Dörfer dürfen laut dem neuem Landesentwicklungsplan nur begrenzt wachsen. Die Kommunen sollen mehr Verantwortung bekommen.

Kiel. Der kurze Frühling der Anarchie in Schleswig-Holstein ist vorbei. Innenminister Klaus Schlie (CDU) kündigte gestern an, dass die Dörfer auch künftig nicht grenzenlos neue Wohnungen bauen dürfen. Er kassierte damit einen Vorstoß der eigenen schwarz-gelben Koalition ein. Sie hatte im März eine Schleifung aller Baugrenzen gefordert und damit einen Proteststurm in den Städten ausgelöst. Diese fürchteten auch bei Gewerbeansiedlungen einen Durchmarsch der Dörfer.

"Die Städte und zentralen Orte bleiben Schwerpunkte für den Wohnungsbau und die Ansiedlung von Gewerbe", betonte Schlie bei der Vorlage des Entwurfs für einen neuen Landesentwicklungsplan (LEP). Der Plan, über den Kommunen und Politik seit fast vier Jahren streiten, soll am 6. Juli vom Kabinett verabschiedet werden. "Wir sind am Ziel", bilanzierte Schlie und atmete durch. "Eine fast schon unendliche Geschichte geht zu Ende."

Der Minister betonte, dass sein Entwurf von den bisherigen Grundlagen der Landesplanung nicht abweiche. Im Klartext: Der neue LEP trägt in wesentlichen Teilen die Handschrift des früheren Innenministers Lothar Hay (SPD), während die von CDU und FDP gewünschte Revolution vertagt wird. Eine völlige Freigabe der Dorfentwicklung sei nicht möglich und auch nicht gewollt, so Schlie. Es gebe aber weniger Vorgaben und mehr Flexibilität für die Kommunen. "Wir haben einen tragfähigen Kompromiss gefunden."

Die Kernpunkte des neuen Landesentwicklungsplans:

Dörfer dürfen bis zu zehn Prozent ihres Wohnungsbestandes (Ende 2009) bis 2025 dazubauen. Gemeinden im Umland von Hamburg, Lübeck und Kiel dürfen um bis zu 15 Prozent wachsen. Ziel der Begrenzung ist es, die Stadtflucht und damit ein Ausbluten der Städte zu bremsen.

Größere Betriebe müssen sich "vorrangig" in zentralen Orten ansiedeln. Das Gleiche gilt für "großflächigen Einzelhandel". Schlie will die Städte damit vor ruinöser Konkurrenz auf der "grünen Wiese" schützen. In den Dörfern dürfen sich nur "ortsangemessene" Betriebe niederlassen. Dort bereits ansässige Firmen dürfen ihre Produktion allerdings ausbauen.

Für Windenergie werden deutlich mehr Standorte ausgewiesen. Windrotoren sollen sich künftig auf bis zu 1,5 Prozent der Landesfläche drehen dürfen. Bisher liegt die Obergrenze bei 0,8 Prozent. Erwartet wird ein neuer Wind-Boom. Viele Anträge müssen derzeit mangels Fläche abgelehnt werden.

Die Vorgaben für den Tourismus werden etwas eingedampft. Für Ferienhäuser, die Urlauber mieten können, entfällt die Größenvorgabe, für private Wochenendhäuser steigt sie von bisher 60 auf höchstens 70 Quadratmeter. Bestehende Campingplätze sollen Bestandsschutz erhalten. Die Forderung von CDU und FDP, Ferienhausgebiete in ganz Schleswig-Holstein zu erlauben, wird nicht umgesetzt. Grund ist der Naturschutz.

Die Landesplanung wird kommunalisiert. Das bedeutet: Das Land überlässt den Städten und Gemeinden die Feinplanung. Sie sollen in landesweit vermutlich fünf Planungsräumen etwa Standorte für neue Wohn- und Gewerbegebiete festlegen. Einigen sich Stadt und Dorf, entfallen die Landesvorgaben.

Der Zuschnitt der regionalen Planungsräume und die Zusammensetzung der Planungsgremien ist offen. Schlie kündigte einen Gesetzentwurf an. Einiges spricht dafür, dass die vier Umlandkreise (Pinneberg, Segeberg, Stormarn, Herzogtum Lauenburg) einen Planungsraum bilden.

Leitschnur auch der Regionalplanung sind die im LEP vorgegebenen Entwicklungsachsen. Das sind neben der A 23, A 7, A 1 und A 24 künftig auch die A 20 und die A 21. Die schwarz-gelbe Forderung, auch wichtige Bundesstraßen zu Entwicklungsachsen aufzuwerten, setzte Schlie nur halbherzig um. Einige Bundesstraßen (etwa die B 207 im Herzogtum Lauenburg) tauchen im LEP zwar als "Hauptverbindungsachsen" auf. Vorteile, etwa die Erlaubnis zur Ansiedlung riesiger Gewerbegebiete, sind damit nach Auskunft der Landesplanung aber nicht verbunden.

Der Städteverband begrüßte, dass Schlie die schwarz-gelben Vorgaben nicht "eins zu eins" umgesetzt habe. "Das Schlimmste konnte auch durch die mehr als 40 Resolutionen der Städte damit noch verhindert werden", sagte Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote. Gleichwohl stelle das Land "falsche Weichen". Lob bekam Innenminister Klaus Schlie von der Opposition. Aus Sicht der SPD sind die "ländlichen Träumereien" von CDU und FDP geplatzt. Die Grünen frohlockten, dass Schlie die schwarz-gelbe Koalition am langen Arm verhungern lasse. CDU und FDP zeigten sich als gute Verlierer und begrüßten den neuen Landesentwicklungsplan.