Mutter der auf der “Gorch Fock“ verunglückten Kadettin weist Angaben zurück, dass ihre Tochter zu dick für die Offiziersausbildung war.

Hamburg. War Sarah Lena S. zu klein und zu übergewichtig für die Ausbildung auf der "Gorch Fock"? Haben ihre Ausbilder ignoriert, dass die Offiziersanwärterin in einem mangelhaften körperlichen Zustand war? Es sind diese Fragen, die nicht nur die Ausbilder der "Gorch Fock" unter Druck setzen.

Am 7. November 2010 starb Sarah Lena S. bei einer Übung an Bord des Ausbildungsschiffs. Laut einem internen Bericht der Marine, den die "Bild"-Zeitung veröffentlichte, soll die Kadettin zum Zeitpunkt des Unglücks 83 Kilo bei einer Größe von 1,58 Metern gewogen haben und damit nicht borddiensttauglich gewesen sein.

Angelika S., die Mutter der Verunglückten, weist den Bericht jetzt zurück. "Diese Gewichtsangabe ist absolut falsch", sagte sie dem Abendblatt. "Kurz bevor meine Tochter an Bord der ,Gorch Fock' ging, hat sie mich noch einmal besucht. Damals hat sie zwischen 60 und 63 Kilo gewogen, wie zuletzt immer. Sie war eine schlanke, sportliche Frau." Angelika S. lebt im niedersächsischen Bodenwerder, dort ist ihre Tochter mittlerweile beerdigt.

Dem Bericht zufolge soll Sarah Lena S. eine "Ausnahmegenehmigung für eine Borddienstverwendungsfähigkeit" besessen haben, die auf der "Gorch Fock" nicht gültig war.

Angelika S. sagt, sie wisse nichts von einer solchen Genehmigung. Auch habe ihre Tochter nie darüber gesprochen, dass es Probleme wegen ihrer Borddiensttauglichkeit gegeben habe.

Woher der interne Bericht stammt, ist unklar. Nach dem Tod der Kadettin auf der "Gorch Fock" nahm die Staatsanwaltschaft Kiel Ermittlungen auf. Ein Sprecher der Behörde erklärte gestern, dass die Frage der Borddienstverwendungsfähigkeit der Offiziersanwärterin "Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Prüfungen" sei. Die Ermittler bestreiten jedoch, dass der interne Bericht aus ihrem Haus stammt. Auch das Bundesverteidigungsministerium hat nach dem Unglück interne Ermittlungen eingeleitet. Der Sprecher von Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will zu dem internen Bericht keinen Kommentar abgeben.

Ebenso verschlossen gibt sich die Marine. Ein Sprecher sagt auf Abendblatt-Anfrage, man könne zum laufenden Verfahren nichts sagen. Darüber hinaus verweigert die Marine Informationen zur Borddiensttauglichkeit. Nähere Auskünfte zu Körpergröße und Gewicht könne man nicht erteilen, so der Sprecher: "Die aktuellen Untersuchungen berühren auch diese Punkte."

Unterdessen veröffentlichte die "Bild"-Zeitung weitere Details aus dem Untersuchungsbericht. So soll der Unteroffizier, der zum Unfallzeitpunkt für die Ausbildung auf der "Gorch Fock" zuständig war, erst zwei Tage vor dem Unglück an Bord gekommen sein. "Eine Einweisung in seine Pflichten, Aufgaben, speziell während der Segelvorausbildung in der Takelage, hat nicht stattgefunden, da man der Meinung war, dass er wissen müsste, was er zu tun und zu lassen hat", zitiert die Zeitung aus dem Bericht.

Und weiter: "Seine Funktion als Verantwortlicher für die Ausbildung an Deck ist er nach eigenen Angaben nur zu ca. 50 bis 70 Prozent nachgekommen, da er noch andere Aufgaben innerhalb des Schiffes zu erledigen hatte."

Außerdem, heißt es, soll einem Ausbilder aufgefallen sein, dass Sarah Lena S. Probleme beim Aufentern hatte. "Er hatte, wie er beschreibt, ein ungutes Bauchgefühl. Dieses wurde durch den Ausbilder nicht an den verantwortlichen Wachführer an Deck kommuniziert, sondern nur an einen erfahrenen Unteroffizier ohne Begründung weitergegeben." Auch diese Angaben wollen Staatsanwaltschaft Kiel, Marine und Bundesverteidigungsministerium nicht kommentieren.

Die "Gorch Fock" befindet sich auf dem Weg von Argentinien nach Deutschland, wo das Schiff Ende April, Anfang Mai erwartet wird. An Bord befindet sich eine Untersuchungskommission, die Meuterei-Vorwürfe und andere Verfehlungen der Stammbesatzung aufklären soll.

Angelika S. hat Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung gestellt. Zum einen gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesverteidigungsministerium. Zum anderen gegen Norbert Schatz, den abgesetzten Kommandanten der "Gorch Fock".