Ein Polizist aus Braunschweig berichtet über seinen Einsatz im Wendland, über geniale Aktivisten und mangelnde Verpflegung.

Wendland. Mehr als 25 Stunden Einsatz an der Castor-Strecke liegen hinter Rainer Holze und seinen Kollegen, als sie am Montagmittag kurz vor 12 Uhr ihre Heimatbasis in Braunschweig erreichen. Die Frauen und Männer der Einzeldienst-Hundertschaft sind erschöpft und ausgelaugt, müde. Nach einem zwei Kilometer langen Anmarsch und stundenlangem Stehen drückt die Einsatzmontur, scheuert auf der Haut. An Schlaf war bislang nicht zu denken. Ein paar Mal hatten sie sich auf die längst ungemütlichen Sitze im "Gruppenkraftfahrzeug" geworfen, um Ruhe zu finden. Von den Abgasen Dutzender Polizeifahrzeuge, deren Motoren unentwegt liefen, um die Heizungen in der Minusgrade kalten Nacht zu befeuern, werden sie noch Tage später Kopfschmerzen haben.

Seit 1981 begleitet der 51-Jährige die Atommülltransporte im Wendland. Doch den Einsatz in diesem Jahr wird der Vorsitzende der Kreisgruppe Braunschweig der Gewerkschaft der Polizei (GdP) so schnell nicht vergessen. "Die Taktik der Aktivisten war in diesem Jahr genial", sagt der Schutzpolizist. "Erst haben sie alle Polizeikräfte reingelassen und dann zugemacht."

Die Aktivisten hätten gewusst, dass die Polizei kaum geländegängige Fahrzeuge im Einsatz hatte. Also mussten die Beamten bei Straßenblockaden aussteigen und in ihrer schweren Schutzbekleidung zu Fuß vorwärtskommen. "Wir wurden selbst eingekesselt", resümiert der Polizeikommissar. Denn: Wo die Wagen hinter abgestellten Traktoren und angeketteten Demonstranten stehen blieben, stockte auch der Nachschub - an Kollegen und Verpflegung. So ergeht es später auch den Braunschweigern.

Vom Frühstückskaffee weggeholt, erreicht die Hundertschaft gegen Sonntagmittag die Gleise bei Harlingen, über die später der Castorzug rollen wird. Kollegen aus Hessen warten schon, sehnsüchtig. 32 Stunden ohne Pause sind sie bereits im Einsatz, ohne ausreichende Versorgung und ungewisse Aussicht auf Ablösung. Ein Vorgeschmack.

Während sich 700 Meter entfernt eine der größten Gleisblockaden des Wochenendes formiert, kommen Holze und die anderen Braunschweiger Polizisten mit den Demonstranten ins Gespräch. "Da waren 16- bis 65-Jährige, die Gespräche waren beeindruckend", sagt Holze, "sehr differenziert." Ihr seid die Prügelknaben der Politik, habe es geheißen. "Wenn man älter ist, hinterfragt man selbst mehr", sagt der 51-Jährige. "Dann taucht die Frage auf, warum man fast 30 Jahre später noch hier hermuss. Warum es nicht anders geht."

Ausschreitungen erleben die Braunschweiger am Wochenende in ihrem Abschnitt nahe Harlingen nicht. Dafür Polizisten am Rande ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit. Völlig übermüdete Einheiten aus Hamburg teilen ihre Lunchpakete mit Diensthundeführern aus Niedersachsen. Polizistinnen müssen im Wald ihre Notdurft verrichten, weil es an Toiletten fehlt. Und vor allem: Es fehlt an Informationen. Niemand weiß, wo welche anderen Einheiten eingesetzt sind.

Es gebe einen Grundsatz, sagt Holze, "Informationen sind das Wichtigste für die Kräfte." Bei den Personalräten seien viele Beschwerden eingegangen, sagt er. Der Einsatz müsse umfassend nachgearbeitet werden. "Denn der nächste Castortransport kommt bestimmt."