Drei Mitarbeiter der Ausländerbehörde müssen dafür sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber das Land verlassen

Kreis Segeberg. Es geht um Geschichten wie diese: Walid reist von Afghanistan als Flüchtling nach Deutschland. Ohne Papiere kommt er in das Land der Verheißung und landet zunächst im Auffanglager Bielefeld. Er ist ein anonymer Verwaltungsvorgang, eine Nummer die nach einem bestimmten Verteilerschlüssel von Bielefeld nach Neumünster gelangt, wo er aber auch nicht lange bleiben kann. Denn Walid ist ein schwieriger Fall für die Behörden: Weil er keine Ausweis- oder sonstigen Papiere besitzt, ist klar, dass er länger als sechs Monate in Deutschland bleiben wird. Sein Asylantrag wird von der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Neumünster abgelehnt, aber ausreisen - egal, ob freiwillig oder unfreiwillig - kann er nicht, weil die Papiere fehlen.

Walid wird in den Kreis Segeberg verfrachtet und findet sich in der Sammelunterkunft in Schackendorf bei Bad Segeberg wieder - mit Sicherheit nicht der Aufenthaltsort, den sich der junge Afghane vor der Ausreise aus seinem Heimatland gewünscht hatte.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nur 1,6 Prozent aller 28 816 Asylanträge positiv beschieden. Diese Personen dürfen bleiben. 26,6 Prozent bleiben unter Flüchtlingsschutz, aber 29,4 Prozent aller Anträge werden abgelehnt.

Nur 1,6 Prozent der Asylbewerber dürfen in Deutschland bleiben

Dann beginnt die Arbeit der Ausländerbehörde des Kreises Segeberg. Die Mitarbeiter müssen dafür sorgen, dass die abgelehnten Asylbewerber tatsächlich das Land verlassen. Im Falle des jungen Afghanen Walid müssen sie den Kampf mit den Behörden seines Heimatlandes aufnehmen, um ihm Legitimationspapiere zu besorgen. Das ist eine Arbeit, die im Verborgenen geschieht; denn in den Fokus der Öffentlichkeit geraten vor allem die Einzelschicksale jener Asylbewerber, die immer wieder die Menschen berühren, weil sie von den Medien nicht selten in großer Aufmachung behandelt werden.

96 Prozent der abgelehnten Bewerber gehen rechtlich dagegen vor

Für die drei Mitarbeiter, die sich in der Ausländerbehörde mit Asylangelegenheiten befassen, beginnt jetzt der Marsch durch die Institutionen und Instanzen - und der kann sehr oft dornig sein. In Extremfällen dauert es bis zu zehn Jahren, bevor ein nicht anerkannter Asylbewerber tatsächlich das Land verlässt.

Die Aktenlage ist in der Regel eindeutig, aber glatt und einfach verläuft kaum ein Verfahren: 96 Prozent der abgelehnten Bewerber gehen rechtlich gegen die Ausreise- oder Abschiebeverfügung vor. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde wissen fast immer, was auf sie zukommt. Ziel ist, die betroffenen Personen zur freiwilligen Ausreise zu bewegen. "Schon während des ersten Gesprächs erkennen wir, ob es ein schwieriges Verfahren wird oder nicht", sagt einer der Mitarbeiter, der aber weder seinen Namen in der Öffentlichkeit genannt haben will, noch sich fotografieren lassen möchte. Denn dieser Behördenjob ist einer der gefährlichsten: Die Angst vor nächtlichen Anrufen, vor Androhungen oder sonstigen Repressalien spielt bei dieser Tätigkeit eine große Rolle. "Die Wut der Betroffenen richtet sich gegen unsere Mitarbeiter", sagt Rolf Meenen, Leiter der Ausländerbehörde des Kreises Segeberg. "Dabei sind wir nur das ausführende Organ, die Entscheidungen trifft das Bundesamt."

Asylbewerber, deren Antrag für eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland vom Bundesamt in Neumünster abgelehnt werden, erhalten eine Ausreiseaufforderung. Ist das Herkunftsland bekannt, wird eine Abschiebeandrohung herausgeschickt. So einfach aber ist es in der Regel nicht: Fast alle abgelehnten Asylbewerber haben einen Rechtsbeistand an ihrer Seite.

Dann beginnt die juristische Feinarbeit, an deren Ende auch die Verfügung einer Abschiebung stehen kann. In diesem Jahr verfügte die Segeberger Ausländerbehörde in zwei Fällen eine Abschiebehaft, weil keine rechtlichen Hindernisse mehr vorhanden waren. Sechs Personen wurden bisher abgeschoben, von denen vier mit der Behörde kooperierten.

Die Einweisung in die Abschiebehaft und die dortige Unterbringung sind teuer: Es entstehen dabei Kosten bis zu 35 000 Euro, in Einzelfällen auch mehr. Zum Beispiel in diesem Fall: Ein renitenter Afrikaner konnte nicht mit einer normalen Linienmaschine in sein Herkunftsland geflogen werden, weil die Fluggesellschaft sich Sorgen um die Gesundheit der übrigen Passagiere machte. Also musste eine Maschine gechartert werden, in der nur ein Passagier saß - der ausgewiesene Afrikaner. Das Land und der Kreis teilen sich die Kosten.

Einen Ermessensspielraum hat die Segeberger Ausländerbehörde nicht: Sie muss handeln - egal, wie schwierig und langwierig es in Einzelfällen auch werden kann. Auch immer wieder vorkommende Protestaktionen von Bevölkerungskreisen, die für den Aufenthalt von Ausländern kämpfen, dürfen die Segeberger Behördenmitarbeiter nicht beeinflussen, weil sämtliche Aufenthaltsentscheidungen vom Bundesamt in Neumünster getroffen werden. Behördenchef Rolf Meenen: "Uns sind in jeder Hinsicht die Hände gebunden." Trotzdem entlädt sich der Zorn natürlich gegen die Ausländerbehörde. "Wir bemühen uns immer, alle Fälle sozial und menschenverträglich zu regeln."

Das größte Hindernis bei den anstehenden Abschiebeverfahren aber sind die nicht geklärten Identitäten. Bis zu Klärung werden die betreffenden Ausländer in Deutschland "geduldet" - sie dürfen hier bleiben, können den Kreis Segeberg oder das Land Schleswig-Holstein aber nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde verlassen. Arbeiten dürfen die geduldeten Asylbewerber, wenn sie die Ausreisehindernisse selbst nicht zu vertreten haben. Dann haben sie auch die Chance, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Die Bundesregierung ist allerdings bestrebt, die Residenzpflicht für Asylbewerber und Geduldete zu lockern. Sie sollen sich in Deutschland künftiger etwas freier bewegen können. Das Bundeskabinett hat einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Künftig können diese Ausländer anderswo arbeiten, studieren oder zur Schule gehen. Nach Angaben der Gesellschaft Pro Asyl können sich momentan mehr als 150 000 Menschen in Deutschland nicht frei bewegen.

Behördenchef Meenen geht davon aus, dass in den nächsten Monaten verstärkt Arbeit auf die Ausländerbehörde zukommen wird: Die Zahl der Asylbewerber steigt an. Bundesweit wuchs sie im September im Vergleich zum Vormonat um 73,9 Prozent. Die meisten Asylbewerber kommen derzeit aus Serbien. Schon seit 2006 wird eine steigende Zahl von Asylbewerbern registriert. Sie werden nach einem bestimmten Schlüssel ("Königssteiner Schlüssel") verteilt: Nach Schleswig-Holstein kommen rund 3,3 Prozent der Asylbewerber. Im vergangenen Jahr wurden dem Kreis Segeberg 92 Asylbewerber zugewiesen (8,9 Prozent auf Landesebene) - Tendenz steigend. Weil es in der Schackendorfer Zentralunterkunft langsam zu eng wird, wurden die Kommunen im Kreis Segeberg vorgewarnt. Sie müssen mit vermehrten Zuweisungen rechnen.

Aber auch in der Ausländerbehörde wird es langsam "eng": Zwei Angestellte und der Behördenchef reichen schon jetzt kaum aus, um die anfallenden Arbeiten zu erledigen. "Wir fühlen uns unterbesetzt", sagt Rolf Meenen.