Expeditionsleiter berichtet nach Grönland-Reise von dramatischen Wandel: Wasserwege, auf denen sich einst Packeis türmte, waren frei.

Bad Bramstedt/Hamburg. Seit Jahrzehnten erkundet Arved Fuchs (56) aus Bad Bramstedt regelmäßig die Arktis, doch diesmal war fast alles anders: Wasserwege, auf denen sich einst das Packeis türmte, waren frei. Ein paar 100 Kilometer weiter versperrte abgebrochenes Eis der Polarkappen weite Bereiche, auf denen das Expeditionsschiff Dagmar Aaen im Sommer bislang immer freie Fahrt hatte. Der Klimawandel verändere die Region deutlich schneller als vor wenigen Jahren vom Weltklimarat vorhergesagt, berichtet Fuchs. "Ich konnte viele Erfahrungen über Bord werfen."

Fuchs zog gestern in Hamburg eine erste Bilanz seiner Expedition Nordpoldämmerung 2009, die im Juni begonnen hatte und die Besatzung in die polaren Gewässer zwischen der Westküste Grönlands und Kanada geführt hatte. Einheimische berichteten den Expeditionsteilnehmern, dass das Eis im Winter zwei Monate später komme und im Frühjahr zwei Monate früher verschwinde als noch vor wenigen Jahren. "Die Polarregion ist das Frühwarnsystem der Erde", mahnte Fuchs. "Man täte gut daran, die Entwicklungen dort ernst zu nehmen."

Gleich bei der ersten Station auf kanadischer Seite erlebten die Männer und Frauen auf der Dagmar Aaen, wie stark die Erderwärmung die Polarregion verändert. Einheimische bezeichnen ihr Dorf am Grise Fjord als "Ort, der niemals auftaut", doch diesmal waren die Küstengewässer komplett eisfrei. Noch in den 90er-Jahren sei das Packeis nahezu unüberwindlich gewesen, sagt Fuchs. "Ich hätte nie gedacht, mit einem Segelschiff dorthin zu kommen."

Beim Besuch im grönländischen Siorapaluk, der nördlichsten Siedlung der Erde, führten Fuchs und seine Besatzung Interviews mit vielen der 70 Einwohner. Fuchs: "Wir wollen ihren Erfahrungsschatz dokumentieren." Noch im Jahr 2000 hätten viele Bewohner bei dem Wort "Klimawandel" gelächelt. "Heute lächelt kein Mensch mehr." Der Rückgang des Eises habe dazu geführt, dass die Jäger nicht mehr mit ihren Hundeschlitten über das zugefrorene Meer am Smith Sound fahren können. Viele Schlitten sind auf brüchigem Eis eingebrochen. Die Menschen könnten ihren Fjord kaum noch verlassen, sagt der Bramstedter. Zwar komme das Eis im Winter zurück, doch es sei nicht so stabil wie das mehrere Jahre alte Eis, das immer mehr verloren gehe.

Vor einem anderen Problem stand die Crew des Expeditionsschiffs am nördlichsten Punkt der Reise in der Meerenge vor Pim Island: Eis blockierte den Weg, der bislang im Sommer stets frei gewesen war. Vor den Inseln stauten sich gewaltige Bruchstücke, die wegen der Wärme von der Polarkappe abgebrochen waren und nach Süden trieben. Auch die Gletscher verändern sich schnell. Sie ziehen sich nicht wie in den Alpen zurück, sondern haben ihre Fließgeschwindigkeit verdoppelt, berichtet Fuchs. Damit gehe immer mehr Festlandeis verloren.

Klimawissenschaftler des Hamburger Max-Planck-Instituts werden im kommenden Winter Wetterdaten auf der Dagmar Aaen sammeln, die mit drei Mann Besatzung in der Nähe eines grönländischen Dorfes im Eis überwintern wird. Das Schiff dient den Experten als Basislager. Auch Fuchs wird einen Teil des Winters auf der Dagmar Aaen verbringen.

Fuchs kündigte außerdem an, im kommenden Jahr das internationale Jugendprojekt Ice-Climate-Education (I.C.E.) fortzusetzen. Auf dem Weg von Hamburg in die Arktis hatte die Besatzung der Dagmar Aaen Ende Juni einen Zwischenstopp in Husavik auf Island einlegt und Jugendliche aus aller Welt beim dritten I.C.E.-Camp besucht, das von Fuchs und mehreren Sponsoren finanziert wird. Eine Woche lang beschäftigten sich die Teilnehmer bei Referaten und Untersuchungen mit dem Klimawandel.