Vier Politiker tingeln durch Niedersachsen und stellen sich der Basis vor. Die Aktion soll potenzielle Kungeleien der Bezirke verhindern.

Hannover. Die krisengeschüttelte niedersächsische SPD wagt Basisdemokratie: Vier Kandidaten bewerben sich um den Landesvorsitz und werden sich auf rund einem Dutzend öffentlicher Veranstaltungen im Land vorstellen. Am Ende wird jedes Mal abgestimmt. So soll ein Meinungsbild entstehen, ehe letztlich rund 200 Delegierte auf einem Landesparteitag Ende Mai entscheiden, wer Nachfolger von Garrelt Duin wird.

Der 41-Jährige hatte vor wenigen Wochen überraschend seinen Rücktritt verkündet und als Grund vor allem parteiinterne Dauerstreitereien genannt. Hinzu kommt, dass die SPD bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr in ihrem ehemaligen Stammland Niedersachsen mit 30 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis überhaupt einfuhr. Ungeklärt ist zudem die Frage der Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl.

Duin, der das basisdemokratische Verfahren für den Vorsitz am Sonnabend nach einer Sitzung des Parteirats vorstellte, wurde deutlich: "Jeder Versuch einer gekungelten Absprache ist damit zum Scheitern verurteilt."

Die Kandidaten hielten in Hannover ihre erste Bewerbungsrede - unter den Augen von SPD-Chef Sigmar Gabriel. Alle vier spiegeln das Problem der Partei wider, überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Stefan Schostok (45) ist Sozialpädagoge und Bezirksvorsitzender in Hannover. Aber wie sein Konkurrent, der Ingenieur Olaf Lies (42) aus dem Bezirk Weser-Ems, ist auch Schostok erst seit zwei Jahren im Landtag und außerhalb der Partei weitgehend unbekannt. Das gilt erst recht für den 31 Jahre alten Unternehmensberater Stefan Preuße aus dem Bezirk Braunschweig, dem auch keine Chancen eingeräumt werden.

Genau hier setzt Monika Griefahn an: Die frühere niedersächsische Umweltministerin (1990 bis 1998) und ehemalige Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis Harburg (1998 bis 2009) hat erst vor drei Tagen überraschend ihren Hut in den Ring geworfen. Die 55-Jährige offensiv: "Ich bin von Freunden ermutigt worden zu kandidieren, die anderen kennt man nicht."

Ob die Mammuttour durchs Land wirklich Kungeleien zwischen den Bezirken verhindert, ist derzeit offen. Auch wenn die Entscheidungen nacheinander fallen, geht es immer auch um den Proporz. Ob Landtagsfraktionschef Wolfgang Jüttner (Hannover) sich im Herbst noch einmal zur Wiederwahl stellt, lässt er offen. Denkbar ist, dass die Bezirke Weser-Ems und Braunschweig sich zusammentun und Olaf Lies aus Weser-Ems der Kandidat wird. Im Gegenzug könnte dann ein Braunschweiger auf Weser-Ems bauen, wenn es um den Fraktionsvorsitz geht. Umgekehrt können Griefahn und Schostok aus dem Bezirk Hannover kaum ohne Stimmen aus dem kleinsten Bezirk Nordniedersachsen siegen.

Während der scheidende Landesvorsitzende Duin dem rechten Parteiflügel zugerechnet wurde und strikt gegen Bündnisse mit der Linkspartei war, werden alle vier Nachfolgekandidaten eher dem linken SPD-Flügel zugerechnet.

Seinen Rücktritt hatte Duin auch mit Schwierigkeiten begründet, als Bundestagsabgeordneter die Landespartei zu führen, ohne dauerhaft im Land Präsenz zeigen zu können. Mit genau diesem Argument lehnte auch der derzeit vielleicht bekannteste niedersächsische SPD-Politiker, der frühere SPD-Generalsekretär Hubertus Heil, eine eigene Kandidatur um den Vorsitz ab. Er ist Bezirkschef von Braunschweig, und mit 37 Jahren kann er auf bessere Zeiten warten.