Hunderte sammelwütige Fußballfans kamen zur Tausch-Börse der Norderstedter Zeitung für Panini-WM-Bilder.

Norderstedt. Wie Aale-Dieter übern Fischmarkt bahnt sich Bertram Stevens aus Langenhorn am Sonnabend seinen Weg durch die Menge vor dem Herold Center. "Die 46 bidde! Wer hat die 46, hier? Leude, alle ma' herhören: Die 46, bidde!", kräht Stevens marktschreierisch. Passanten, die über die Fußgängerbrücke über den Köpfen der Menge vom Parkhaus in das Einkaufszentrum strömen, schauen irritiert nach unten. Sie können sich keinen Reim auf das hektische Treiben dort unten machen. Die Antwort auf ihre Fragen ist einfach und ein klein wenig verrückt: Bertram Stevens und die geschätzten 300 anderen Menschen hier folgten dem Aufruf der Norderstedter Zeitung, die zur Tausch-Börse für die Klebebildchen des Panini-WM-Sammelalbums aufgerufen hatte.

Ehrlich gesagt: Die Redaktion hatte die Sache unterschätzt. Mit einem kleinen, aber feinen Aufkommen hatten Redaktionsleiter Frank Schulze und Redakteur Andreas Burgmayer gerechnet. Doch kaum hatten sie gegen 10.30 Uhr am Sonnabend die Stehtische aufgeklappt, da standen schon die ersten Sammelwütigen mit ihren Doppelten daran. Bis 13 Uhr riss der Strom der Panini-Enthusiasten nicht ab.

Bertram Stevens etwa, Abendblatt-Abonnent aus Langenhorn, war fast von Anfang bis Ende dabei. In seinem Besitz befanden sich die Doppelten von mehreren Freunden, und so versuchte er nicht nur, das Album seines Sohnes und seiner Tochter, sondern auch das der Freunde voll zu kriegen. Und am Ende hing zumindest ein Album eben an der 46: Benni McCarthy von "Bafana Bafana", den Südafrikanern. Selbstredend kam aus dem Pulk der Tauschenden irgendwann die Meldung: "46! Hab ich! Komm rüber!"

Das Sammeln der Klebebildchen stiftet Gemeinschaft für Fußballbegeisterte. Familien sammeln im Verbund, wobei die Eltern meistens mit mehr Verve bei der Sache sind als ihre Kinder. Aber auch Paare, ganze Cliquen und viele Singles waren am Sonnabend dabei. Ganz gleich ob Schüler, Geschäftsführer oder Hausfrau, jeder duzte hier jeden.

Die Altersstruktur reichte von 7 bis 70. Das Sammeln ist also alles andere als ein reines Kinderspiel. Seniorin Karin König (70) etwa hatte von ihrer Schwester in Henstedt-Rhen den Tipp für die Tausch-Börse der NZ bekommen. Die Seniorin stürzte sich mit ihrem Zigarrenkästchen voller Doppelter ins Gewühl. Und beim Abgleichen der Listen gab sie zum Besten, wie sie als 14-Jährige die WM 1954 erlebte. "Mein Vater war Fernsehtechniker", sagte König. Sie saß also an der Quelle der damals noch wenig verbreiteten Fernsehgeräte.

Für Redakteur Andreas Burgmayer hatte die Seniorin den lange gesuchten FIFA-Fairplay-Sticker und damit eines von knapp über 50 Bildchen, die ihm noch fehlten. Verzweifelt gefahndet hatte Burgmayer ja auch nach der Nummer 169, dem griechischen Abwehrspieler Christos Patsatzoglou (wir berichteten). Auch der tauchte irgendwann während der zweistündigen Börse aus den Stapeln der Doppelten der Abendblatt-Leser auf.

Mit einem Blick auf seine komplett ausgestrichene Liste der Fehlenden konnte Andreas Burgmayer schließlich glücklich verkünden: "Leute, ich bin voll!" und sich so das anerkennende Zujubeln der Umstehenden sichern. Christian Emmel (15) aus Norderstedt hatte ihm das letzte gesuchte Bildchen mit der 623, den chilenischen Spieler Gary Medel, beschert. Und ihn damit auch in eine kleine Sinnkrise gestürzt. Denn nun stellt sich die Frage: Was macht man eigentlich, wenn das Album voll ist?

Gemeinsam mit Frau und Tochter machte sich der Redakteur am Abend daran, die letzten 50 Bildchen in das Album zu kleben. Als er auf die Seite der Slowakei angekommen war, kam er ins Grübeln: Wo war Robert Vittek, die Nummer 482? Und ein paar Seiten weiter, bei der Mannschaft der Elfenbeinküste wiederholte sich sein Schicksal: Wo war Gervinho, mit vollem Namen Gervas Yao Kouassi, die Nummer 539? Im Eifer des Tauschens hat der Redakteur die Übersicht verloren.