945.000 Kubikmeter werden bis Oktober aufgespült. Das ist etwa ebenso viel, wie die Insel jedes Jahr verliert. Doch es gibt Hoffnung.

Husum/Westerland. Wenn das graubraune Sand-Wasser-Gemisch aus den Röhren spritzt, dann werden sich einige wenige gestört fühlen, die Mehrzahl der Sylt-Urlauber aber wird das Spektakel fasziniert betrachten. Zum Baden in der Nordsee ist es noch viel zu kalt, da kommt ihnen diese Abwechslung beim Strandspaziergang gerade recht. Vom 19. April an ist die dänische Firma Rohde Nielsen A/S mit ihrem Spülschiff "Thor R" wieder vor Westerland im Einsatz. Wenn das Wetter nicht dazwischenfunkt: Der Einsatz der Spülgeräte ist von der Witterung und dem Fortschritt der Einrichtungsarbeiten (Verlegen der Rohrleitungen) abhängig.

945.000 Kubikmeter Sand werden in diesem Jahr insgesamt auf 7,7 Kilometer Strand an der insgesamt 38 Kilometer langen Sylter Westküste aufgespült, um die Insel langfristig zu schützen. Kosten: 5,7 Millionen Euro, 70 Prozent übernimmt der Bund, 30 Prozent das Land Schleswig-Holstein. "Die Arbeiten werden bis in den Oktober hinein dauern", kündigt Dr. Johannes Oelerich, Direktor des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN) in Husum, an. Die Vorsorge ist nötig: "Wir wissen, dass wir regelmäßig pro Jahr etwa eine Million Kubikmeter Sand verlieren."

Der vergangene Winter hat den Stränden auf Sylt weniger zugesetzt als die Stürme früherer Jahre. Die letzten größeren Sturmfluten liegen mehrere Jahrzehnte zurück - am 24. November 1981 trat mit einem Höchstwasserstand von 4,05 Meter über Normalnull die bisher höchste gemessene Sturmflut auf. Am 3. Januar 1976 war der Scheitelwasserstand nur zehn Zentimeter niedriger. "Es gab in diesem Winter jedoch nur eine leichte Sturmflut. Die Strände sehen sehr gut aus", berichtet der LKN-Chef von der traditionellen Inselbereisung Anfang März, bei der Vertreter des LKN, des zuständigen Ministeriums, die Sylter Bürgermeister und weitere Inselvertreter gemeinsam die Küste begutachteten.

Danach wurde festgelegt, welche Orte wie viel vom "Sandkuchen" abbekommen. "Wenn sich die Situation im Laufe des Frühjahrs verändern sollte, können wir die Pläne noch jederzeit anpassen", so Oelerich. Der gute Zustand der Strände darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Vorstrand bis in Wassertiefen von acht Metern durch die Strömungen erodiert und damit steiler wird. "Unsere langjährigen Vermessungen belegen diesen Trend", sagt Oelerich, daher werden in den nächsten Jahren regelmäßig auch Sandauffüllungen im Vorstrandbereich notwendig. Versuchsauffüllungen, um deren Auswirkungen zu erfassen, gab es bereits 2006.

Seit Jahrzehnten gibt es nach jeder größeren Sturmflut Prophezeiungen, die Insel sei dem Untergang geweiht - der Blanke Hans nagt unaufhörlich an der Westküste Sylts. Nur menschlichem Zutun sei es zu verdanken, dass Westerland noch nicht ins Meer gestürzt sei. "Die Insulaner wussten schon, warum sie ihre Häuser im Osten der Insel gebaut haben", sagt Professor Karsten Reise, Leiter der Wattenmeerstation auf Sylt. "Aber dann kam der Fremdenverkehr, und da wollte man die Hotels direkt am Wasser haben." Das Problem sei deshalb menschengemacht. Die Nordsee ließ sich nicht davon beeindrucken, dass die Menschen ihr so nahe rückten. Ihre Wellen nagten weiter an der Insel. "Das Meer hat einen enormen Sandhunger", sagt Reise. Und genau deshalb hat man 1972 mit den Sandaufspülungen begonnen.

"Wir sind in der Lage, mit technischen Methoden die Insel zu halten. Solange wir genügend Sand aufspülen, ist Sylt nicht gefährdet", versichert der LKN-Direktor. Das sieht auch Manfred Uekermann, Vorsitzender des Landschaftszweckverbands Sylt so: "Man muss aber kontinuierlich dabei bleiben", fordert er, "dann muss man sich um Sylt keine Gedanken machen." Würde man allerdings nicht künstlich Sand aufschütten, "dann würde sich die Küstenlinie rückverlagern, etwa einen Meter pro Jahr", sagt Oelerich: "Seit 1984 haben wir erreichen können, dass die Küstenlinie gehalten wird - mit der Ausnahme der Südspitze bei Hörnum und im Norden bei List."

Zu den Sandaufspülungen, bei denen seit 1972 bislang für nahezu 163 Millionen Euro eine Gesamtmenge von 40 Millionen Kubikmetern aufgespült worden ist, gibt es keine Alternative: "Es gibt jedes Jahr Vorschläge, wie man den Küstenschutz unterstützen oder die Aufspülungen ersetzen könnte", sagt Oelerich, "aber bis heute hat sich in ökologischer und ökonomischer Sicht keine Methode als geeigneter erwiesen als die Sandaufspülungen." Ideen, auch abenteuerliche, gab es schon viele. Manche wurden ganz schnell verworfen, andere dagegen realisiert. "Wenn ein gewichtiges Institut einen Vorschlag macht, dann müssen wir den natürlich prüfen", sagt Oelerich. Hier ein Überblick über die Methoden:

Tetrapoden : Ohne das Querwerk aus Tetrapoden, unterstützt durch Sandvorspülungen, wäre die Kersig-Siedlung in Hörnum nicht zu halten gewesen. Als den Dünen vorgelagerte Längswerke haben sich die sechs Tonnen schweren Beton-Ungetüme dagegen als kontraproduktiv erwiesen, weil die Wellen die Tetrapoden über- und unterspülen. Dahinter liegende Dünen werden weiter abgetragen. Es gibt Tetrapoden vor der Westerländer Strandmauer, nördlich von Westerland bis Wenningstedt (sie sind zum Teil vom Sand verdeckt), südlich der Strandmauer Westerland (sie sind vollständig mit Sand bedeckt), in Hörnum sind sie zu einem Längs- und einem Querwerk aufgetürmt.

Ufermauern, Deckwerke : Vor dem Hotel Miramar in Westerland wurde 1907 begonnen, die Küste zu befestigen. Hier stellten sich die inzwischen bekannten Probleme mit der Auswaschung des Strandes und der Erosion in den Flankenbereichen ein. Auch hier können nur mithilfe von Sandaufspülungen die Probleme vermieden werden.

Buhnen : Die Bauten aus Holz, Stein, Metall oder Asphalt zeigten wenig Wirkung. "Heute stellen die Reste der Buhnen eine Gefahr für die Badegäste dar", sagt Oelerich, daher ist es das Ziel, die Buhnenreste Stück für Stück zurückzubauen.

Sandfangzäune : Sie können Flugsand festhalten, dadurch können sich wieder neue Dünen aufbauen.

Geotextilien: Sie wurden 1990 vor dem Haus Kliffende eingesetzt, das an der Abbruchkante stand, und wurden privat finanziert: "Sie fungieren als letzte Sicherung für den Fall, dass die Randdünen nicht standhalten. Wenn man damit anfinge, müsste man konsequenterweise die gesamte Küste damit befestigen und berücksichtigen, dass der Strand langfristig verloren ginge", sagt Oelerich. Außerdem müsse man trotzdem vorspülen. Denn sackartige Wälle entlang der Küste sind unattraktiv.

Stranddrainage : Die Idee, am Strand Drainagerohre zu verlegen, damit sich der Sand festigen kann, kam aus Dänemark. "Wir standen dem skeptisch gegenüber", sagt der LKN-Chef, "und wurden in unserer Auffassung gutachterlich bestätigt." Weil die Firma offenbar das Risiko nicht eingehen wollte, bei einem Misserfolg alle Rohre zurückzubauen, versuchte sie es gar nicht erst.

Gitter-Sandfang : Die Idee war, ein Gitter auszulegen, in dem sich der Sand verfangen und verfestigen sollte. "Bei den Krafteinwirkungen wie hier an der Nordsee und Veränderungen des Strandes von bis zu zwei Metern in der Höhe, würden diese Einbauten gar nichts nützen", sagt Oelerich.

Schotter-Steine mit Polyurethan-Kleber verklebt : ein Projekt der TU Hamburg-Harburg. Es wird am Deckwerk in List getestet.

Künstliche Miesmuschelfelder : Wo Miesmuscheln sich von Natur aus ansiedeln, können sie stabilisierend wirken, vor Sylt sind dagegen Welleneinwirkungen und Strömungen zu groß.

Schiffswracks versenken : "Es gab die Idee, sie als Wellenbrecher vor Sylt einzusetzen, aber schon rechtlich ist das nicht zulässig", so Oelerich.

Spritzbeton an den Düne n : "Dann hätte man eine betonierte Küste, dieser Gedanke ist von vornherein abzulehnen", sagt der Fachmann Oelerich.