Schlichter Waschbeton gegen historisches Fachwerk, schmucklose Plätze gegen einzigartige Architektur - damit soll nun Schluss sein.

Jork/Steinkirchen. Die Altländer spüren Protest und Widerstand von allen Seiten. Im Norden des Landstrichs setzt man sich vehement gegen die Elbvertiefung ein. Im Westen ziehen Bürgerinitiativen gegen den geplanten Bau mehrerer Kohlekraftwerke in Stade zu Felde. Im Süden kämpfen Unermüdliche noch immer gegen den Weiterbau der Autobahn 26. Und im Osten wehrte man sich lange Zeit gegen die Verlängerung der Startbahnen des Airbus-Flughafens in Finkenwerder.

Doch dass die Kulturlandschaft des Alten Landes, die Ortsansässige auf die Liste des Unesco-Welterbes setzen lassen wollen, auch von innen bedroht sein könnte, ist eine neue Erkenntnis. Dabei geht es um die Häuser, die die Altländer teilweise selbst in die Landschaft setzen. Traditionsbewusste Anwohner befürchten, dass Neubau-Architektur die Altländer Bauweise verdrängen könnte. Das gilt besonders für Jork, die größte Gemeinde des Alten Landes.

"Es gibt immer mehr Bausünden, die den Charakter des Ortes verfälschen. Jork hat schon jetzt sehr viel von seinem Charme verloren", sagt Detmar Kläschen, Mitglied des Jorker Bürgervereins. Als Beispiel nennt er eine mehrstöckige Seniorenwohnanlage an der Straße Osterjork, die erst in diesem Jahr fertig geworden ist. Es handelt sich um ein wuchtiges, schmuckloses Gebäude aus rotem Stein - mit einem Altländer Fachwerkhaus hat es in der Tat wenig zu tun. Nicht nur in diesem Gebäude, so Kläschen, auch in vielen neuen Privathäusern setze sich die unselige Tradition der 60er- und 70er-Jahre fort.

"Wir haben hier in Jork viele bauliche Erbsünden, die den Ort viel von seinem Charakter gekostet haben", sagt der 70-Jährige, der seit 1980 in Jork wohnt, und verweist auf die örtliche Sparkasse, einen großen Waschbetonbau. Auch das Zentrum des Ortes, der in den 80er-Jahren umgestaltete Altländer Markt, ist wenig anheimelnd. Mitten auf dem Platz parken Autos, viele der Geschäfte stehen leer. Die Meinung vieler Jorker bringt der gebürtige Altländer Ulrich Freudenberg (54) auf den Punkt: "Früher war es richtig schön hier. Aber viel zu viele alte Gebäude sind verschwunden. Dafür wurden Großprojekte gebaut, die sich nur für die Investoren gelohnt haben."

Kontroversen um die Bautradition gibt es auch in anderen Teilen des Alten Landes. In Osterladekop fürchten Anwohner, dass eine geplante Straßensanierung den ursprünglichen Charakter des Ortskerns verfälschen könnte. Im 15 Kilometer entfernten Hollern-Twielenfleth sorgt ein Supermarkt, der nach einem Standardmuster gebaut worden ist, für Unmut.

Dass der traditionelle Baustil unter Schutz gestellt werden muss, ist mittlerweile auch in den Verwaltungen ein Thema. Bausünden der Zukunft soll jetzt ein "Gestaltungsleitfaden" für das Alte Land verhindern, den die Gemeinde Jork in Zusammenarbeit mit der Samtgemeinde Lühe und dem Bezirksamt Harburg plant. Zusätzlich zu den rechtlich verbindlichen Ortsgestaltungssatzungen, die in vielen Teilen des Alten Landes gelten, soll die Fibel dabei helfen, das jeweilige Ortsbild zu bewahren. Der neue Leitfaden solle "Empfehlungen für Bauherren" enthalten, sagt Jorks stellvertretender Bürgermeister Matthias Riel. Eine Ortsgestaltungssatzung, die Dinge wie Bauhöhen und die Fassadengestaltung regelt, hat auch seine Gemeinde bereits seit zehn Jahren. Allerdings gilt sie nur für bestimmte Teile des Ortes.

Dass in seiner Gemeinde nicht immer optimal gebaut worden ist, gibt er zu: "Die Bereiche um die Sparkasse und den Altländer Markt sind unsere Sorgenkinder. Aber in den 70er- und 80er-Jahren gab es andere Bauvorgaben." Mit der Aufwertung der Ortsmitte würden sich jetzt Arbeitsgruppen beschäftigen.

An der Planung einer weiteren Initiative ist Susanne Höft-Schorpp, Leiterin des Altländer Archivs in Jork, beteiligt. Eine Ausstellung im örtlichen Museum, die im Sommer eröffnet, soll sich mit der Architektur im Alten Land befassen. "Wir müssen bei den Leuten das Bewusstsein wecken, dass sie an einem besonderen Ort leben. Hier kann man nicht von der Stange bauen", sagt die Archivarin. "Die Steine der alten Fachwerkhäuser sind in Mustern gemauert, die es so nur im Alten Land gibt. Auch die Verzierungen der Giebel und die hiesigen Schmucktore sind einzigartig", sagt Susanne Höft-Schorpp über die Häuser, die teilweise noch aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) stammen.

Das zehn Kilometer westlich gelegene Steinkirchen gilt als beispielhaft dafür, wie ein Ortskern erhalten werden kann. Dabei haben die Steinkirchener diesen nicht nur der Politik zu verdanken. Hans Jarck, Bürgermeister der Samtgemeinde Lühe, zu der Steinkirchen gehört, sagt: "Ein Mäzen hat in unserem Ort mehrere historische Gebäude aufgekauft und saniert. Ihm verdanken wir zu einem guten Teil das Erscheinungsbild."