Die Nord-Ostsee-Bahn muss wegen des erneuten Lokführerstreiks jeden zweiten Zug streichen. Berufspendler trifft es besonders hart.

Kiel/Sylt. Für Sylt ist es ein großes Ärgernis, für die Nord-Ostsee-Bahn bedeutet es Einnahmeausfälle, für die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist es eine Notwendigkeit: der erneute Streik der Lokführer im Norden, von dem vor allen Dingen die Strecke Hamburg -Westerland betroffen ist. Seit Mittwochmorgen um 3 Uhr bestreiken die Lokführer Züge der NOB. Aufgerufen dazu hatte die GDL. Wie lange der Arbeitskampf dauern soll, darüber schwieg sie sich aus. Auch am Donnerstag gab es über die Dauer des neuerlichen Streiks noch keine Klarheit.

Die Nahverkehrszüge der NOB, die unter anderem die Städte Kiel, Eckernförde und Husum ansteuern, sind neben dem Autoreisezug der Deutschen Bahn der wichtigste Zubringer zur Nordseeinsel Sylt. Ausgerechnet während der Hauptferienzeit fallen nun 50 Prozent der NOB-Züge aus. Seit gestern starten die Züge anstatt jede Stunde nur noch im Zwei-Stunden-Rhythmus vom Bahnhof Altona. Ein Chaos blieb zwar aus; für die vielen Berufspendler, die jeden Tag nach Sylt fahren müssen und auf die Bahn angewiesen sind, sind aber viele Unannehmlichkeiten die Folge. "Der Hindenburgdamm ist unser Nadelöhr, da sind wir besonders verletzlich", sagt NOB-Sprecherin Christiane Lage. Auf dieser Strecke sei es nicht möglich, einen Schienenersatzverkehr einzurichten. Aus diesem Grund hatte das Unternehmen, das zum französischen Großkonzern Veolia Environnement gehört, von der GDL eine Notdienstvereinbarung gefordert, diese wurde jedoch abgelehnt, ebenso das Schlichtungsangebot.

Der Streik bei der Bahn ist für die Inselbewohner ein großes Ärgernis. 99 Prozent der Versorgung laufen über den Hindenburgdamm. Alle Güter sowie die 3000 bis 5000 Pendler täglich können nur per Bahn auf die Insel gelangen. Carsten Kerkamm, stellvertretender Bürgermeister von Westerland, hat daher kein Verständnis für die streikenden Lokomotivführer und fordert: "Die Strecke nach Sylt darf nicht bestreikt werden. Sie ist die Lebensader der Insel." Die betroffenen Reisenden könnten nicht einfach auf Busse, Autos oder auf das Fahrrad ausweichen. "Viele sind frustriert. Wir können uns nicht wehren", sagt Kerkamm. Der Streik sei äußerst problematisch für die Insel, gerade jetzt zur Hochsaison. Mitarbeiter in der Gastronomie, im Handel, in der Pflege und im Krankenhaus pendelten täglich vom Festland nach Sylt. Sie treffe der Streik besonders hart. "Es gibt Fälle, in denen die Pflegekräfte wegen des Streiks auf der Insel übernachten mussten. Das ist unzumutbar." Gespräche mit der NOB, in denen sich die Sylter Unternehmer und die Bahn auf einen Basisfahrplan festgelegt haben, seien gut verlaufen, so Kerkamm. "Leider hat sich die GDL nicht an diesem Gespräch beteiligt."

Bereits im März hatte die NOB der GDL ein überarbeitetes Angebot mit einer Lohnsteigerung von fünf Prozent und einer zusätzlichen Einmalzahlung unterbreitet. "Der Streik in der Reisesaison macht uns fassungslos, da die GDL erneut ihre Lokführer-Interessen rücksichtslos über die Tausender Unbeteiligter stellt", sagt NOB-Geschäftsführerin Martina Sadow. "Die GDL hat nicht nur das Solidarprinzip aus den Augen verloren, sondern jegliches Maß für die Verhältnismäßigkeit." Im Juli und August sei Hauptsaison für die NOB, ein Großteil der Fahrgäste nutze die Strecke zwischen Hamburg und Westerland.

Die Gewerkschaft sieht das naturgemäß anders. Sie verlangt einheitliche Tarifverträge für alle 26 000 Lokführer bundesweit. Der Lohn soll sich an der Bezahlung der Deutschen Bahn orientieren, mit der sich die GDL im April geeinigt hatte. In dem monatelangen Tarifkonflikt gab es zuletzt keine entscheidende Annäherung zwischen Gewerkschaft und Privatbahnen. Lutz Schreiber, Vorsitzender des GDL-Bezirks Nord: "Noch immer lehnt die NOB es ab, bundeseinheitliche Rahmenregeln zu unterschreiben. Darin sollen gleiche Entgelte für alle Lokführer, eine Arbeitszeitregelung und eine 39-Stunden-Woche festgeschrieben werden." Es gehe wie bei allen anderen Bahnfirmen auch darum, Lokführer abzusichern, die nach einem Selbstmord auf den Gleisen nicht mehr weiterfahren können. Auch die Unterschrift über einen "Betreiberwechselvertrag" werde von der NOB verweigert. Damit soll erreicht werden, dass mögliche neue Betreiber das Personal übernehmen müssen, das auch zuvor auf der Strecke unterwegs war. Hintergrund: Die Bundesländer schreiben ihre Bahnstrecken regelmäßig neu aus, deshalb kommt es häufig zu Betreiberwechseln.

Die GDL hatte zur Lösung des Tarifkonflikts ein Moderationsverfahren angeboten. Das wurde von der NOB als "Augenwischerei" abgetan. "Unverständlich", so Gewerkschafter Schreiber. "Das Unternehmen soll endlich an den Verhandlungstisch zurückkehren. Ein Moderator ist kein Muss, sondern ein Angebot."