Die Schlecker-Filialen im Kreis werden geschlossen. Die Angestellten erfahren von ihrem Aus tatsächlich nur durch eine Pressemitteilung.

Norderstedt. Nervös nestelt eine Mitarbeiterin der einzig verbliebenen Schlecker-Filiale in Norderstedt an ihrem Handy. Wenn gerade keine Kunden schauen, sucht sie im Internet unauffällig nach neuen Informationen über ihre berufliche Zukunft. Die Panik steht ihr ins Gesicht geschrieben. Am schlimmsten sei die Angst nachts, wenn sie zu Ruhe komme, sagt die Verkäuferin. Sie spricht leise, ihren Namen möchte die Norderstedterin in der Zeitung nicht lesen - zu groß ist ihre Furcht vor negativen Konsequenzen seitens der Geschäftsführung oder für die anstehenden Bewerbungen.

Vergangenem Freitag spuckte das Faxgerät die Pressemitteilung von der endgültigen Zerschlagung des Konzerns aus; seitdem herrscht Endzeitstimmung im Schlecker-Markt an der Mittelstraße.

Neuerdings kommen wieder mehr Kunden, sie alle warten aber nur auf eines: den großen Ausverkauf. Noch sind die schäbig-weißen Regale in den in kaltes Licht getauchten Gängen zwar prall gefüllt. Gestern aber kam der Anruf der Geschäftsleitung, Nachschub wird es nicht mehr geben. Ende Juni sollen die letzten Märkte dichtgemacht werden, insgesamt stehen dann bundesweit 13 200 Mitarbeiterinnen auf der Straße.

Die Ungewissheit über die persönliche Zukunft und die Wut über Schleckers schlechte Informationspolitik prägen derzeit die Gefühlslage der Mitarbeiterinnen. Mit ihnen wurde nicht gesprochen, abgesehen von der offiziellen Pressemitteilung bekommen sie von der Geschäftsleitung keinerlei Informationen. Das Schicksal von Schlecker und damit auch ihr eigenes müssen sie gezwungenermaßen in den Medien verfolgen.

Nicht einmal, wann der große Ausverkauf startet, wissen die Frauen in Norderstedt. Besonders bitter ist für sie, dass die Kunden oftmals gar mehr zu wissen scheinen als die Belegschaft: Seit heute geistert das Gerücht von einem Start des massiven Ausverkaufs am kommenden Freitag in der Filiale umher und lockt schon in diesen Tagen viele Schnäppchenjäger an. "Wir würden schon gerne wissen, wie es weitergeht", sagt die Mitarbeiterin, "es kann ja nicht sein, dass die Kunden hier mehr wissen als die Filialleiterin. Das ist einfach enttäuschend".

Seit 13 Jahren arbeitet die Norderstedterin in verschiedenen Filialen für Schlecker. Die Hoffnung auf eine Weiterbeschäftigung hatte sie immer im Hinterkopf. Von der ersten Schließungswelle im März war ihre Filiale schließlich noch verschont geblieben. Dass jetzt auch die letzten Schlecker-Märkte vor dem Aus stehen und sie vermutlich am Ende dieses Monats arbeitslos ist, geht ihr nahe. Seit Januar schon leidet die Angestellte unter Schlafstörungen und bedient trotz allem ihre Kunden jeden Tag von 8 bis 19 Uhr mit gewohnter Freundlichkeit.

Wenn im Juli dann der Gang zum Arbeitsamt ansteht, will die Verkäuferin nicht verzweifeln, obwohl zu Hause ein Kind zu versorgen ist: "Der Arbeitsmarkt in der Region ist nicht tot. Es sollte schon möglich sein, eine neue Stelle zu finden."

Frank Schischewsky vom Landesbezirk Nord der Gewerkschaft Ver.di ist da weniger optimistisch. Die Erfahrungen aus den bereits erfolgten Schließungen von rund 2200 Geschäftsstellen zeigen, dass die Aussichten der Gekündigten auf eine neue Anstellung eher gering sind. "Die Betroffenen werden wohl erst einmal auf der Straße stehen", so Schischewsky. Umgehende Hilfe kann er nicht anbieten. "Wir werden mit der künftigen Landesregierung in Kiel sprechen und unser Möglichstes tun." Abschreckend auf neue Arbeitgeber könnte das vergleichsweise hohe Gehalt, das Schlecker den Verkäuferinnen zahlt, wirken. "Die Mitarbeiterinnen sind ihr Geld aber wert", sagt Andreas Wegner von der Agentur für Arbeit, "sie verfügen über ein breites Qualifikationsprofil".

Auch für die Kunden ist die schwierige Situation der Mitarbeiter ein Thema. "Ich finde es unmöglich, wie mit den Mitarbeitern hier umgegangen wird", sagt Katrin Bork aus Norderstedt. Sie kauft in der Glashütter Filiale regelmäßig ein und ist in diesen Tagen wie so viele auf der Suche nach zusätzlichen Preisnachlässen. In Zukunft wird sie wohl auf den Schmuggelstieg ausweichen.

Ganz so einfach wird es für die drei Mitarbeiterinnen der Filiale an der Mittelstraße wohl nicht werden. Sie warten in diesen Tagen nur noch auf die Kündigung im Briefkasten. Zumindest dann werden sie wohl persönlich benachrichtigt werden und von ihrer neuen Zukunft ohne Schlecker nicht nur aus der Presse erfahren.