1983 war Manfred Popp im Forschungsministerium zuständig für Gorleben. Jetzt sagte er vor dem Untersuchungsausschuss Asse aus.

Hannover. Die damalige CDU/FDP-Bundesregierung unter dem Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat offenkundig politischen Einfluss genommen, um den Standort Gorleben als Endlager für hoch radioaktiven Müll durchzusetzen. Einen Tag nachdem ein entsprechendes Fernschreiben aus dem Jahr 1983 aufgetaucht war, musste gestern der damals zuständige Unterabteilungsleiter im Bundesforschungsministerium, Professor Manfred Popp, vor dem Asse-Untersuchungsausschuss in Hannover aussagen. Dabei versicherte er anfangs, es sei "unvorstellbar und töricht", Gutachten zu beeinflussen. Von Journalisten anschließend erstmals mit dem konkreten Fernschreiben konfrontiert, räumte er dann aber mit Hinweis auf seinen damals federführend beteiligten Mitarbeiter ein: "Vielleicht hat er des Guten zu viel getan." Es habe sich auch damals "um einen hochsensiblen Themenbereich" gehandelt.

Zudem bestätigt das Fernschreiben mit konkreten Formulierungswünschen an die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, was einer der Verfasser des Gutachtens, Prof. Helmut Röthemeyer, schon vor Monaten erklärt hat. Danach ist er bei einer Besprechung kurz zuvor von Vertretern des Kanzleramtes und des Innen- und des Forschungsministeriums regelrecht bedrängt worden, deren inhaltliche Wünsche in den Text einzuarbeiten.

Nachdem das Kanzleramt am Vortag noch eine schnelle Prüfung der entsprechenden Akten versprochen hatte, hielt Kanzleramtsminister Thomas de Maizière gestern Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) "unbegründete Fälschungsvorwürfe" vor. Keine der wissenschaftlichen Einrichtungen habe damals "Zweifel an der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer untertägigen Erkundung Gorlebens geäußert". De Maizière reagierte damit auf Kritik von Bundesumweltminister Gabriel, der die Vorgänge im Jahr 1983 einen Skandal nennt und eine völlig neue Endlagersuche unter Ausschluss von Gorleben fordert. Die Linksfraktion im Landtag in Hannover widersprach dagegen de Maizière. Es habe mehrere kritische Stimmen gegeben, ein Gutachter sei wegen seiner Kritik sogar abgelöst worden.

Der damalige Spitzenbeamte Popp aus dem Forschungsministerium wurde gestern im Untersuchungsausschuss in Hannover auch danach befragt, wie es überhaupt zu Gorleben gekommen ist. Die Bundesregierung, so erläuterte Popp, habe damals drei andere Salzstöcke in Niedersachsen prüfen wollen und Bedenken gegen Gorleben gehabt, weil man wegen der Lage direkt an der innerdeutschen Grenze Ärger mit der DDR befürchtete. Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) aber habe auf Gorleben bestanden. Bei bilateralen Gesprächen mit dem zuständigen Leiter des Amtes für Atomsicherheit und Strahlenschutz der DDR, Georg Sitzlack, erlebte Popp dann "eine Überraschung". Sitzlack habe ihm gesagt, die Standortentscheidung bereite der DDR keine Kopfschmerzen. Schließlich seien auf beiden Seiten Deutsche am Werk, "und die würden sorgfältig und gewissenhaft arbeiten". Zu diesem Zeitpunkt hatte die DDR bereits mit dem ebenfalls grenznahen Bau eines Endlagers in Morsleben begonnen.