Die Schulen in Schleswig-Holstein müssen beim Personalabbau die Hauptlast tragen. 3650 Lehrer sollen eingespart werden - Streik geplant.

Kiel. Schleswig-Holstein hat den ersten Schritt auf dem langen Weg aus der Schuldenfalle gemacht. Das schwarz-gelbe Kabinett billigte gestern das umfangreichste Sparpaket in der Landesgeschichte. Vor dem Landeshaus lief die Protestwelle mit einer Demonstration gegen die Privatisierung des Uni-Klinikums an. Heute folgen Blindenverbände, in einer Woche streiken die Lehrer.

"Vor uns liegen lange und schwierige Debatten", sagte Regierungschef Peter Harry Carstensen (CDU). Bei der Vorstellung des bereits bekannten Sparpakets machte er deutlich, dass die Jahrzehnte der ungebremsten Schuldenmacherei im Norden vorbei sind. "Schleswig-Holstein ist das erste Land, das den Weg zur Konsolidierung des Haushalts einschlägt." Das strukturelle Defizit von 1,25 Milliarden Euro solle bis 2020 in fünf Etappen à 250 Millionen Euro auf null abgebaut werden.

Das Volumen des ersten Sparpakets (2011/12) bezifferte Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) auf mindestens 250 Millionen Euro. Eine genaue Summe konnte er nicht nennen. Dafür lüftete Wiegard auf Nachfrage ein brisantes Geheimnis. Der Abbau von 5300 Stellen im Landesdienst bis 2020 geht vor allem zu Lasten der Schulen. Sie sollen 3650 Lehrerstellen verlieren, die ersten 300 im Sommer 2011, die nächsten 300 im Sommer 2012.

Carstensen begründete den Aderlass mit den rückläufigen Schülerzahlen. Sie würden rechnerisch einen Abbau von 4200 Lehrerstellen bis 2020 ermöglichen. Vor diesem Hintergrund gab Carstensen eine Art Unterrichtsgarantie ab. "Das Verhältnis zwischen Lehrer- und Schülerzahlen wird morgen dasselbe sein wie heute." Die Lehrergewerkschaft GEW schäumte, zumal die Regierung das beitragsfreie dritte Kita-Jahr streichen, die Uni Flensburg eindampfen, viele Lehrer zu mehr Unterricht verpflichten und die kostenlose Schülerbeförderung abschaffen will. "Die Vorschläge der Regierung sind unsozial und bildungsfeindlich", sagte GEW-Chef Matthias Heidn. Die Gewerkschaft rufe zum Lehrerstreik am 3. Juni auf.

Verraten und verkauft fühlen sich auch Mitarbeiter des Uni-Klinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Sie werfen der Regierung Wortbruch vor, weil eine Privatisierung der Großkliniken in Kiel und Lübeck frühestens 2015 erfolgen sollte und nun, falls möglich, vorgezogen wird. "Wir können die Zukunft des UKSH nur mit einem privaten Investor sichern", sagte Carstensen. Das Land hat kein Geld für die Sanierung der maroden Klinikgebäude. Nötig wären mindestens 700 Millionen Euro.

Für Zündstoff sorgt auch die vom Kabinett beschlossene Küstenschutzabgabe. Sie soll ab 2012 bei Landwirten und Hausbesitzern erhoben werden, die von Deichverstärkungen an Nordsee, Ostsee und Flüssen oder von Sandvorspülungen auf Sylt profitieren. Über die Höhe der Abgabe werde nicht die Größe des Grundstückes entscheiden, sondern sein Einheitswert, sagte Umweltministerin Juliane Rumpf (CDU). Ansonsten müssten Bauern mit großen Feldern hinterm Deich übermäßig zahlen.

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Im Visier hat die Regierung insbesondere die Immobilienbesitzer auf Sylt, die bisher an den Millionenkosten für die jährlichen Sandaufspülungen nicht beteiligt werden. Vorbild für das Inkasso ist Niedersachsen. Dort kassieren die Deichverbände bei allen Bürgern und Firmen in sturmflutgefährdeten Regionen ab. Rund 20 Millionen Euro kommen so jährlich zusammen. Im Regelfall werden zwischen 0,8 und 1,2 Promille des Einheitswertes kassiert, das bedeutet für einen Hausbesitzer eine Summe von 20 bis 60 Euro im Jahr.

Den Bauern stehen weitere Belastungen ins Haus. Sie sollen höhere Beiträge für die Landwirtschaftskammer zahlen und mit weniger Agrarförderung auskommen. Mit ihrem Frust sind die Landwirte nicht allein. Die Blinden wehren sich gegen eine Kürzung des Landesblindengeldes, die Polizei gegen die Anhebung des Pensionsalters. Die Lübecker werten die Verlagerung ihres Medizinstudiengangs nach Kiel als "Kriegserklärung", die Flensburger pochen auf den Erhalt ihrer Uni, viele Einrichtungen von der Tourismusagentur bis zu den Wohlfahrtsverbände klagen über bittere Einschnitte.

In die Protestfront reihte sich Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) ein. Die schwarz-gelbe Koalition stifte mit Kürzungen zulasten der Ärmsten sozialen Unfrieden, gefährde besonders bei der Bildung die Zukunft des Landes. Das Aus für das Gratis-Kita-Jahr sei Wahlbetrug. "Wortbruch ist das Markenzeichen der Regierung Carstensen."

Die Grünen forderten die Regierung auf, endlich den Sparweg bis 2020 mit konkreten Summen zu pflastern. Der SSW kündigte Proteste gegen zwei Maßnahmen an. Die Partei der dänischen Minderheit lehnte eine "Amputation" der Uni Flensburg ebenso ab wie die Kürzung der Schülerkostensätze für die dänischen Schulen von 100 auf 85 Prozent. Das komme einem "Attentat" gleich. "Die Familien der dänischen Minderheit gebären auch nur ganze Kinder und zahlen 100 Prozent Steuern in Schleswig-Holstein."