Den Badeorten an der Lübecker Bucht drohen wegen einer neuen Güterzug-Strecke Einbußen in Höhe von 8,6 Millionen Euro im Jahr.

Eutin. Für die Urlaubsorte an der Lübecker Bucht kommt es knüppeldick. Der geplante Ausbau der bestehenden Bahntrasse Lübeck-Puttgarden würde nach neuen Gutachten zu schweren Einbußen im Feriengeschäft an der Ostsee führen. Landrat Reinhard Sager (CDU) setzt deshalb auf eine Alternativtrasse. Sie schadet dem Tourismus weniger. Ob Bahn und Bund mitziehen, ist aber fraglich.

"Es gibt leider keine Trassenvariante, unter der Touristen und Einwohner nicht leiden", sagte Sager dem Abendblatt. Ziel müsse es daher sein, den Schaden zu begrenzen. Verhindern kann Sager das Projekt nicht.

Der Ausbau der Bahnstrecke ist im Staatsvertrag mit Dänemark vereinbart

Der Ausbau der 89-Kilometer-Route wurde als Hinterlandanbindung der geplanten Brücke über den Fehmarnbelt im Staatsvertrag mit Dänemark vereinbart. Bis 2018 soll die Strecke unter Strom sein, bis 2025 ein zweites Gleis bekommen.

"Wir planen wie im Staatsvertrag vorgesehen den Ausbau der Bestandstrasse", sagte der Sprecher DB Netze Projektbau, Michael Baufeld. Diese Variante ist mit 900 Millionen Euro zwar am billigsten, nach den im Auftrag des Kreises Ostholstein verfassten Gutachten aber auch die mit den schlimmsten Folgen für Urlaubsorte wie Timmendorfer Strand und Scharbeutz.

"Der Ausbau der Trasse würde zu nicht hinnehmbaren Lärmbelästigungen führen", berichtete Sager. Laut Gutachten wird es an der Strecke nachts mit mehr als 45 Dezibel häufig so laut, dass an einen ruhigen Schlaf nicht mehr zu denken ist. Betroffen sind davon 8500 Anwohner und Ferienquartiere mit bis zu 300 000 Übernachtungen im Jahr. Die Verluste durch Touristenflucht beziffern die Experten auf jährlich 8,6 Millionen Euro.

78 Güterzüge werden täglich durch die Badeorte fahren

Der hohe Lärmpegel erklärt sich zum einen daraus, dass die Züge auf der bisher ruhigen Bäderstrecke direkt durch die Urlaubsorte fahren. Zum anderen will die Bahn nach der Beltquerung ihren Skandinavienverkehr von der Flensburger Jütland-Route abziehen und über Lübeck laufen lassen. Das gilt auch für Güterzüge. 78 von ihnen werden nach einer neuen Prognose täglich durch die Badeorte rattern.

"Das werden wir nicht akzeptieren, zumal eine weniger belastende Trassenführung möglich ist", meinte Sager. Im Visier hat er die "X-Trasse", die einige Kilometer landeinwärts direkt an der Autobahn 1 verläuft. Für diese Trasse machen sich auch die Badeorte stark, um zumindest dem größten Lärm zu entgehen. Laut Gutachten würde die X-Trasse deutlich weniger Touristen abschrecken, die Verluste auf 3,5 Millionen Euro im Jahr und damit knapp die Hälfte senken.

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Die Alternativlösung hat allerdings einen Haken. Sie ist rund 180 Millionen Euro teurer als der von der Bahn geplante Ausbau der bestehenden Route. Im Kampf für das kleinere Übel steht Sager nicht allein. Auf Druck aus Ostholstein hat die Kieler Regierung ein Raumordnungsverfahren eingeleitet. In ihm wird aufwendig geprüft, welche Folgen welche Trassenführung für Mensch und Tier hat. "Unsere Gutachten werden in dem Verfahren eine wichtige Rolle spielen", erläuterte der Landrat. Rückendeckung bekam er von Landesverkehrsminister Jost de Jager (CDU). Der ließ keinen Zweifel daran, dass die Regierung die Interessen der Urlaubsorte kenne und berücksichtigen werde.

Mit einer Entscheidung im Raumordnungsverfahren ist frühestens im Sommer 2011 zu rechnen. Verbindlich ist die dort favorisierte Trasse allerdings nicht. Das letzte Wort hat der Bund, der das Projekt bezahlt.

Der Sprecher der Bürgerinitiativen gegen die Beltquerung, Malte Siegert, rechnet damit, dass die X-Trasse spätestens in Berlin beerdigt wird. "Der Bund hat kein Geld und wird die billigste Variante durchsetzen." Die Zeche für die Beltquerung müssten die Ferienorte an der Ostsee zahlen: "An einer Route für Güterzuge will niemand Urlaub machen."