Die 220-köpfige Crew des in Venedig festgehaltenen Kreuzfahrtschiffes wartet immer noch auf Heuer. Die rund 500 Passage haben den Liner verlassen.

Bremen/Venedig. Eigentlich erscheint die Situation an Bord mittlerweile entspannt: Die Sonne strahlt über der Lagune von Venedig, die nahe historische Altstadt ist nur ein paar Fußweg-Minuten von der MS "Delphin" entfernt. Seit 16. Oktober nun schon lebt die 220-köpfige Crew hier am Kai des San Basillio Cruise Terminals, nachdem der Bremer Veranstalter Hansa Kreuzfahrten der Hamburg-Bremer Delphin Group Insolvenz anmelden musste und das Schiff von den Behören festgesetzt wurde.

Die rund 500 Passagiere konnten die "Delphin" verlassen, die Crew aber blieb seitdem an Bord. "Im Grunde geht hier alles seinen gewohnten Gang", berichtet Kapitän Andreas Lüdicke, Inspektor der Delphin-Reederei und schon seit Wochen mit an Bord der "Delphin".

Der 50-jährige Bremer unterstützt den ukrainischen Kapitän bei den Verhandlungen mit Insolvenzverwalter und Hafenbehörde. Noch bis zum Dienstag wolle der Großteil der Mannschaft ausharren. Dann stehe vor Ort ein Gerichtsurteil an, das die ausstehende Auszahlung von zwei Monaten Heuer aus der Insolvenzmasse festlegen soll. "So lange bleiben die meisten an Bord, um da sicher zu gehen", sagt Lüdicke. Der überwiegende Teil der Crew stammt aus der Ukraine, vor allem die Seeleute aus der nautischen und technischen Abteilung des Schiffs. Für sie müssen zudem von den italienischen Behörden Visa-Fragen für die Abreise geklärt werden. Warten ist daher seit Tagen angesagt: "Wir machen hier aber Dienst wie immer, die Maschinen und Anlagen werden wie gewohnt gewartet - alles ist in Superzustand. Wir könnten morgen wieder losfahren", sagt Lüdicke. Bei den Crew-Mitgliedern aus dem Hotelbereich mache sich indes Langeweile breit, in den Restaurants und in der Showlounge herrscht Ruhe. Es wird geputzt und gewischt. "Das Schiff ist absolut blitzeblank." Wer kann, der geht, mit einem speziellen Bordausweis ausgerüstet, daher jetzt wohl häufiger spazieren.

In der vergangenen Woche hatte sich die Situation allerdings zugespitzt, nachdem der Treibstoff zur Neige gegangen war. Lebensmittelkühlung, Heizung, Strom - alles hätte nicht mehr betrieben werden könnten. Die Hamburger Delphin-Reederei habe nicht eingreifen können, weil wegen der Insolvenz alle Konten gesperrt seien, meldete die Hamburger Reederei-Verwaltung. Inzwischen hat die Hafenbehörde Treibstoff geliefert, und das Schiff bekommt auch Landstrom - beides Kosten, die nun wohl auch in die Insolvenzmasse fallen.

Allerdings haben die italienischen Behörden die "Delphin" inzwischen auch beschlagnahmt, um die Auszahlung der Gehälter zu sichern. Die Festsetzung der "Delphin" war bereits zuvor erfolgt, weil es offene Forderungen an die Delphin Group gab. Das Schwesterschiff, die "Delphin Voyager", wurde aus gleichem Grund bereits in Griechenland festgesetzt, wo 400 Passagiere eine Kreuzfahrt vorzeitig beenden mussten. Der Eigner der gecharchterten "Delphin Voyager" hatte den Chartervertrag fristlos gekündigt.

Wegen des Insolvenzverfahrens hat die Delphin Group inzwischen auch alle bis April 2011 geplanten Kreuzfahrten abgesagt. Geplant waren Reisen mit dem 1975 in Finnland gebauten Schiff in die Karibik, die Antarktis und nach Südamerika.

Nach dem 16. November und dem Gerichtsurteil müsse die Besatzung das Schiff aber verlassen, teilte die Reederei mit. Anschließend werde wohl vom Gericht eine Wachmannschaft auf das Schiff bestellt. Wie es für die Besatzung im kommenden Jahr weitergeht, ist noch unklar. Viele der ukrainischen Seeleute arbeiten schon lange auf dem Schiff, teilweise auch schon, als der Hamburger Reeder Heinz-Herbert Hey Mitte der 90er-Jahre die einstige Fähre kaufte und zu einem Drei-Sterne-Kreuzfahrer umbauen ließ. "Viele aus der Crew hoffen, dass die ,Delphin' doch bald wieder in Fahrt kommt", sagt Kapitän Lüdicke.