Sicher hat Carstensen bisher nur die Stimmen der FDP. Wenn Schwarz-Gelb die Sparbeschlüsse nicht durchsetzt, kommt es zur Neuwahl.

Kiel. Für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen geht es in dieser Woche um alles oder nichts. Beschließen CDU und FDP mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit im Landtag am Mittwoch das große Sparpaket, dann geht der Regierungschef als mutiger Sanierer in die Geschichtsbücher ein. Schert aber nur ein einziger Abgeordneter aus, steht die schwarz-gelbe Koalition nach nur gut einem Jahr vor dem Ende und der düpierte Ministerpräsident mit leeren Händen vor einer Not-Neuwahl.

Carstensen weiß um seinen Schicksalstag und bemüht sich, Zuversicht zu verbreiten. "Ich bin sehr sicher, dass der Haushalt für die Jahre 2011 und 2012 eine Mehrheit findet", sagte er gestern. Wirklich sicher im Sack hat der Regierungschef bisher aber nur die Stimmen der FDP. In der eigenen CDU-Fraktion haben gleich zwei der 34 Abgeordneten so große Bauchschmerzen mit einzelnen Sparbeschlüssen, dass sie den Doppelhaushalt nicht mittragen. "Die Gespräche laufen", sagte CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher.

In der Union wird erwartet, dass von Boetticher die Abgeordnete Astrid Damerow, 52, einnorden kann. Die Politikerin aus Nordfriesland lehnt die geplante Küstenschutzabgabe ab, hat dafür Rückendeckung aus der Region, aber wohl nicht das Stehvermögen, um über diesen Konflikt die schwarz-gelbe Regierung zu stürzen. Von Boetticher kann zudem in den Gesprächen neben der Peitsche auch Zuckerbrot einsetzen. Er stellt als Parteichef die Landesliste auf, entscheidet damit über die Karrieren der Abgeordneten.

Als härterer Brocken gilt der zweite Abweichler, Werner Kalinka, 58, aus Dobersdorf bei Kiel. Der Landesvorsitzende der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), des Sozialflügels der Union, hält die Kürzung des Landesblindengeldes ebenso für falsch wie die Schließung des kleinen Gefängnisses in Flensburg. Gegen Druck ist Kalinka ziemlich unempfindlich. Der Journalist, dem Carstensen einst den Aufstieg ins Kabinett verwehrte, gilt in der CDU als Eigenbrötler, Quertreiber und politisches Auslaufmodell.

In der Spitze der Partei wird deshalb überlegt, den Sparkurs etwas abzumildern und so insbesondere Kalinka wieder an Bord zu holen. Öffentlich werden solche Überlegungen bestritten, aus Sorge vor einem Aufstand in der CDU-Fraktion. Dort gibt es mindestens weitere drei Abgeordnete, die den Sparkurs nur murrend mittragen und ihre Zustimmung ebenfalls an Korrekturen knüpfen könnten.

Angesichts der Zitterpartie schießen im Landeshaus die Spekulationen über die Folgen einer schwarz-gelben Schlappe ins Kraut. Carstensen und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki haben mehrfach klargemacht, dass die Koalition den Sparhaushalt verabschiedet oder zerbricht. Eine andere Regierungsmehrheit gäbe es in diesem Fall absehbar nicht. SPD-Chef Ralf Stegner stellte klar, dass die Sozialdemokraten für Machtspiele nicht zur Verfügung stehen. Auch die Grünen winkten ab. Sie setzen auf schnelle Neuwahlen.

Dieser Ausweg aus der Krise ist in Schleswig-Holstein allerdings derzeit schwierig, weil das Landesverfassungsgericht das Wahlgesetz kassiert und der Landtag noch keine Neuregelung beschlossen hat. Den ersten Aufschlag für die Reform will der Landtag am Donnerstag machen, einen Tag nach der Haushaltsdebatte. Im Ernstfall dürfte es eine Blitzreform geben. Sie könnte Anfang 2011 beschlossen und umgesetzt werden und bei einer Neuwahl im Sommer greifen. Bis dahin bliebe Carstensen mit seinem Kabinett geschäftsführend im Amt.

Für die CDU hätte dieses Ende von Schwarz-Gelb fatale Folgen. Mit Carstensen kann die Union nicht in die Wahl ziehen, weil der Regierungschef so schnell wie möglich abdanken möchte. Der ausgeguckte Nachfolger, von Boetticher, wäre bei einem Koalitionsende als Fraktionschef gescheitert und damit als Spitzenkandidat kaum vorzeigbar.

Wie blank die Nerven in der Union liegen, zeigt sich daran, dass schon über mögliche neue Hoffnungsträger spekuliert wird. Genannt werden drei Kandidaten: Wirtschaftsminister Jost de Jager, Landtagspräsident Torsten Geerdts und mit Abstrichen der Bundestagsabgeordnete und frühere Partei- wie Fraktionschef Johann Wadephul.

Wie ernst die Lage ist, machte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) deutlich. Er mahnte über den Regierungspressedienst, dass Schleswig-Holstein nur mit einem beschlossenen Haushalt regiert werden könne. Ohne ihn gebe es auch kein Geld für Krippenplätze und Landesstraßen. "Das wäre ein unhaltbarer Zustand, an dem niemandem gelegen sein kann."