Drei Frauen im Kreis Stormarn und in Bremen sind gestorben. Die Welle der Darminfektionen mit dem EHEC-Erreger schwappt über Deutschland. War es Gülle am Salat?

Hamburg. Immer mehr Menschen erkranken - und jetzt hat die Welle der Darminfektionen mit dem EHEC-Erreger in Norddeutschland auch die ersten Todesopfer gefordert. In Bremen starben eine 83 Jahre alte Frau aus dem Landkreis Diepholz, die nachweislich infiziert war, und eine 24-Jährige, die alle typischen Symptome der Krankheit aufwies. Auch in Bad Oldesloe (Kreis Stormarn) erlag eine 80-Jährige offenbar dem gefährlichen Darmbakterium. Hier stehen die endgültigen Laborergebnisse noch aus.

Rasant angestiegen ist auch die Zahl der Patienten, die in norddeutschen Kliniken zum Teil auf Intensivstationen behandelt werden. Allein in Schleswig-Holstein waren es gestern rund 200 Menschen - 110 mehr als am Montag. Fast alle klagten über blutigen Durchfall - ein typisches Merkmal der Krankheit. Der Leiter des Instituts für Infektionsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Peter Rautenberg, sprach von einem "dramatischen Anstieg, der die historischen Werte überschritten hat".

In früheren Jahren waren EHEC-Infektionen - die Abkürzung steht für Enterohämorrhagische Escherichia coli - eher harmlos verlaufen. Bei der aktuellen Infektionswelle dagegen kommt es bei ungewöhnlich vielen Betroffenen zum sogenannten HU-Syndrom (HUS) - gefährlichen Komplikationen wie akutes Nierenversagen und Blutarmut, die lebensbedrohlich sind. Auch in Hamburg leiden daran viele Patienten. Ihre genaue Zahl ist unklar, allein am UKE waren es gestern 33 Menschen.

Der Mediziner Werner Wunderle von der Bremer Gesundheitsbehörde sagte, von der Krankheit betroffen seien vor allem Frauen, die sich gesundheitsbewusst ernährten. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Quelle der Infektion möglicherweise Gemüse oder Salate sind, die roh verzehrt wurden. Durch Kochen oder Garen werden EHEC-Erreger abgetötet.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, nannte die hohen Fallzahlen "erschreckend" und warnte: "Wir müssen mit mehr Todesfällen rechnen." Es sei nicht erkennbar, dass sich die Entwicklung bei den Infektionen schnell abschwächen werde. Normalerweise gebe es pro Jahr etwa 1000 EHEC-Fälle, daraus würden sich dann 50 bis 60 HUS-Fälle entwickeln. Noch nie habe es aber so viele Fälle in so kurzer Zeit gegeben und noch nie seien hauptsächlich Erwachsene betroffen gewesen.

Das RKI ist mit einem Erkundungsteam in Hamburg, um die Quelle der Infektion zu ermitteln. Rohes Fleisch oder Rohmilchkäse gelten als eher unwahrscheinlich. Befragungen der Patienten haben dafür keine Anhaltspunkte ergeben. Aber auch für die Theorie, dass es verseuchte Gülle sein könnte, die als Düngung über Gemüse- oder Salatfelder gekippt wurde, gibt es bisher keine belastbaren Beweise. Zwar ist erwiesen, dass sich der EHEC-Erreger oft im Kot von Tieren befindet. Ein Sprecher des Deutschen Bauernverbandes sagte jedoch, Gemüse mit Gülle zu düngen sei "eigentlich kein gängiges Verfahren". Gemüseanbaubetriebe seien in der Regel spezialisiert und betrieben keine Tierhaltung. Deshalb verfügten die wenigsten Gemüsebauern überhaupt über Gülle, die als Düngemittel eingesetzt werden könnte.