Cadillac, Baujahr 1959. "Das ist der mit der höchsten Heckflosse", schwärmt Krüger. Und: "Jedes Auto ist Handarbeit, das macht sie für mich so faszinierend." Leichenwagen werden nach den Wünschen des Bestatters von Karosseriebauern auf herkömmliche Fahrgestelle, heute meistens von Mercedes, gebaut. "Jeder Bestatter stellt seine Fahrzeuge indiviuell zusammen", sagt Sönke Wulff. Das Grundfahrzeug muss groß genug sein, um den Sarg und mindestens zwei Personen zu transportieren. "Früher gab es zu jedem neuen Fahrzeug auch das Modellauto", sagt Krüger, "das ist auch der Fundus der Sammlung." Auch privat ist er stets auf der Suche nach Modellen von Bestattungsautos. Weitere 50 Modelle stehen bei ihm zu Hause. Dazu sammelt Krüger Fotos von Leichenwagen, Zeitungsartikel über Beerdigungen von Berühmtheiten, Leichenwagen-Bildbände, -Prospekte und -Literatur. Beim Bestattungsunternehmen Wulff hängt ein Foto von dem Wagen, mit dem Marlene Dietrich in Berlin beerdigt wurde.

Zuerst wurden die Verstorbenen mit schwarzen Kutschen zum Friedhof gefahren. Um 1910 wurden die ersten Leichenwagen motorisiert. Nach 1945 wurden auch Lkws zu Leichenwagen umfunktioniert.