Sägen, schnitzen, kreativ austoben: Bei der Messe Forst live in Soltau geht's an diesem Wochenende um Kleinholz in all seinen Variationen.

Soltau. 10.59 Uhr. Zeit für Florian Lindner, noch mal richtig Gas zu geben. Der Motor heult auf, die Kette läuft wie geschmiert, Lindner nimmt Maß, Stahlzähne beißen sich in Holz, Eichenspäne wirbeln durch die Luft. Knapp eine Minute noch, dann ist Schluss für Lindner. Für seine vier Mitstreiter auch. Zu fünft schwingen sie ihre Kettensägen, metzeln, was das Zeug hält. Der Geruch von Treibstoff, Zweitakt-Gemisch, liegt schwer über allem. Und dann ist Schluss. Florian Lindner, dem man vor einer halben Stunde einen halben Meter Eichenstamm gegeben hat, begutachtet skeptisch, was davon übrig geblieben ist: Sieht aus wie eine Katze.

Speedcarving nennt sich das, was Männer hier am Rande des Heide-Parks in Soltau veranstalten. Kettensägen-Schnellschnitzen. Die Kunst der schnellen Schnitte. Zu sehen ist sie an diesem Wochenende mehrmals täglich - als Rahmenprogramm der Messe "Forest live", die erstmals in der Heide-Stadt ausgerichtet wird und die nur ein Thema kennt: Kleinholz in allen denkbaren Variationen. Gesägt, gehackt, gespalten, gehäckselt, geschreddert, gepresst. Und eben auch mal schnellgeschnitzt.

153 Aussteller zeigen, was die Holzwirtschaft zu bieten hat und was Männerwirtschaften begeistert. Während Florian Lindner Ohrenschützer abnimmt und Späne im schweißnassen Gesicht hin und her wischt, inhaliert am Stand nebenan eine riesige Maschine einen ganzen Baumstamm und spuckt ihn scheitchenweise wieder aus. Florian Lindner, der 28 Jahre alte Diplomingenieur für Gebäudemanagement aus dem thüringischen Bad Blankenburg, erinnert sich, wie alles begann. "Mein Vater ist Motorsägenhändler. Da habe ich einfach mal angefangen." Heute verdient er seinen Lebensunterhalt damit, Skulpturen zu schnitzen. "Es ist das Interesse an der Kettensäge, das uns alle verbindet", wirft Michael Knüdel, 43, aus Bispingen ein. Auch er hat eine klassische Kettensägen-Karriere hinter sich: Vom kaufmännischen Angestellten in einem Betrieb, in dem es Kettensägen gab, zum neben- und inzwischen hauptberuflichen Schnitzer und Selbstdarsteller.

Interesse an der Kettensäge? "Ja", sagt Knüdel, "was für die einen das Auto ist, ist für andere die Kettensäge." Dann malt er in den schönsten Worten ein Bild aus, das einen Mann zeigt, der an einem Sonnabendabend mit einem Autoanhänger voll Brennholz zu seiner Familie heimkehrt. "Er ist tierisch kaputt. Aber er sieht sein Holz. Und er ist stolz." So gesehen ist es vom selbst gesägten Feuerholz bis zum selbst geschnitzten Tier nur ein kleiner Schnitt.

Die meisten echten Kerle beschränken sich allerdings aufs Zerkleinern. Und es werden immer mehr. "Der Trend geht zum eigenen Ofen", sagt Max Riemann, ein Journalist, der es wissen muss. Er ist Redakteur beim neuen Magazin "Holzmachen", das im Scheeßeler Forstfachverlag erscheint. "Das ist wie Landlust für Männer", beschreibt Riemann den Inhalt. Besonders beliebt sei die Rubrik "Motorsäge des Monats". "Sägen", sagt der Mann, der darüber schreibt, "ist noch ein echtes Abenteuer. Es ist Natur, es ist Technik, es ist Austoben."

Schnitt. Während die Männer draußen sägen oder wenigstens davon schwärmen, betrachtet Dietrich Meyer-Ravenstein, Forstexperte im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, die Thematik bei der Messeeröffnung drinnen im Konferenzsaal (es gibt Schnittchen) des Heide-Park-Hotels nüchterner. Doch auch er sagt: "Es wird deutlich mehr Energieholz gebraucht als früher." Die Menschen suchten angesichts hoher Öl- und Gaspreise nach alternativen Energiequellen.

"Holz, das in früheren Zeiten Abfall gewesen wäre, bringt jetzt eine echte Rendite", sagt Meyer-Ravenstein. Dass Niedersachsens Wälder vor dem Kahlschlag stünden, bestreitet er jedoch. "Es wird deutlich mehr aufgeforstet als geerntet."

Es gibt mehr zu zerkleinern als früher. Ob mit Kettensäge für 500 Euro oder Großhacker für das Tausendfache - thematisch ist das eigentlich dasselbe. Das Geschäft mit dem Zerkleinern läuft offenbar wie geschnitten Holz. "Jeder zweite Besucher hat konkretes Interesse", meint Harald Lambrü, der die Messe vor zwölf Jahren mit dem Journalisten Ferdinand Bäuerle in Baden-Württemberg erfunden hat; 10 000 Besucher erwartet er nun.

Die Sägen draußen sind noch stumm. Nur Menschen kreischen, die nebenan im Freizeitpark im Freifallturm sitzen und auf die Erde zu sausen. John Brady lässt sich davon nicht beirren. Der 54 Jahre alte Farmer aus der Nähe der australischen Stadt Melbourne macht sich jetzt daran, Zähne nachzuschleifen, die der Sägekette. Der Schnellschnitzer aus Down Under reist um die ganze Welt, um überall Kleinholz zu hinterlassen. Mit seiner eigenen Säge kann er außerhalb des eigenen Kontinents nicht arbeiten. "Die darf nicht mit ins Flugzeug", sagt er.

Showtime. Die Kunst der schnellen Schnitte geht weiter. Apropos Kunst: Ist es das? Michael Knüdel ist nachdenklich: "Wenn jeder erkennt, was ich geschnitzt habe, ist es wohl eher Kunsthandwerk. Wenn ich's erklären müsste, wär's Kunst." Es ist inzwischen zwölf Uhr. Neuer Stamm, neues Glück. Zeit für Florian Lindner, wieder richtig Gas zu geben. Der Motor heult auf, die Kette läuft wie geschmiert...

Forst live auf dem Eventgelände des Heide-Parks Soltau ist Sonnabend und Sonntag von 9 bis 17.30 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 10 Euro zuzüglich 2 Euro fürs Parken. Jugendliche unter 16 dürfen ohne Begleitung Erwachsener nicht rein.