Der 44-Jährige aus Kayhude arbeitet als Strafvollzugsbeamter in der Justizvollzugsanstalt Glasmoor. Er nimmt uns mit auf seinen Rundgang.

Norderstedt. Die hellblauen Augen des glatzköpfigen Gefangenen starren voller Hass aus einem der Computerräume der Justizvollzugsanstalt Glasmoor heraus. Sie fokussieren Lars Bergen, der so überraschend die schwere Eisentür geöffnet hat. Den Zorn des ungebetenen Gastes ziehen aber zwei freundlich lächelnde Südländer auf sich, die zu zweit nur einen Meter weiter am anderen der beiden veralteten Computer sitzen. Schnell beteuern sie, ordnungsgemäß angemeldet zu sein, und der Stationsbeamte Bergen schließt nachsichtig die Tür, an der immer noch der feindselige Blick des Häftlings klebt.

Türen aus dickem Eisen gibt es viele im Gefängnis am Norderstedter Stadtrand, geschlossen werden sie aber meist von den Gefangenen und nur von innen. Wer fliehen möchte, marschiert einfach durch das hohe halbrunde Tor aus weißem Holz, das vom grünen Innenhof in die Freiheit führt.

Offen nennt sich diese Form des Vollzugs, Lars Bergen, der ehemalige Werkzeugmacher, hat sie sich gewissermaßen ausgesucht. Dabei war die Arbeit im Gefängnis nie vorgesehen. Nach der Pleite seines Arbeitgebers in Wedel schulte er mit 35 Jahren noch einmal um. Als der 44-Jährige dann die zweijährige Ausbildung zum Strafvollzugsbeamten absolviert hatte, konnte er selbst entscheiden, wo er künftig seinen Dienst verrichten möchte.

Nach Glasmoor kommt nur, wer für die sogenannte Lockerung geeignet ist

"Hier ist der Umgang mit den Gefangenen ein ganz anderer", sagt er, "Sie alle haben etwas zu verlieren. Keiner möchte zurück in den geschlossenen Vollzug. Für die ist das hier das Paradies." Nach Glasmoor kommt deswegen nur, wer für die sogenannte Lockerung geeignet ist. Ein Großteil der Gefangenen darf die Anstalt zum Arbeiten verlassen, 106 sind es heute, manche von ihnen kommen nur noch zum Schlafen zurück in das etwas andere Gefängnis, in dem es Werkhalle, Fitnessraum und sogar einen Fußballplatz gibt.

Aber auch wenn es eher idyllisch zugeht und die Anlage eher wie eine Jugendherberge anmutet, "wird hier dennoch jeder und alles kontrolliert", sagt Bergen, "Sonst hätten wir ja auch nicht so viel Papierkram.

+++Das Mustergefängnis+++

Zum Alltag gehört neben dem Papierkram auch die Lebendkontrolle. Jeden Morgen werden hier um 6 Uhr in der früh, am Wochenende um 7 Uhr, alle Gefangenen geweckt und durchgezählt. Dem Kayhuder bleibt das Morgenritual heute erspart, er hat Spätschicht im "Haus Zwei".

Als Stationsbeamter ist er erster Ansprechpartner für die Nöte und Sorgen der Gefangenen. Der Resozialisierungscharakter steht auch hier vor dem Sicherheitsgedanken; Bergen ist um eine professionelle und neutrale Atmosphäre bemüht. "Die Häftlinge sollen Respekt vor mir haben, keine Angst", sagt er während einer seiner Rundgänge durch die Station.

Die kleinen Dinge bestimmen den Arbeitsalltag von Lars Bergen

Plötzlich stoppt er, verweilt länger in einem kargen, leeren Zimmer mit zwei Betten. Die Insassen arbeiten außerhalb der Station, die Muster der Bettwäsche zeigen bunte Blumen, am Kopfende eines der Betten steht ein kleiner schwarzer Flachbildfernseher. Den Ärger des Stationsbeamten erregt die Heizung. Bei geöffnetem Fenster läuft sie auf Hochtouren. Konsequent dreht er den Regler auf die Nullstellung. Die Häftlinge werden es kühl haben, wenn sie abends in ihren Raum zurückkehren. "So merken sie eher, was falsch war, als wenn ich nur das Fenster schließe", kommentiert Bergen seine erzieherische Maßnahme. Die kleinen Dinge bestimmen den Arbeitsalltag des 44-Jährigen.

Mittlerweile ist es beinahe 14.30 Uhr, Zeit, routinemäßig zwei Hafträume zu durchsuchen, revidieren, wie der stämmige Beamte sagt. Rund eine halbe Stunde braucht er für einen Raum, gesucht wird nach verbotenen Gegenständen wie Waffen. Akribisch inspiziert er jeden Winkel, öffnet jedes Gefäß, kriecht auf dem Boden herum, sieht unter dem Bett nach. Im Kaffeepulver, in der Chips-Tüte könnte etwas versteckt sein, auch die Toilette wird vorsichtshalber gespült.

"Ordnung auf der Station muss sein", sagt der 44-Jährige

Heute findet er nichts, etwas zu meckern hat Lars Bergen trotzdem: "Also für meinen persönlichen Geschmack könnte die Stube ein wenig aufgeräumter sein. Aber es ist schon noch im Rahmen." Ordnung muss sein auf der Station, sie zu bewahren, ist eine seiner Hauptaufgaben. Gefährliche Situationen, wie sie im geschlossenen Vollzug häufiger vorkommen, hat er noch nicht erlebt. Weder er noch einer seiner Kollegen wurde von einem Gefangenen angegriffen.

Nur zwischen den Insassen selbst muss so manches Mal geschlichtet werden. "Natürlich gibt es auch hier eine gewissen Hierarchie. Grundsätzlich ist im Knast der mit dem dicksten Oberarm der Boss. Wenn ich aber mitbekomme, wie jemand seine Mithäftlinge aktiv unterdrückt, muss ich einschreiten. Das hat Konsequenzen", sagt er, "und verarschen lass ich mich schon gar nicht."

+++Weniger Gefangene in Hamburgs Haftanstalten+++

Nervös wirkt Lars Bergen nicht mehr im Umgang mit den Häftlingen, ob nun Mörder oder Verkehrssünder interessiert ihn nicht. Nur im letzten Sommer, da ging es hoch her in Glasmoor. Ein wegen schwerer Körperverletzung Verurteilter sollte vom offenen in den geschlossenen Vollzug verlegt werden, wartete in der Arrestzelle auf seine Verlegung. Ein Komplize schnitt ihn von außen durch die Stahlmatte, die das Fenster sicherte, los - ihm gelang die Flucht. "Ich sah ihn nur noch laufen", sagt Bergen, als er an seinen Schreibtisch in "Haus Zwei" zurückkehrt, "Aber wir haben gelernt." Der Arrestraum hat jetzt ein dickes Stahlgitter vor dem Fenster, das nur noch in den Innenhof führt. "Am Ende kriegen wir sie eh alle", ist Lars Bergen überzeugt.

Sein Hauptaugenmerk liegt trotz des unangenehmen Vorfalls nicht auf der Sicherheit: "Wir bieten allen Gefangenen hier die Chance, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Unser aller Traum ist es, dass jemand hier voll resozialisiert rausgeht, die Miete bezahlen kann, und das, ohne eine Straftat zu begehen." Dafür wird Lars Bergen auch in Zukunft weiter arbeiten. Vor allem an den kleinen Dingen.