Schüler und Lehrer versammelten sich für eine Trauerfeier in der St.-Willehadi-Kirche. Ein Meer von Kerzen brannte vor der Tür.

Osterholz-Scharmbeck. Ein Meer von Kerzen brennt vor der Tür des Gymnasiums im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck. Blumen liegen im Schnee. Zwei Schülerinnen mit verweinten Augen stellen kleine Engel neben die vielen Briefe. Einen Moment bleiben sie stehen, um die Gedichte, selbst gemalten Bilder und Fotos zu betrachten. Die Porträts zeigen eine hübsche, fröhliche Frau mit langen dunklen Haaren. Die 35-Jährige war Lehrerin an dem Gymnasium. Am Freitag wurde sie ermordet - von einem ehemaligen Schüler, dessen Liebe sie nicht erwiderte. Mehr als 20-mal stach der 21-Jährige mit einem Messer auf die Frau ein.

Entsetzt und ungläubig reagieren Schüler und Lehrer am Montag auf diese Brutalität. "Das ist schockierend", sagt Schulleiter Gerd Schmidt. "Man ist erst einmal fassungs- und ratlos." Obwohl der Unterricht an dem Tag ausfällt, kommen die 1300 Gymnasiasten in die Schule, um gemeinsam um die Chemie- und Biologie-Lehrerin zu trauern. Mit einer Schweigeminute gedenken sie am Morgen der 35-Jährigen. "Die Stimmung ist sehr gedrückt", beschreibt Schmidt die Atmosphäre. Gedrängt stehen Schüler und Lehrer im Foyer. Viele blicken versteinert, einige halten sich weinend in den Armen. "Ich habe den Verlust noch gar nicht realisiert", sagt der 20-jährige Christoph. "Bei der Schweigeminute eben habe ich zum ersten Mal geweint." Die Tote beschreibt er als eine gute Lehrerin. "Sie war hart, aber fair." Auch Schmidt hält große Stücke auf seine Kollegin: "Sie war außerordentlich positiv, freundlich, den Schülern zugewandt, gewissenhaft - eine Art Bilderbuch-Kollegin."

Am Mittag strömen Schüler und Lehrer für eine Trauerfeier in die nahe gelegene St.-Willehadi-Kirche. In kleinen Anekdoten erinnern sie an die beliebte Pädagogin, die gerne Schokolade naschte und immer ein offenes Ohr für ihre Schüler hatte. Dieses Engagement wurde der Frau schließlich zum Verhängnis. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft machte sie sich Sorgen um ihren späteren Mörder, den sie in Chemie unterrichtete. Vergangenes Jahr ging sie zur Polizei, weil sie befürchtete, er könne sich umbringen. Daraufhin bekam er psychologische Hilfe. Einige Monate später musste er die Schule aber ohne Abitur verlassen und ging zur Bundeswehr. Dass ihr ehemaliger Schüler für sie schwärmte, ahnte die Lehrerin damals nicht. Sie merkte auch nicht, dass er sie verfolgte. Am Freitag fing er die Angebetete schließlich vor ihrer Wohnung in Bremen-Nord ab. Als sie sich gegen ihn wehrte, stach er zu. Die 35-Jährige hatte keine Chance: Ihre Verletzungen waren so stark, dass sie noch auf der Straße starb. Anschließend stellte sich der 21-Jährige der Polizei. Er sitzt nun in Untersuchungshaft.

In der Schule galt der junge Mann als Einzelgänger, als aggressiv und aufmüpfig. Dass er ein auffälliger Schüler war, bestätigt auch der Schulleiter. Schmidts größte Sorge sind aber jetzt seine Schüler und Kollegen. Drei Psychologen, zwei Schulpastoren und eine in Notfallseelsorge geschulte Lehrerin kümmern sich zurzeit in der Schule um die Trauernden.