Deutsche Marineschutzkräfte fahren auf Schiffen am Horn von Afrika mit. Für ihren Einsatz trainieren sie in Eckernförde.

Eckernförde. Oberstabsfeldwebel Sefan S., 25, und Hauptgefreiter Michael H., 22, waren gerade mal wieder als "Objektschützer auf hoher See" für Schiffe am Horn von Afrika unterwegs. Die Elitesoldaten haben "Einsatzluft" geschnuppert, als Mitglieder eines mobilen "Vessel Protection Teams", das in Piratengewässern auf Frachtschiffen der Welthungerhilfe und Tankern der Deutschen Marine wacht. Sie beschützen Schiffe und deren Besatzungen wie Soldaten in Krisengebieten eine Kaserne. Und die Küste vor Afrika ist ein Krisengebiet.

Der Boden unter den Füßen der Soldaten scheint noch immer zu schwanken. Sie fühlen sich müde und ausgepowert. Die Mission vor Afrika sei kein Urlaubstörn gewesen. Fast ein halbes Jahr harte Arbeit auf See liegt hinter ihnen. Bei über 40 Grad im Schatten, heißen Winden und lähmenden 95 Prozent Luftfeuchtigkeit. "Bei unserem Bewachungsjob an Bord herrscht ständige Alarmbereitschaft", sagt Sefan S. "Wir sind voll fixiert auf kleine, bis zu 20 Knoten schnelle und meist mit fünf bis acht Mann besetzte Speedboote, die sich unserem zum Schutz anvertrauten Schiff nähern und äußerst gefährlich werden könnten. Mit Maschinengewehren und Panzerfäusten."

Sefan und Michael, die beiden Norddeutschen, sind auf Piratenbekämpfung spezialisierte Soldaten der Marineschutzkräfte, kurz MSK. Das sind die deutschen Marines, 530 Männer (und ein paar Frauen), in Eckernförde stationiert. Ein halbes Jahr dauert die Ausbildung zur einsatzfähigen MSK. Je nach Spezialisierungsgrad kann die Ausbildung auch mehr als ein Jahr dauern. Drill, Gewaltmarsch, Schlafentzug, Nahkampf, Kampftauchen, Scharfschützenausbildung, Speedboot-Abwehr, Kraftbootführerschein, Heranführung an die psychischen und physischen Belastungsgrenzen - alles inklusive.

Im Rahmen der Antipiratenmission Atalanta der Europäischen Union haben die Marineschutzkräfte seit Ende 2008 den Auftrag, vor der Küste Afrikas im Indischen Ozean und im Golf von Aden mit zehn bis zwölf Mann starken Teams an Bord von Schiffen zu gehen, die im Uno-Auftrag unterwegs sind, um sie sicher durch Piratengewässer zu geleiten. Zivile Fracht- und Containerschiffe schützen sie nicht. Dafür haben sie kein Mandat. Noch nicht.

Sefan S., Michael H. und ihr Kommandant Marc C., 38, Oberleutnant zur See, begleiteten während ihres letzten Einsatzes vor Afrika zweimal die "Masar Trade", ein 110 Meter langes und 15 Meter breites Schiff. Der Kapitän des Frachters, der für die Welthungerhilfe Lebensmittel in das von Bürgerkrieg gebeutelte Somalia brachte, forderte Schutz an. "Wir setzten mit dem Schnellboot und zwölf Mann von unserer Fregatte auf den rostigen Dampfer über", erklärt Kommandeur Marc C. "An Bord haben wir die Rundumsicherung aufgebaut, die Stellungen für das schwere Maschinengewehr und den Granatwerfer nach taktischen Erwägungen ausgewählt."

Ein Basiscamp wurde an Deck errichtet, Laufwege wurden abgegangen. Jeder Soldat muss auch bei Dunkelheit in der Lage sein, schnellstmöglich auf seine Position zu kommen. Seewache, schlafen, Körperpflege, essen, Waffen reinigen. Das war der Tagesablauf.

"Die Piraten greifen dort unten meist mit zwei, drei Skiffs, alten Knarren und zehn bis 15 Mann an", sagt Kommandant Marc C. "Gegen mein Schiffsbewachungsteam sind Seeräuber im Normalfall chancenlos. Wenn wir ihnen ein paar Granaten vor den Bug setzen, drehen sie ganz schnell ab. Und wenn wir sie dann schnappen, sagen die Piraten immer, sie seien doch nur Fischer. Aber wozu brauchen sie dann Kalaschnikows?"

Die MSK begleiteten die "Masar Trade" bis kurz vor den somalischen Hafen Bosasso. In ihrer letzten Nacht an Bord waren die MSK sehr aufmerksam. Die "Masar Trade" ankerte nur drei Seemeilen vor der somalischen Küste, in Sichtweite mutmaßlicher Piratennester. Jede Unaufmerksamkeit konnte hier fatale Folgen haben. Gegen Mitternacht wurde es plötzlich spannend. Die somalische Hafen-Security funkte, dass ein Polizeiboot unterwegs sei, um das Schiff zu bewachen. Die "Masar Trade" funkte zurück, dass sie keinen Schutz benötige. Die Somalis ignorierten den Funkspruch. MSK-Teamführer Marc C. gab Alarm! Die nicht gerade vertrauenerweckend aussehenden vermeintlichen Polizisten kamen ganz nah an den Frachter heran. Doch als sie die Waffenstationen der deutschen Soldaten entdeckten, drehten sie ab. "Die Piraterie in Somalia hat viele Gesichter", sagt der Oberleutnant. Und seine beiden Soldaten Sefan S. und Michael H. nicken ernst.