Das KIT aus Norderstedt braucht dringend Verstärkung. Es hat über 250.000 ehrenamtliche Stunden in 14 Jahren geleistet.

Norderstedt. Sie sind so etwas wie die schnelle Einsatztruppe für das Seelenheil von Menschen in Ausnahmesituationen: KIT, das Kriseninterventionsteam in der Stadt Norderstedt. Die ehrenamtliche und von Spenden getragene Gruppe sucht dringend neue Teammitglieder. "Wir sind zwölf Einsatzkräfte. Und teilen uns 365 Tage im Jahr die Bereitschaft. Das geht an die Substanz", sagt Gunnar Urbach, ehemaliger Pastor der Falkenbergkirche und einer der Gründungsmitglieder des KIT.

Denn die Arbeit, die die ehrenamtlichen Helfer leisten, ist außergewöhnlich und nicht selten psychisch belastend. Sie leisten Beistand für Menschen, deren bisheriges Leben gerade zusammen gebrochen ist. Die einen Angehörigen durch einen Unfall verloren haben, durch einen plötzlichen und unerwarteten Tod, ein Verbrechen oder Selbstmord. Es sind Menschen, die gerade ein Kind verloren haben, die mit ansehen mussten, wie die Wiederbelebungsversuche beim Ehemann scheiterten oder die die schlimmen Bilder eines Autounfalls nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

+++ Der Pastor +++

Das KIT drängt sich nicht auf. Es kommt nur, wenn Bedürftige es anfordern. "Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Menschen immer geringere Bindung zur Familie, zu Nachbarn oder Freunden haben. Oder die Angehörigen leben in aller Welt verteilt. Wir schließen die Lücke, sind sofort da, wenn jemand nicht alleine sein möchte", sagt Gunnar Urbach. Alarmiert wird das KIT über die Rettungsleitstelle Norderstedt. Zwei Einsatzkräfte des KIT sind immer in Bereitschaft, wobei ein Helfer nur zum Einsatz kommt, wenn der erste ausfällt. Innerhalb von 20 Minuten ist das KIT an jedem Ort im Norderstedter Stadtgebiet. Entstanden ist das KIT vor 14 Jahren, weil die Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten einen Ansprechpartner brauchten, wenn sie mit den psychischen Belastungen eines Einsatzes nicht fertig wurden. "Früher wurde gesagt: Das wird schon, Junge. Setz dich mal hin und trink ein Bier", sagt Norderstedts Gemeindewehrführer Joachim Seyferth. Die Sensibilität im Umgang mit psychischen Belastungen sei spätestens seit dem ICE-Unglück von Eschede 1998 gestiegen. "Heute macht keiner mehr den harten Mann. Heute darf man zu seinen Problemen stehen", sagt Seyferth.

In den 14 Jahren, so rechnet Gunnar Urbach vor, hat das KIT 250 000 Stunden ehrenamtlich Bereitschaft geleistet. "Das verdient einen Sonderapplaus", sagt Urbach. 2011 wurden die Seelen-Retter 18-mal zu Einsätzen gerufen. Achtmal leisteten sie den Hinterbliebenen Beistand nach dem Erleben einer erfolglosen Wiederbelebung, zweimal nach Selbstmorden. Sechsmal überbrachten die KIT-Helfer Todesnachrichten, je einmal unterstützen sie Menschen, deren Häuser evakuiert wurden oder die sich in besonders schwerer seelischer Notlage befanden.

+++ Die Ärztin +++

Der weitaus größte Teil der Leistung eines KIT-Helfers aber ist das Warten. "Das muss man schon aushalten können", sagt Urbach. Bis zu sechs Kalendertage im Monat bekommt ein Ehrenamtlicher das Bereitschafts-Mobiltelefon des KIT. Und nicht selten klingelt es in dieser Zeit nicht ein einziges Mal. Der Helfer darf in der Bereitschaftszeit aber trotzdem nicht die Stadt verlassen. Er darf nicht in Räume gehen, in denen er keinen Handy-Empfang hat - also nicht ins Kino, die Oper, das Theater oder selbst in den Keller des eigenen Hauses. Er muss Verabredungen außerhalb der Stadt ablehnen und Ausflüge mit der Familie. "Wenn dann nie ein Einsatz kommt, fragen Angehörige dann schon, was das denn soll", sagt Urbach.

Es wird also viel verlangt von jedem, der beim KIT mitmachen möchte. Schon im vergangenen Jahr hat das Team versucht, einen Lehrgang für potenzielle Neumitglieder auf die Beine zu stellen. Mangels Interesse musste der Kursus ausfallen. 2012 blickt Gunnar Urbach mit Zuversicht entgegen. "Wir haben schon zwei feste Zusagen von Freiwilligen", sagt er. Optimal wäre es, wenn das KIT insgesamt auf 18 Mitglieder käme. Am 4. Februar startet die Grundausbildung für die Helfer. An drei Wochenenden erlernen die Freiwilligen alles, was sie für ihren Einsatz brauchen. Neben der Bereitschaft, monatlich sechs Tage Bereitschaft zu leisten, ist es wichtig, eine gewisse Lebenserfahrung mitzubringen. Ein Helfer muss mit dem Tod umgehen, er muss sich einlassen auf verzweifelte Menschen, muss wahlweise zuhören oder schweigen. Und manchmal auch das blutbeschmierte Bad gemeinsam mit einem Hinterbliebenen putzen.

+++ Der Rettungstaucher +++

"Wir können keine Menschen gebrauchen, die dem ,Blaulicht-Fieber' verfallen sind", sagt Urbach. Sensationsgier ist eine Eigenschaft, die jedem KIT-Helfer fremd sein muss. Die "Erste Hilfe für die Seele" ist eine stille Dienstleistung, über die man hinterher nichts beim Bäcker erzählen darf.

Informationen und Anmeldung zum Grundkursus bei Gunnar Urbach, Telefon 0172/651 51 11 oder unter kit-norderstedt@gmx.de per E-Mail.