Untersuchungsausschuss besichtigt Salzstock. Die Erkundung soll nach zehnjähriger Pause fortgesetzt werden

Gorleben. Zersplitterte Scheiben zeugen von der Wut der Atomkraftgegner. Die Fenster am Informationshäuschen neben dem Salzstock Gorleben sind bereits im Frühjahr zerborsten, aber die Polizei war auch gestern auf Proteste eingestellt - zu Recht. Rund 300 Atomkraftgegner versperrten die Zufahrt zum Bergwerk. Aber am Ende blieb alles friedlich.

Hinter hohen Mauern mit wuchtigen Stacheldrahtrollen nahm der aus Berlin angereiste Bundestags-Untersuchungsausschuss erstmals das mögliche Atomendlager Gorleben in Augenschein. Unter Tage begutachteten die Abgeordneten den Salzstock, über Tage brachen jahrzehntealte Gräben wieder auf. "Atomkonzerne enteignen, Schwarz-Gelb entsorgen", stand auf einem Spruchband der Atomkraftgegner. "Eigentlich sollte ich anfangen, Bananen anzubauen, weil das hier eine Bananenrepublik ist", spottet Helmut Behling von der Bäuerlichen Notgemeinschaft. Viele Menschen im Wendland sind einfach nur wütend, gerade jetzt.

Denn im Oktober will die schwarz-gelbe Bundesregierung den Salzstock wieder auf seine Eignung als Atomendlager untersuchen lassen. Unter Rot-Grün wurde die Erkundung zehn Jahre gestoppt. Etliche der Demonstranten sind von Anfang an dabei - der Konflikt um Gorleben schwelt schon seit mehr als 30 Jahren.

Auch der im April eingesetzte Untersuchungsausschuss soll sich der Vergangenheit widmen: Es geht um die Frage, ob die Entscheidung für den Standort Gorleben politisch beeinflusst war und ob sich die Kohl-Regierung

1983 über fachliche Bedenken hinwegsetzte. Neue Antworten fanden die Abgeordneten nicht wirklich.

Dafür prallten die politischen Lager aufeinander. "Was in Gorleben passiert, ist keine Erkundung, das ist die größte politische Lüge, die derzeit in der politischen Landschaft herumgeistert", schimpfte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in der fernen Bundeshauptstadt. Die Oppositionsabgeordneten, die im Untersuchungsausschuss mitarbeiten, wetterten: "Schwarz-Gelb regiert gegen das eigene Volk." Sie forderten eine neue Suche nach einem Endlager in ganz Deutschland. Die Bundesregierung vollstrecke die Interessen der Energieriesen, kritisierten Atomfachleute von SPD, Grünen und Linken in einer gemeinsamen Erklärung.

Der CDU-Sprecher im Untersuchungsausschuss, Reinhard Grindel, wies die Vorwürfe Trittins vehement zurück. Er sagte nach seiner Ankunft im Wendland, Trittin habe in seiner Zeit als Bundesumweltminister nichts getan, um alternative Standorte zu finden. Trittin habe offenbar Angst vor Protesten in anderen Regionen Deutschlands gehabt. Die FDP-Abgeordnete Angelika Brunkhorst sagte: "Anscheinend hat Herr Trittin die sieben Jahre seiner Amtszeit, in der er bei der Lösung der Endlagerfrage die Hände in den Schoß gelegt hat, verdrängt." Reinhard Grindel verteidigte die geplante weitere Erkundung des Salzstocks, die unter der rot-grünen Regierung zehn Jahre lang gestoppt wurde. "Hier in Gorleben müssen Geologen wieder die Oberhand gewinnen, nicht die Ideologen", sagte er. Die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Maria Flachsbarth (CDU), sagte: "Es kommt darauf an, nicht weitere Warteschleifen zu produzieren."

SPD, Grüne und Linke lehnen die Untersuchungen unter Tage dagegen ab. Die SPD-Obfrau im Gorleben-Ausschuss, Ute Vogt, nannte die Eignungsprüfung einen Affront für die Bevölkerung, das Vertrauen in eine ergebnisoffene Untersuchung sei verspielt. Niedersachsens SPD-Landesvorsitzender Olaf Lies griff den CDU Ministerpräsidenten McAllister an: "Es ist ein Problem für Niedersachsen, dass der Ministerpräsident in bundespolitisches Leichtgewicht ist. Die starken Landesinteressen bei Gorleben und den Erneuerbaren Energien drohen unter den Tisch zu fallen"

Die Opposition ist nach wie vor davon überzeugt, dass sich die damalige Kohl-Regierung bei der Auswahl von Gorleben über fachliche Zweifel an der Eignung des Salzstocks hinweggesetzt hat. Diese Vorwürfe seien nach der bisherigen Arbeit des Ausschusses widerlegt, betonte CDU-Mann Grindel.

Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander machte unterdessen deutlich, dass er zum 1. Oktober die Wiederaufnahme der Erkundung genehmigen werde. Sander weilt in der Schweiz, wo er sich über die Anstrengungen des Nachbarlandes informiert, ein Endlager zu bauen.

Den nächsten Castortransport mit Atommüll für das Zwischenlager erwarten Atomkraftgegner derweil am 6. November.