Forscher kritisieren mangelnde Sicherheit. Politiker bringt Salzstöcke im Emsland und Bad Zwischenahn ins Gespräch.

Hannover. In Niedersachsen gibt es mehrere Alternativstandorte für ein Atomendlager, falls es in Gorleben nicht klappt. Daran erinnerte Landesumweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) gestern und nannte gleich zwei mögliche Ersatzstandorte - Salzstöcke im Emsland und in der Region Bad Zwischenahn. Hier wie dort hagelte es Proteste über den neuen Vorstoß im Dauerstreit um Gorleben.

Die Debatte angeheizt hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Der Ex-Regierungschef von Niedersachsen ließ gut vier Wochen vor der Bundestagswahl keinen Zweifel daran, dass er die Gorleben-Pläne für erledigt hält. "Der Standort Gorleben ist tot für ein Endlager." Der Minister bekräftigte seine alte Forderung, bundesweit nach anderen Standorten für eine sichere Deponierung von hoch radioaktiven Abfällen zu suchen.

Das Aus für Gorleben begründete Gabriel zum einen damit, dass der Salzstock nach dem politisch vereinbarten Erkundungsstopp (2000 bis 2010) nicht abschließend untersucht werden kann. Hintergrund: Die Erkundungsverträge mit mehr als 100 Grundbesitzern im Wendland laufen Ende 2015 aus. Ein K.-o.-Kriterium ist das aus Sicht von Gorleben-Befürwortern aber nicht. Widerspenstige Grundbesitzer könnten notfalls enteignet werden.

Gabriel verweist auch auf neue Erkenntnisse, nach denen das geplante Endlager möglicherweise nicht so sicher ist wie behauptet. Hintergrund sind Dokumente, die das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) auf Druck der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg herausrückte. Demnach war der Vorgänger des BFS 1983 erst in Abstimmung mit der damaligen Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) zum Ergebnis gekommen, dass Gorleben sich als Endlager eignet.

Die Regierung habe die Bedenken der Fachbehörde ignoriert, meinte Gabriel. Klar ist, dass es seit 1977, als die niedersächsische Regierung Gorleben als Endlager benannte, Zweifel an der Sicherheit der Salzstöcke und am Zustand der Deckschichten gibt. Einige Kritiker bekräftigten ihre Bedenken im ARD-Magazin "Panorama". Der Geo-Wissenschaftler Professor Gerhard Jentzsch sieht etwa die Gefahr, dass Wasser von außen in das Endlager eindringt und Radioaktivität austritt. Kritisch äußerte sich auch der Hamburger Geografie-Professor Eckhard Grimmel.

Andere Wissenschaftler halten Gorleben für sicher. Ebenso verhärtet sind die Fronten in der Politik. Gabriel bekam Beifall von SPD, Grünen und der Linkspartei. CDU und FDP sehen in dem Vorstoß des Ministers ein reines "Wahlkampfmanöver". Sie fordern, Gorleben erst zu erkunden und dann über die Eignung als Endlager zu entscheiden. Grund sind auch die Kosten. In Gorleben wurden schon 1,5 Milliarden Euro versenkt.

Wie es mit dem Endlager im Wendland weitergeht, dürfte sich erst nach der Bundestagswahl entscheiden. Im Fall eines CDU/FDP-Wahlsiegs bleibt Gorleben die erste Endlagerwahl. Im Fall einer SPD-Regierung könnte es ein neues Suchverfahren geben. Genau darauf zielte auch Umweltminister Sander ab. Der Minister habe nur davor warnen wollen, dass Niedersachsen im Fall einer Schließung von Gorleben "nicht aus dem Schneider" sei, sagte ein Sprecher. Im Gegenteil: Niedersachsen hat die größten Salzstöcke und bleibt daher erste Wahl.